Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Mitte des Jriedhofs stehend, zeigt das Grab von Michael Haydn --
es ist manchem unglücklichen Touristen schon geschehen vor diesem Grabe in
Apostrophen an Joseph Haydn auszubrühen -- und ein schönes, rühren¬
des Bild von der Hand eines alten Nürnberger Meisters, das allein eine
Reise nach Salzburg verdient. -- Hellbrunn, ein altes erzbischösliches Schloß;
Aiger, ein herrlicher Park voll der schönsten Eichen, sind zwei prächtige
Punkte in der nächsten Nähe Salzburgs. Ich sah sie noch im Laufe des
Vormittags. Dann aber kam Regen und verdarb mir die Wanderzeit, wie
er der guten Stadt Salzburg ihr Wettrennen verdarb. -- Ach es regnete
furchtbar. In der Wirthsstube des goldenen Schiffes sitzend, sah ich die
Jockeys ihre Nenner mit trauriger Geberde vorüberführen, daun kamen be¬
rittene Spießbürger und Stutzer auf Micthgäulen daher, ein Zug von Volk
und Gassenjungen machte den Beschluß. -- Plötzlich sah ich einen schmäch¬
tigen Retter auf einem echt englischen Pferde daher jagen und erkenne ihn. --
"Sir Lionel!" rufe ich zum Fenster hinaus. Er stutzt und hält an. "Wie
kommen Sie hierher? Ver^ ^""1 to "vo 70,1!" -- "Und Sie?" -- "Baro¬
nesse A.," erwiederte er, "hat eine Besitzung in der Nähe von Salzburg.
Ich bin auf dem Wege dahin. -- Ich muß es doch bei Maria zur Erklä¬
rung bringen, ^in> I<""no -- da ist dieses Neunen dazwischen gekommen --
"Lassen Sie das Rennen bei diesem Wetter," rufe ich, "und kommen Sie
herauf. Wir sprechen von Marie nud ihrer Liebe." -- Der gute Englisch-
man lächelt schmerzlich und läßt sein Thier in den Stall führen. Bei dem
Gedanken von Marie sprechen zu können, verschwindet stueple-alius"; vt
8veoj>8ein<v8. Er kömmt herauf und spricht vou Marie und darüber wird es
neun Uhr, er spricht weiter vou ihr und darüber wird es Mitternacht. Solch
eine arme Seele zwischen Furcht und Hoffnung schwankend gab's noch nie!
-Als endlich der Morgen heranbricht und er noch immer nicht fertig werden
kann von Marie zu sprechen, muß ich's ihm eidlich zusichern, daß ich ihn ans
die Besitzung der Baronin begleiten will, um ihm Trost und Rath und
Hilfe bei seiner Freiwcrbererpedition zu sein. -- Es war spät am Morgen
des andern Tags als unser Cabriolet in die Hauptallee des prächtige"
Parks einfuhr, der das Schloß der Baronesse A. umgibt. Weiße Statuen
schimmerten dnrch die Baumgruppen daher und von Zeit zu Zeit öffnete
sich ein Blick auf weite hellgrüne Wicsentcppiche, in deren Mitte schöne
Trauerweiden ihre klagenden Häupter senkten. Plötzlich rauscht es wie ein
Schwarm junger Vögel durch die Büsche, weiße und rosige Kleider brechen
hervor, der ganze Schwarm junger Mädchen mit dem wir den Rigi von
Oberösterreich bestiegen steht um uns. Mein Auge ist nur auf Marie ge-


der Mitte des Jriedhofs stehend, zeigt das Grab von Michael Haydn —
es ist manchem unglücklichen Touristen schon geschehen vor diesem Grabe in
Apostrophen an Joseph Haydn auszubrühen — und ein schönes, rühren¬
des Bild von der Hand eines alten Nürnberger Meisters, das allein eine
Reise nach Salzburg verdient. — Hellbrunn, ein altes erzbischösliches Schloß;
Aiger, ein herrlicher Park voll der schönsten Eichen, sind zwei prächtige
Punkte in der nächsten Nähe Salzburgs. Ich sah sie noch im Laufe des
Vormittags. Dann aber kam Regen und verdarb mir die Wanderzeit, wie
er der guten Stadt Salzburg ihr Wettrennen verdarb. — Ach es regnete
furchtbar. In der Wirthsstube des goldenen Schiffes sitzend, sah ich die
Jockeys ihre Nenner mit trauriger Geberde vorüberführen, daun kamen be¬
rittene Spießbürger und Stutzer auf Micthgäulen daher, ein Zug von Volk
und Gassenjungen machte den Beschluß. — Plötzlich sah ich einen schmäch¬
tigen Retter auf einem echt englischen Pferde daher jagen und erkenne ihn. —
„Sir Lionel!" rufe ich zum Fenster hinaus. Er stutzt und hält an. „Wie
kommen Sie hierher? Ver^ ^»«1 to «vo 70,1!" — „Und Sie?" — „Baro¬
nesse A.," erwiederte er, „hat eine Besitzung in der Nähe von Salzburg.
