Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.Mariens Arm ans den nieinen legte und mit ihr hinabging. Mit einem Mariens Arm ans den nieinen legte und mit ihr hinabging. Mit einem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272109"/> <p xml:id="ID_782" prev="#ID_781" next="#ID_783"> Mariens Arm ans den nieinen legte und mit ihr hinabging. Mit einem<lb/> seltsamen Blick sah uns Lionel davonziehen. Aber was er erfuhr war nur<lb/> gerechte Strafe seines ungeschickten Benehmens. — Dennoch sagte er mir,<lb/> als wir eine Stunde später in den Theil des Schlosses hinübugingeu, wo<lb/> man uns Betten bereitet hatte: „Freund, jetzt weiß ich's, daß sie mich liebt.<lb/> Sie hat es mir gestanden." — „Wie so?" fragte ich wahrhaft verblüfft.—<lb/> „Durch einen Blick." — „Mein Freund," sagte ich, „bei Frauen, wie Marie,<lb/> darf man nicht zu viel auf einen Blick zählen. Der wechselvolle Mond ist<lb/> nicht nnvcrlässiger als dieses Herz. Suchen Sie sich bessere Gewißheit zu<lb/> schaffen, mit einem Worte, wagen Sie etwas. Ich sehe, es wird mit Ih¬<lb/> rem Sicherklären nicht so schnell gehen und ich habe keine Lust es abzuwar¬<lb/> ten. Ueberdies fürchte ich mich auch vor der morgenden Zeicheilstunde und<lb/> noch mehr vor dem Vollmonde. Darum gehe ich heute Nacht noch weiter,<lb/> die alte Wanderlust spukt mir in allen Blutstropfen. Auf dem Wege Hieher<lb/> habe ich eine Horde Zigeuner gesehen, die suche ich auf. Entschuldigen Sie<lb/> mich bei der Hausfrau, sagen Sie ihr, solch Verschwinden sei nur einmal<lb/> meine Art. Ihnen die beste Erfüllung aller Wünsche und ein rasches Lebe¬<lb/> wohl! In einigen Tagen können Sie mich in Salzburg im Hütel treffen."—<lb/> Ehe Sir Lionel zu Worte kommen konnte, war ich schon das Dorf hinab<lb/> und schritt im Mondscheine den Weg zurück, deu ich des Morgens gemacht<lb/> hatte. Ich hatte wirklich die Absicht, die Zigeunerbande aufzusuchen, die<lb/> uns des Morgens angebettelt hatte. Ich fand sie auch und blieb einen<lb/> Tag in ihrer Mitte. Was ich bei ihr hörte und sah gehört uicht hierher.<lb/> Ich werde es, da es zu den sonderbarsten Geschichten meines Lebens gehört,<lb/> ein andermal erzählen. — Drei Tage waren vergangen seitdem ich das Gut<lb/> der Baronin A. so plötzlich verlassen und ich saß ruhig zu Salzburg in<lb/> meiner Stube, als plötzlich ein Mensch wie wahnsinnig zur Thüre herein-<lb/> trat. Es war Sir Lionel, aber in welchem Zustande! Sein Haar war ge¬<lb/> rauft, sein Anzug mit Koth bedeckt und an mehreren Stellen zerrissen, sein<lb/> Antlitz selbst verwundet und blutig. Kaum konnte ich in dieser traurigen<lb/> Gestalt den schmücken Dandy von ehedem erkennen. — Seine Geschichte war<lb/> bald erzählt. Er hatte endlich der Baronesse den Heirathsantrag gemacht<lb/> und hatte zur Antwort erhalten, daß er nicht geliebt werde. Da war er<lb/> fortgestürzt, war in das Cabriolet gesprungen, und hatte in der Wuth seines<lb/> Herzens auf die Rommi pini/s losgepeitscht, bis sie durchgingen und ihn<lb/> in einen Graben warfen. Der Wagen war dabei zerbrochen, er hatte sich<lb/> nur durch ein Wunder das Leben gerettet. — Wieder verwandte ich eine<lb/> Nacht mit dem Menschen, dessen Schicksal mir nun, da ich ihn so unglücklich</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
Mariens Arm ans den nieinen legte und mit ihr hinabging. Mit einem
seltsamen Blick sah uns Lionel davonziehen. Aber was er erfuhr war nur
gerechte Strafe seines ungeschickten Benehmens. — Dennoch sagte er mir,
als wir eine Stunde später in den Theil des Schlosses hinübugingeu, wo
man uns Betten bereitet hatte: „Freund, jetzt weiß ich's, daß sie mich liebt.
Sie hat es mir gestanden." — „Wie so?" fragte ich wahrhaft verblüfft.—
„Durch einen Blick." — „Mein Freund," sagte ich, „bei Frauen, wie Marie,
darf man nicht zu viel auf einen Blick zählen. Der wechselvolle Mond ist
nicht nnvcrlässiger als dieses Herz. Suchen Sie sich bessere Gewißheit zu
schaffen, mit einem Worte, wagen Sie etwas. Ich sehe, es wird mit Ih¬
rem Sicherklären nicht so schnell gehen und ich habe keine Lust es abzuwar¬
ten. Ueberdies fürchte ich mich auch vor der morgenden Zeicheilstunde und
noch mehr vor dem Vollmonde. Darum gehe ich heute Nacht noch weiter,
die alte Wanderlust spukt mir in allen Blutstropfen. Auf dem Wege Hieher
habe ich eine Horde Zigeuner gesehen, die suche ich auf. Entschuldigen Sie
mich bei der Hausfrau, sagen Sie ihr, solch Verschwinden sei nur einmal
meine Art. Ihnen die beste Erfüllung aller Wünsche und ein rasches Lebe¬
wohl! In einigen Tagen können Sie mich in Salzburg im Hütel treffen."—
Ehe Sir Lionel zu Worte kommen konnte, war ich schon das Dorf hinab
und schritt im Mondscheine den Weg zurück, deu ich des Morgens gemacht
hatte. Ich hatte wirklich die Absicht, die Zigeunerbande aufzusuchen, die
uns des Morgens angebettelt hatte. Ich fand sie auch und blieb einen
Tag in ihrer Mitte. Was ich bei ihr hörte und sah gehört uicht hierher.
Ich werde es, da es zu den sonderbarsten Geschichten meines Lebens gehört,
ein andermal erzählen. — Drei Tage waren vergangen seitdem ich das Gut
der Baronin A. so plötzlich verlassen und ich saß ruhig zu Salzburg in
meiner Stube, als plötzlich ein Mensch wie wahnsinnig zur Thüre herein-
trat. Es war Sir Lionel, aber in welchem Zustande! Sein Haar war ge¬
rauft, sein Anzug mit Koth bedeckt und an mehreren Stellen zerrissen, sein
Antlitz selbst verwundet und blutig. Kaum konnte ich in dieser traurigen
Gestalt den schmücken Dandy von ehedem erkennen. — Seine Geschichte war
bald erzählt. Er hatte endlich der Baronesse den Heirathsantrag gemacht
und hatte zur Antwort erhalten, daß er nicht geliebt werde. Da war er
fortgestürzt, war in das Cabriolet gesprungen, und hatte in der Wuth seines
Herzens auf die Rommi pini/s losgepeitscht, bis sie durchgingen und ihn
in einen Graben warfen. Der Wagen war dabei zerbrochen, er hatte sich
nur durch ein Wunder das Leben gerettet. — Wieder verwandte ich eine
Nacht mit dem Menschen, dessen Schicksal mir nun, da ich ihn so unglücklich
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