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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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er eine völlig aufgelöste Armee vor sich her trieb, und kam gerade zur Zeit
ein, den Waffenstillstand zu unterzeichnen, dem bald darauf (9. Febr. 1801)
der Friede von Lüneville folgte, durch welchen die zweite Koalition beendigt
wurde.

In dem Zwischenraum zwischen der zweiten und dritten Koalition beschäf¬
tigte sich der Erzherzog Karl, in's Kriegsministerium berufen, aus das Ernst¬
lichste damit, die militärische Organisation Oesterreichs auf einen guten Fuß
zu setzen; er bestimmte für die Soldaten eine Dienstzeit, die bis dahin unbe¬
schränkt gewesen war, und fügte einige andere wohlthätige Neuerungen hin¬
zu. Ebenso bescheiden als tapfer, verschmähte er die Statue, welche der
König von Schweden, ein großer Bewunderer seines Talents, auf dem Reichs¬
tag zu Paderborn ihm zu Ehren aufzurichten, den Antrag stellte.*)

Nach vier Jahren diplomatischer Verhandlungen entschloß sich Oesterreich,
ans Rußland gestützt, noch einmal den Degen gegen Frankreich zu ziehen.
Erzherzog Karl, der sich entschieden gegen den Krieg ausgesprochen hatte,
wurde weder zu den Vorbereitungs-Conferenzen zugezogen, noch über den
Feldzugsplan befragt. Das Cabinet von Se. Petersburg, welches deu un¬
sinnigen Widerwillen Suwarow's gegen den jungen Feldherrn theilte, ver¬
langte, daß er die Armee, mit welcher sich russische Truppen verewigen soll¬
ten, nicht commandiren dürfe; das Kommando dieser Armee wurde dem Ge¬
neral Mack anvertraut, dessen schon in Italien erwiesene Untüchtigkeit in
Deutschland noch augenscheinlicher werden sollte. Dem Erzherzog wurde
das Kommando über die vereinigte Armee an der Erich übergeben.

Ich übergehe hier die glorreiche Schlacht von Austerlitz, und halte mich
nur an die besondern Bewegungen des Erzherzogs. Während Mack und der
Erzherzog Ferdinand sich in Deutschland schlagen ließen, hielt Prinz Karl
allein gegen Massena in Italien die Ehre der österreichischen Waffen auf-



^) Der Abschied des Erzherzogs von seiner Armee (17. Mai 1800) war ergrei¬
fend. Sie wußte wohl, was sie in ihm verlor. Bon jeher war sein Privatvermögen
die Casse der Offiziere, der Gemeinen gewesen, und als sich dasselbe durch die reiche
Erbschaft, welche ihm nach dem Tode seiner Tante, der Erzherzogin Maria Christina,
zufiel, beträchtlich vermehrte, fand er hierin nur einen willkommenen Anlaß, dem
Drange seines Herzens folgen zu können, um seine Soldaten zu unterstützen. Das flog
von Mund zu Mund, wenn er, ohne damit zu prunken, jedem Sergeanten, der zum
Offizier befördert wurde und dem es an Mitteln, sich zu equipiren, fehlte, ein Geschenk
von 25, Ducaten, wenn er armen Offizieren eine Zulage von 10 Gulden gab, wenn er
aus seinem Vermögen skr Herbeischaffung von Fleisch, Wein, Branntwein und dergl.
für die braven Truppen sorgte, die sonst während eines harten Winters in ausgesogenen
(Dukter.) Landstrichen Mangel gelitten hätten.

er eine völlig aufgelöste Armee vor sich her trieb, und kam gerade zur Zeit
ein, den Waffenstillstand zu unterzeichnen, dem bald darauf (9. Febr. 1801)
der Friede von Lüneville folgte, durch welchen die zweite Koalition beendigt
wurde.

In dem Zwischenraum zwischen der zweiten und dritten Koalition beschäf¬
tigte sich der Erzherzog Karl, in's Kriegsministerium berufen, aus das Ernst¬
lichste damit, die militärische Organisation Oesterreichs auf einen guten Fuß
zu setzen; er bestimmte für die Soldaten eine Dienstzeit, die bis dahin unbe¬
schränkt gewesen war, und fügte einige andere wohlthätige Neuerungen hin¬
zu. Ebenso bescheiden als tapfer, verschmähte er die Statue, welche der
König von Schweden, ein großer Bewunderer seines Talents, auf dem Reichs¬
tag zu Paderborn ihm zu Ehren aufzurichten, den Antrag stellte.*)

Nach vier Jahren diplomatischer Verhandlungen entschloß sich Oesterreich,
ans Rußland gestützt, noch einmal den Degen gegen Frankreich zu ziehen.
Erzherzog Karl, der sich entschieden gegen den Krieg ausgesprochen hatte,
wurde weder zu den Vorbereitungs-Conferenzen zugezogen, noch über den
Feldzugsplan befragt. Das Cabinet von Se. Petersburg, welches deu un¬
sinnigen Widerwillen Suwarow's gegen den jungen Feldherrn theilte, ver¬
langte, daß er die Armee, mit welcher sich russische Truppen verewigen soll¬
ten, nicht commandiren dürfe; das Kommando dieser Armee wurde dem Ge¬
neral Mack anvertraut, dessen schon in Italien erwiesene Untüchtigkeit in
Deutschland noch augenscheinlicher werden sollte. Dem Erzherzog wurde
das Kommando über die vereinigte Armee an der Erich übergeben.

