Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.Wen, die im Canzlcistyl des vorerwähnten Programms zu uns sprechen. Die' Das Buch ist nichts weiter als eine. Chronik, die wie andere aus noch frü¬ Bei alledem behalten diese Herren aber doch in Einem recht, darin, näm¬ Auch in unsern Gauen wirft sich allererst die Frage auf: wie wurden wir Wen, die im Canzlcistyl des vorerwähnten Programms zu uns sprechen. Die' Das Buch ist nichts weiter als eine. Chronik, die wie andere aus noch frü¬ Bei alledem behalten diese Herren aber doch in Einem recht, darin, näm¬ Auch in unsern Gauen wirft sich allererst die Frage auf: wie wurden wir <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0272" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272171"/> <p xml:id="ID_973" prev="#ID_972"> Wen, die im Canzlcistyl des vorerwähnten Programms zu uns sprechen. Die'<lb/> Masse des Materials, die doch, wie sie jetzt im Museum aufgestellt, ein Einziger<lb/> sammelte, bedruckt sie ungeheuer, nicht zu überwältigen die Herkulesarbeit einer<lb/> Geschichte Tirols ohne Monographien über einzelne Abschnitte! daher erlag ihr<lb/> auch Hormayr, der zwar vielleicht nicht Alles weis!, was in der „Musealbibliothek"<lb/> geschrieben steht, aber viel mehr und Interessanteres. Um unsere Begriffe über<lb/> Geschichtschreibung besser aufzuklären, wird auch zugleich ein Muster geboten,<lb/> „ein wahres Volksbuch," wie die Ankündigung besagt, nämlich die Geschichte der<lb/> tirolischen Landeshauptleute, die Freiherr Jacob Andre V. Brandis in den Jahren<lb/> 1610 —1628 niederschrieb. Das erste Heft davon liegt vor uns und dient da¬<lb/> her als Probe.</p><lb/> <p xml:id="ID_974"> Das Buch ist nichts weiter als eine. Chronik, die wie andere aus noch frü¬<lb/> heren Zeiten mit dem „gewaltigen gcpcü des Hohen Thurms, vnd mechtiger<lb/> Statt Babel" beginnt, im ersten Theile aber nur die Namen einiger „Römischen<lb/> Landthaubtleüthe," deren einer Bonopus, eine rechte ilmjilim'.'l KiuM gewesen,<lb/> dann die Geburth- und Todesjahre der deutsche» Kaiser bis aus Friedrich I., und<lb/> mit einigen Notizen von gleichem Gewicht auch jene der tiroler Grafen bis aus<lb/> ihren letzten Sprößling Margarethe die Maultasche (133(i) berichtet. Erst über<lb/> letztere wird der Chronist gesprächiger; was ihm aber in den Augen der Archivare<lb/> und Sammler gewiß den größten Werth verleiht, ist die wörtliche Einrückung<lb/> vieler alten Urkunden, deren einige selbst im lateinischen Original gegeben sind.<lb/> Das rohe Material von Roll- und Sicgclbricfen, worunter sogar welche in<lb/> fremder Sprache, der Rococostyl des 17. Jahrhunderts, der nur von Staats¬<lb/> actionen, Fürsten- und Adelsgeschlechtern, aber nichts vom Volke weiß, diese<lb/> also wären die mundgerechte Hausmannskost sür den gemeinen Mann? So viel<lb/> wird wenigstens klar, daß die Volksbücher bei uns noch nicht völlig zum Durch¬<lb/> bruch gekommen sind.</p><lb/> <p xml:id="ID_975"> Bei alledem behalten diese Herren aber doch in Einem recht, darin, näm¬<lb/> lich, daß unsere Geschichte eine vortreffliche Schule für das Volk wäre, ja, was<lb/> sie zwar verschweigen, eine viel bessere noch als alle Heiligen- und Wunder-<lb/> geschichten, Gebet- und Erbauungsbücher; freilich käme es nur daraus an wie<lb/> man sie schriebe.</p><lb/> <p xml:id="ID_976" next="#ID_977"> Auch in unsern Gauen wirft sich allererst die Frage auf: wie wurden wir<lb/> Freie aus Knechten des Krnmmstnbcs und Schwertes? Es scheint, daß wir darin<lb/> hinter andern deutschen Landen nicht zurückblieben, ja der Vundcsbrief vom Jahre<lb/> 1323 führt schon Städte und Gerichte, also Bürger und Bauern unter den<lb/> Ständen Tirols auf. Durch Friedrich, zubenannt mit der leeren Tasche, »der<lb/> den Bauern Schutz und Obdach auf jener Flucht aus Konstanz, ja den Besitz<lb/> seines Erblandes Tirol verdankte, wurden sie vollends den Rittern gleichgestellt;<lb/> er setzte auf dem Landtage von 1420 eine gleiche Anzahl ans ihnen und dem<lb/> Adel zu Richtern über den Bund der widerspenstigen Dynasten, und die Strafen,<lb/> welche dieselbe Versammlung gegen die Vertcher des Landsriedens aussprach,<lb/> schützte den auflebenden Feldbau, Gewerbe und Handel. Aber schon unter Fried¬<lb/> rich's Sohne, dem schwachen Sigmund, oder vielmehr seinen Günstlingen, über-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0272]