Ich bin auf dem Wege dahin. — Ich muß es doch bei Maria zur Erklä¬
rung bringen, ^in> I<»«no — da ist dieses Neunen dazwischen gekommen —
„Lassen Sie das Rennen bei diesem Wetter," rufe ich, „und kommen Sie
herauf. Wir sprechen von Marie nud ihrer Liebe." — Der gute Englisch-
man lächelt schmerzlich und läßt sein Thier in den Stall führen. Bei dem
Gedanken von Marie sprechen zu können, verschwindet stueple-alius«; vt
8veoj>8ein<v8. Er kömmt herauf und spricht vou Marie und darüber wird es
neun Uhr, er spricht weiter vou ihr und darüber wird es Mitternacht. Solch
eine arme Seele zwischen Furcht und Hoffnung schwankend gab's noch nie!
-Als endlich der Morgen heranbricht und er noch immer nicht fertig werden
kann von Marie zu sprechen, muß ich's ihm eidlich zusichern, daß ich ihn ans
die Besitzung der Baronin begleiten will, um ihm Trost und Rath und
Hilfe bei seiner Freiwcrbererpedition zu sein. — Es war spät am Morgen
des andern Tags als unser Cabriolet in die Hauptallee des prächtige»
Parks einfuhr, der das Schloß der Baronesse A. umgibt. Weiße Statuen
schimmerten dnrch die Baumgruppen daher und von Zeit zu Zeit öffnete
sich ein Blick auf weite hellgrüne Wicsentcppiche, in deren Mitte schöne
Trauerweiden ihre klagenden Häupter senkten. Plötzlich rauscht es wie ein
Schwarm junger Vögel durch die Büsche, weiße und rosige Kleider brechen
hervor, der ganze Schwarm junger Mädchen mit dem wir den Rigi von
Oberösterreich bestiegen steht um uns. Mein Auge ist nur auf Marie ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0208" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272107"/>
            <p xml:id="ID_780" prev="#ID_779" next="#ID_781"> der Mitte des Jriedhofs stehend, zeigt das Grab von Michael Haydn &#x2014;<lb/>
es ist manchem unglücklichen Touristen schon geschehen vor diesem Grabe in<lb/>
Apostrophen an Joseph Haydn auszubrühen &#x2014; und ein schönes, rühren¬<lb/>
des Bild von der Hand eines alten Nürnberger Meisters, das allein eine<lb/>
Reise nach Salzburg verdient. &#x2014; Hellbrunn, ein altes erzbischösliches Schloß;<lb/>
Aiger, ein herrlicher Park voll der schönsten Eichen, sind zwei prächtige<lb/>
Punkte in der nächsten Nähe Salzburgs. Ich sah sie noch im Laufe des<lb/>
Vormittags. Dann aber kam Regen und verdarb mir die Wanderzeit, wie<lb/>
er der guten Stadt Salzburg ihr Wettrennen verdarb. &#x2014; Ach es regnete<lb/>
furchtbar. In der Wirthsstube des goldenen Schiffes sitzend, sah ich die<lb/>
Jockeys ihre Nenner mit trauriger Geberde vorüberführen, daun kamen be¬<lb/>
rittene Spießbürger und Stutzer auf Micthgäulen daher, ein Zug von Volk<lb/>
und Gassenjungen machte den Beschluß. &#x2014; Plötzlich sah ich einen schmäch¬<lb/>
tigen Retter auf einem echt englischen Pferde daher jagen und erkenne ihn. &#x2014;<lb/>
&#x201E;Sir Lionel!" rufe ich zum Fenster hinaus. Er stutzt und hält an. &#x201E;Wie<lb/>
kommen Sie hierher? Ver^ ^»«1 to «vo 70,1!" &#x2014; &#x201E;Und Sie?" &#x2014; &#x201E;Baro¬<lb/>
nesse A.," erwiederte er, &#x201E;hat eine Besitzung in der Nähe von Salzburg.<lb/>
Ich bin auf dem Wege dahin. &#x2014; Ich muß es doch bei Maria zur Erklä¬<lb/>
rung bringen, ^in&gt; I&lt;»«no &#x2014; da ist dieses Neunen dazwischen gekommen &#x2014;<lb/>
&#x201E;Lassen Sie das Rennen bei diesem Wetter," rufe ich, &#x201E;und kommen Sie<lb/>
herauf. Wir sprechen von Marie nud ihrer Liebe." &#x2014; Der gute Englisch-<lb/>
man lächelt schmerzlich und läßt sein Thier in den Stall führen. Bei dem<lb/>
Gedanken von Marie sprechen zu können, verschwindet stueple-alius«; vt<lb/>
8veoj&gt;8ein&lt;v8. Er kömmt herauf und spricht vou Marie und darüber wird es<lb/>
neun Uhr, er spricht weiter vou ihr und darüber wird es Mitternacht. Solch<lb/>
eine arme Seele zwischen Furcht und Hoffnung schwankend gab's noch nie!<lb/>