Ich übergehe hier die glorreiche Schlacht von Austerlitz, und halte mich
nur an die besondern Bewegungen des Erzherzogs. Während Mack und der
Erzherzog Ferdinand sich in Deutschland schlagen ließen, hielt Prinz Karl
allein gegen Massena in Italien die Ehre der österreichischen Waffen auf-



^) Der Abschied des Erzherzogs von seiner Armee (17. Mai 1800) war ergrei¬
fend. Sie wußte wohl, was sie in ihm verlor. Bon jeher war sein Privatvermögen
die Casse der Offiziere, der Gemeinen gewesen, und als sich dasselbe durch die reiche
Erbschaft, welche ihm nach dem Tode seiner Tante, der Erzherzogin Maria Christina,
zufiel, beträchtlich vermehrte, fand er hierin nur einen willkommenen Anlaß, dem
Drange seines Herzens folgen zu können, um seine Soldaten zu unterstützen. Das flog
von Mund zu Mund, wenn er, ohne damit zu prunken, jedem Sergeanten, der zum
Offizier befördert wurde und dem es an Mitteln, sich zu equipiren, fehlte, ein Geschenk
von 25, Ducaten, wenn er armen Offizieren eine Zulage von 10 Gulden gab, wenn er
aus seinem Vermögen skr Herbeischaffung von Fleisch, Wein, Branntwein und dergl.
für die braven Truppen sorgte, die sonst während eines harten Winters in ausgesogenen
(Dukter.) Landstrichen Mangel gelitten hätten.
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[0258] er eine völlig aufgelöste Armee vor sich her trieb, und kam gerade zur Zeit ein, den Waffenstillstand zu unterzeichnen, dem bald darauf (9. Febr. 1801) der Friede von Lüneville folgte, durch welchen die zweite Koalition beendigt wurde. In dem Zwischenraum zwischen der zweiten und dritten Koalition beschäf¬ tigte sich der Erzherzog Karl, in's Kriegsministerium berufen, aus das Ernst¬ lichste damit, die militärische Organisation Oesterreichs auf einen guten Fuß zu setzen; er bestimmte für die Soldaten eine Dienstzeit, die bis dahin unbe¬ schränkt gewesen war, und fügte einige andere wohlthätige Neuerungen hin¬ zu. Ebenso bescheiden als tapfer, verschmähte er die Statue, welche der König von Schweden, ein großer Bewunderer seines Talents, auf dem Reichs¬ tag zu Paderborn ihm zu Ehren aufzurichten, den Antrag stellte.*) Nach vier Jahren diplomatischer Verhandlungen entschloß sich Oesterreich, ans Rußland gestützt, noch einmal den Degen gegen Frankreich zu ziehen. Erzherzog Karl, der sich entschieden gegen den Krieg ausgesprochen hatte, wurde weder zu den Vorbereitungs-Conferenzen zugezogen, noch über den Feldzugsplan befragt. Das Cabinet von Se. Petersburg, welches deu un¬ sinnigen Widerwillen Suwarow's gegen den jungen Feldherrn theilte, ver¬ langte, daß er die Armee, mit welcher sich russische Truppen verewigen soll¬ ten, nicht commandiren dürfe; das Kommando dieser Armee wurde dem Ge¬ neral Mack anvertraut, dessen schon in Italien erwiesene Untüchtigkeit in Deutschland noch augenscheinlicher werden sollte. Dem Erzherzog wurde das Kommando über die vereinigte Armee an der Erich übergeben. Ich übergehe hier die glorreiche Schlacht von Austerlitz, und halte mich nur an die besondern Bewegungen des Erzherzogs. Während Mack und der Erzherzog Ferdinand sich in Deutschland schlagen ließen, hielt Prinz Karl allein gegen Massena in Italien die Ehre der österreichischen Waffen auf- ^) Der Abschied des Erzherzogs von seiner Armee (17. Mai 1800) war ergrei¬ fend. Sie wußte wohl, was sie in ihm verlor. Bon jeher war sein Privatvermögen die Casse der Offiziere, der Gemeinen gewesen, und als sich dasselbe durch die reiche Erbschaft, welche ihm nach dem Tode seiner Tante, der Erzherzogin Maria Christina, zufiel, beträchtlich vermehrte, fand er hierin nur einen willkommenen Anlaß, dem Drange seines Herzens folgen zu können, um seine Soldaten zu unterstützen. Das flog von Mund zu Mund, wenn er, ohne damit zu prunken, jedem Sergeanten, der zum Offizier befördert wurde und dem es an Mitteln, sich zu equipiren, fehlte, ein Geschenk von 25, Ducaten, wenn er armen Offizieren eine Zulage von 10 Gulden gab, wenn er aus seinem Vermögen skr Herbeischaffung von Fleisch, Wein, Branntwein und dergl. für die braven Truppen sorgte, die sonst während eines harten Winters in ausgesogenen (Dukter.) Landstrichen Mangel gelitten hätten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/258>, abgerufen am 22.07.2024.