Wen, die im Canzlcistyl des vorerwähnten Programms zu uns sprechen. Die'
Masse des Materials, die doch, wie sie jetzt im Museum aufgestellt, ein Einziger
sammelte, bedruckt sie ungeheuer, nicht zu überwältigen die Herkulesarbeit einer
Geschichte Tirols ohne Monographien über einzelne Abschnitte! daher erlag ihr
auch Hormayr, der zwar vielleicht nicht Alles weis!, was in der „Musealbibliothek"
geschrieben steht, aber viel mehr und Interessanteres. Um unsere Begriffe über
Geschichtschreibung besser aufzuklären, wird auch zugleich ein Muster geboten,
„ein wahres Volksbuch," wie die Ankündigung besagt, nämlich die Geschichte der
tirolischen Landeshauptleute, die Freiherr Jacob Andre V. Brandis in den Jahren
1610 —1628 niederschrieb. Das erste Heft davon liegt vor uns und dient da¬
her als Probe.
Das Buch ist nichts weiter als eine. Chronik, die wie andere aus noch frü¬
heren Zeiten mit dem „gewaltigen gcpcü des Hohen Thurms, vnd mechtiger
Statt Babel" beginnt, im ersten Theile aber nur die Namen einiger „Römischen
Landthaubtleüthe," deren einer Bonopus, eine rechte ilmjilim'.'l KiuM gewesen,
dann die Geburth- und Todesjahre der deutsche» Kaiser bis aus Friedrich I., und
mit einigen Notizen von gleichem Gewicht auch jene der tiroler Grafen bis aus
ihren letzten Sprößling Margarethe die Maultasche (133(i) berichtet. Erst über
letztere wird der Chronist gesprächiger; was ihm aber in den Augen der Archivare
und Sammler gewiß den größten Werth verleiht, ist die wörtliche Einrückung
vieler alten Urkunden, deren einige selbst im lateinischen Original gegeben sind.
Das rohe Material von Roll- und Sicgclbricfen, worunter sogar welche in
fremder Sprache, der Rococostyl des 17. Jahrhunderts, der nur von Staats¬
actionen, Fürsten- und Adelsgeschlechtern, aber nichts vom Volke weiß, diese
also wären die mundgerechte Hausmannskost sür den gemeinen Mann? So viel
wird wenigstens klar, daß die Volksbücher bei uns noch nicht völlig zum Durch¬
bruch gekommen sind.
Bei alledem behalten diese Herren aber doch in Einem recht, darin, näm¬
lich, daß unsere Geschichte eine vortreffliche Schule für das Volk wäre, ja, was
sie zwar verschweigen, eine viel bessere noch als alle Heiligen- und Wunder-
geschichten, Gebet- und Erbauungsbücher; freilich käme es nur daraus an wie
man sie schriebe.
Auch in unsern Gauen wirft sich allererst die Frage auf: wie wurden wir
Freie aus Knechten des Krnmmstnbcs und Schwertes? Es scheint, daß wir darin
hinter andern deutschen Landen nicht zurückblieben, ja der Vundcsbrief vom Jahre
1323 führt schon Städte und Gerichte, also Bürger und Bauern unter den
Ständen Tirols auf. Durch Friedrich, zubenannt mit der leeren Tasche, »der
den Bauern Schutz und Obdach auf jener Flucht aus Konstanz, ja den Besitz
seines Erblandes Tirol verdankte, wurden sie vollends den Rittern gleichgestellt;
er setzte auf dem Landtage von 1420 eine gleiche Anzahl ans ihnen und dem
Adel zu Richtern über den Bund der widerspenstigen Dynasten, und die Strafen,
welche dieselbe Versammlung gegen die Vertcher des Landsriedens aussprach,
schützte den auflebenden Feldbau, Gewerbe und Handel. Aber schon unter Fried¬
rich's Sohne, dem schwachen Sigmund, oder vielmehr seinen Günstlingen, über-
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