-Als endlich der Morgen heranbricht und er noch immer nicht fertig werden<lb/>
kann von Marie zu sprechen, muß ich's ihm eidlich zusichern, daß ich ihn ans<lb/>
die Besitzung der Baronin begleiten will, um ihm Trost und Rath und<lb/>
Hilfe bei seiner Freiwcrbererpedition zu sein. &#x2014; Es war spät am Morgen<lb/>
des andern Tags als unser Cabriolet in die Hauptallee des prächtige»<lb/>
Parks einfuhr, der das Schloß der Baronesse A. umgibt. Weiße Statuen<lb/>
schimmerten dnrch die Baumgruppen daher und von Zeit zu Zeit öffnete<lb/>
sich ein Blick auf weite hellgrüne Wicsentcppiche, in deren Mitte schöne<lb/>
Trauerweiden ihre klagenden Häupter senkten. Plötzlich rauscht es wie ein<lb/>
Schwarm junger Vögel durch die Büsche, weiße und rosige Kleider brechen<lb/>
hervor, der ganze Schwarm junger Mädchen mit dem wir den Rigi von<lb/>
Oberösterreich bestiegen steht um uns. Mein Auge ist nur auf Marie ge-</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0208] der Mitte des Jriedhofs stehend, zeigt das Grab von Michael Haydn — es ist manchem unglücklichen Touristen schon geschehen vor diesem Grabe in Apostrophen an Joseph Haydn auszubrühen — und ein schönes, rühren¬ des Bild von der Hand eines alten Nürnberger Meisters, das allein eine Reise nach Salzburg verdient. — Hellbrunn, ein altes erzbischösliches Schloß; Aiger, ein herrlicher Park voll der schönsten Eichen, sind zwei prächtige Punkte in der nächsten Nähe Salzburgs. Ich sah sie noch im Laufe des Vormittags. Dann aber kam Regen und verdarb mir die Wanderzeit, wie er der guten Stadt Salzburg ihr Wettrennen verdarb. — Ach es regnete furchtbar. In der Wirthsstube des goldenen Schiffes sitzend, sah ich die Jockeys ihre Nenner mit trauriger Geberde vorüberführen, daun kamen be¬ rittene Spießbürger und Stutzer auf Micthgäulen daher, ein Zug von Volk und Gassenjungen machte den Beschluß. — Plötzlich sah ich einen schmäch¬ tigen Retter auf einem echt englischen Pferde daher jagen und erkenne ihn. — „Sir Lionel!" rufe ich zum Fenster hinaus. Er stutzt und hält an. „Wie kommen Sie hierher? Ver^ ^»«1 to «vo 70,1!" — „Und Sie?" — „Baro¬ nesse A.," erwiederte er, „hat eine Besitzung in der Nähe von Salzburg. Ich bin auf dem Wege dahin. — Ich muß es doch bei Maria zur Erklä¬ rung bringen, ^in> I<»«no — da ist dieses Neunen dazwischen gekommen — „Lassen Sie das Rennen bei diesem Wetter," rufe ich, „und kommen Sie herauf. Wir sprechen von Marie nud ihrer Liebe." — Der gute Englisch- man lächelt schmerzlich und läßt sein Thier in den Stall führen. Bei dem Gedanken von Marie sprechen zu können, verschwindet stueple-alius«; vt 8veoj>8ein<v8. Er kömmt herauf und spricht vou Marie und darüber wird es neun Uhr, er spricht weiter vou ihr und darüber wird es Mitternacht. Solch eine arme Seele zwischen Furcht und Hoffnung schwankend gab's noch nie! -Als endlich der Morgen heranbricht und er noch immer nicht fertig werden kann von Marie zu sprechen, muß ich's ihm eidlich zusichern, daß ich ihn ans die Besitzung der Baronin begleiten will, um ihm Trost und Rath und Hilfe bei seiner Freiwcrbererpedition zu sein. — Es war spät am Morgen des andern Tags als unser Cabriolet in die Hauptallee des prächtige» Parks einfuhr, der das Schloß der Baronesse A. umgibt. Weiße Statuen schimmerten dnrch die Baumgruppen daher und von Zeit zu Zeit öffnete sich ein Blick auf weite hellgrüne Wicsentcppiche, in deren Mitte schöne Trauerweiden ihre klagenden Häupter senkten. Plötzlich rauscht es wie ein Schwarm junger Vögel durch die Büsche, weiße und rosige Kleider brechen hervor, der ganze Schwarm junger Mädchen mit dem wir den Rigi von Oberösterreich bestiegen steht um uns. Mein Auge ist nur auf Marie ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/208
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/208>, abgerufen am 22.07.2024.