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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Der junge Prinz antwortete:


"Herr General! i ndem ich den Krieg führe und den Ruf der Ehre
und der Pflicht gehorche, wünsche ich nicht minder als Sie den Frieden
zum Wohl der Völker und der Menschheit. Da es mir aber in meinem
Posten nicht zukommt, den Streit der kriegführenden Nationen zu ent¬
scheiden, da ich mit keiner Vollmacht versehen bin, so werden Sie es
natürlich finden, daß ich in keine Unterhandlung eintrete, sondern für
einen Gegenstand von so hoher Wichtigkeit höhere Befehle erwarte. Wie
es aber auch mit den Aussichten des Kriegs oder des Friedens stehen
möge, so bitte ich Sie, Herr General, von meiner Hochachtung überzeugt
zu sein."

Bald darauf kamen die österreichischen Bevollmächtigten an; die Frie¬
denspräliminarien wurden zu Leoben unterzeichnet und den .1,7. Oct. desselben
Jahres zu Campo Formio dem ersten continentalen Kriege gegen die Re¬
volution ein Ende gemacht.

Inzwischen war der durch England angeschürte gewaltige Streit zwischen
der Revolution und Europa nur vertagt, der Friede von Campo Formio
trug in sich den Keim eines neuen Krieges und der Kongreß zu Rastadt
setzte nur die Unverträglichkeit der beiden Systeme an's Licht. Bald war
ganz Europa wieder in Brand; Oestereich, im Vertrauen auf eine thätige
Mitwirkung der Russen, rüstete sich, um Frankreich gleichzeitig in Italien, der
Schweiz und am Rhein anzugreifen. Noch dauerte der Kongreß, als schon
von allen Seiten die Truppen marschirten. Nachdem endlich das Direkto¬
rium vom Wiener Cabinet vergebens eine Erklärung gefordert hatte über
die Bewegungen des russischen Corps unter Suwarow, befahl es den Ge¬
neralen seiner vier Abtheilungen ihre Operationen zu eröffnen. Der Krieg
war factisch erklärt. Der Erzherzog, der in Baiern mit 25,000 Mann cam-
pirte, wurde beauftragt, Jourdan die Spitze zu bieten. Der französische
General passtrte den l. Mai 1799 den Rhein, der österreichische General
den :;. Mai den Lech, und bald standen die beiden Gegner einander gegen¬
über. Es war Jourdan bestimmt in seinen Kämpfen gegen den Erzherzog
immer unglücklich zu sein. Im ersten Treffen, bei Ostrach, wurde er nach
einem tapfern Widerstand zum Rückzug genöthigt. Darauf machte er selber
den 25. Mai einen Angriff bei Stockach. Lebhaft bedrängt durch die französische
Avantgarde unter Soult, sah der Erzherzog anfänglich seinen rechten Flügel bis
hinter Liptingen zurückgedrängt. In dem Rausch dieses ersten Erfolgs sen¬
det Jourdan den General Se. Cyr mit einer starken Abtheilung gegen die
Flanke seines Feindes, um ihm den Rückzug abzuschneiden. Mit einem


Der junge Prinz antwortete:


„Herr General! i ndem ich den Krieg führe und den Ruf der Ehre
und der Pflicht gehorche, wünsche ich nicht minder als Sie den Frieden
zum Wohl der Völker und der Menschheit. Da es mir aber in meinem
Posten nicht zukommt, den Streit der kriegführenden Nationen zu ent¬
scheiden, da ich mit keiner Vollmacht versehen bin, so werden Sie es
natürlich finden, daß ich in keine Unterhandlung eintrete, sondern für
einen Gegenstand von so hoher Wichtigkeit höhere Befehle erwarte. Wie
es aber auch mit den Aussichten des Kriegs oder des Friedens stehen
möge, so bitte ich Sie, Herr General, von meiner Hochachtung überzeugt
zu sein."

Bald darauf kamen die österreichischen Bevollmächtigten an; die Frie¬
denspräliminarien wurden zu Leoben unterzeichnet und den .1,7. Oct. desselben
Jahres zu Campo Formio dem ersten continentalen Kriege gegen die Re¬
volution ein Ende gemacht.

Inzwischen war der durch England angeschürte gewaltige Streit zwischen
der Revolution und Europa nur vertagt, der Friede von Campo Formio
trug in sich den Keim eines neuen Krieges und der Kongreß zu Rastadt
setzte nur die Unverträglichkeit der beiden Systeme an's Licht. Bald war
ganz Europa wieder in Brand; Oestereich, im Vertrauen auf eine thätige
Mitwirkung der Russen, rüstete sich, um Frankreich gleichzeitig in Italien, der
Schweiz und am Rhein anzugreifen. Noch dauerte der Kongreß, als schon
von allen Seiten die Truppen marschirten. Nachdem endlich das Direkto¬
rium vom Wiener Cabinet vergebens eine Erklärung gefordert hatte über
die Bewegungen des russischen Corps unter Suwarow, befahl es den Ge¬
neralen seiner vier Abtheilungen ihre Operationen zu eröffnen. Der Krieg
war factisch erklärt. Der Erzherzog, der in Baiern mit 25,000 Mann cam-
pirte, wurde beauftragt, Jourdan die Spitze zu bieten. Der französische
General passtrte den l. Mai 1799 den Rhein, der österreichische General
den :;. Mai den Lech, und bald standen die beiden Gegner einander gegen¬
über. Es war Jourdan bestimmt in seinen Kämpfen gegen den Erzherzog
immer unglücklich zu sein. Im ersten Treffen, bei Ostrach, wurde er nach
einem tapfern Widerstand zum Rückzug genöthigt. Darauf machte er selber
den 25. Mai einen Angriff bei Stockach. Lebhaft bedrängt durch die französische
Avantgarde unter Soult, sah der Erzherzog anfänglich seinen rechten Flügel bis
hinter Liptingen zurückgedrängt. In dem Rausch dieses ersten Erfolgs sen¬
det Jourdan den General Se. Cyr mit einer starken Abtheilung gegen die
Flanke seines Feindes, um ihm den Rückzug abzuschneiden. Mit einem


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[0255] Der junge Prinz antwortete: „Herr General! i ndem ich den Krieg führe und den Ruf der Ehre und der Pflicht gehorche, wünsche ich nicht minder als Sie den Frieden zum Wohl der Völker und der Menschheit. Da es mir aber in meinem Posten nicht zukommt, den Streit der kriegführenden Nationen zu ent¬ scheiden, da ich mit keiner Vollmacht versehen bin, so werden Sie es natürlich finden, daß ich in keine Unterhandlung eintrete, sondern für einen Gegenstand von so hoher Wichtigkeit höhere Befehle erwarte. Wie es aber auch mit den Aussichten des Kriegs oder des Friedens stehen möge, so bitte ich Sie, Herr General, von meiner Hochachtung überzeugt zu sein." Bald darauf kamen die österreichischen Bevollmächtigten an; die Frie¬ denspräliminarien wurden zu Leoben unterzeichnet und den .1,7. Oct. desselben Jahres zu Campo Formio dem ersten continentalen Kriege gegen die Re¬ volution ein Ende gemacht. Inzwischen war der durch England angeschürte gewaltige Streit zwischen der Revolution und Europa nur vertagt, der Friede von Campo Formio trug in sich den Keim eines neuen Krieges und der Kongreß zu Rastadt setzte nur die Unverträglichkeit der beiden Systeme an's Licht. Bald war ganz Europa wieder in Brand; Oestereich, im Vertrauen auf eine thätige Mitwirkung der Russen, rüstete sich, um Frankreich gleichzeitig in Italien, der Schweiz und am Rhein anzugreifen. Noch dauerte der Kongreß, als schon von allen Seiten die Truppen marschirten. Nachdem endlich das Direkto¬ rium vom Wiener Cabinet vergebens eine Erklärung gefordert hatte über die Bewegungen des russischen Corps unter Suwarow, befahl es den Ge¬ neralen seiner vier Abtheilungen ihre Operationen zu eröffnen. Der Krieg war factisch erklärt. Der Erzherzog, der in Baiern mit 25,000 Mann cam- pirte, wurde beauftragt, Jourdan die Spitze zu bieten. Der französische General passtrte den l. Mai 1799 den Rhein, der österreichische General den :;. Mai den Lech, und bald standen die beiden Gegner einander gegen¬ über. Es war Jourdan bestimmt in seinen Kämpfen gegen den Erzherzog immer unglücklich zu sein. Im ersten Treffen, bei Ostrach, wurde er nach einem tapfern Widerstand zum Rückzug genöthigt. Darauf machte er selber den 25. Mai einen Angriff bei Stockach. Lebhaft bedrängt durch die französische Avantgarde unter Soult, sah der Erzherzog anfänglich seinen rechten Flügel bis hinter Liptingen zurückgedrängt. In dem Rausch dieses ersten Erfolgs sen¬ det Jourdan den General Se. Cyr mit einer starken Abtheilung gegen die Flanke seines Feindes, um ihm den Rückzug abzuschneiden. Mit einem

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/255>, abgerufen am 22.07.2024.