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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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gerben Wald. Da beginnt plötzlich der Weg jäh in die Tiefe herabzuschie¬
ßen, ein wilder Felspaß, wie man ihn im freundlichen Oberösterreich gar
nicht erwartet, thut sich auf und an steilen Abgründen vorbei, aus deren
Tiefe der Donner eines Wildwassers heraufdröhnt, hat man wohl eine
Stunde lang hinabzutlettern. --, Mit einem Male öffnet sich wie dnrch einen
Zauberschlag der wunderbarste Anblick! Der blane Attersee liegt ausge¬
breitet zwischen grünen herrlichen Ufern, ein Bild des Friedens nach allen
Schauern eines Engpasses. -- Dieser Attersee, ein weiter unabsehbarer See,
-- man nennt ihn das Meer von Oberösterreich -- ist schön über alle Be¬
schreibung. Nachdem man den I^o ti Omo nud die Seen der Schweiz
gesehen, kann er Einem noch das Herz vor Freude zittern machen. Ein
hohes steiniges Gebirge, das Hölleugebirgc, läuft an seiner Westseite hin,
die anderen User sind grünes, weites, offenes Land mit Dörfern besäet.
Gleich faßte ich den Gedanken, einige Zeit lang an seinen Ufern zu wohnen,
ich hatte uur noch die Wahl zwischen einer Menge schöner behäbiger Dör¬
fer. -- Die ersten Häuser, die ich erreichte, waren die eines Dörfchens
Unterach, aber aus der engen Bucht, in der es versteckt liegt, hatte ich keine
rechte Aussicht auf den ganzen weiten Spiegel. Ich ließ mich nach Attersee,
einem Städtchen am anderen Ende des Sees, hinüberfahren, eine Expedi¬
tion, die wohl an drei Stunden dauerte -- aber hier fehlte mir das große,
herrliche Gebirge; ich entschied mich endlich für Weissenbach und machte mich,
nachdem ich in Attersee zu Mittag gegessen, auf den Weg dahin. -- Kann
ein junges Herz der Freude widerstehen, in der schönen freien Natur, an
einem goldenen Tage, zumal wenn die Brust eben wenig Sorgen und noch
manche Hoffnung zu rüstiger That hat? Als ich den Flecken Attersee ver¬
ließ und den schönen Strandweg zurückwanderte nach Nußdorf und der See
so schön amethystblau dalag, und die Berge erschienen, so hoch und stark
wie ein freudiges Hoffen, und die Vögel allenthalben durch das Weidenge-
büsch schlüpften -- da mußte ich den Wanderstab in die Luft werfen, den
Hut schwenken und immer und immer wieder die Verse wiederholen:

Bei Nußdorf, eine Stunde von Attersee, nahm mich einer jener Kähne
ans, die man hier zu Lande "Einbäumel" nennt, weil sie aus einem aus¬
gehöhlten Baume gemacht sind, und sagte dem Schiffer, er solle mich nach
Weissenbach übersetzen. Auf meinem Holzhasen in der glatten unendlichen


gerben Wald. Da beginnt plötzlich der Weg jäh in die Tiefe herabzuschie¬
ßen, ein wilder Felspaß, wie man ihn im freundlichen Oberösterreich gar
nicht erwartet, thut sich auf und an steilen Abgründen vorbei, aus deren
Tiefe der Donner eines Wildwassers heraufdröhnt, hat man wohl eine
Stunde lang hinabzutlettern. —, Mit einem Male öffnet sich wie dnrch einen
Zauberschlag der wunderbarste Anblick! Der blane Attersee liegt ausge¬
breitet zwischen grünen herrlichen Ufern, ein Bild des Friedens nach allen
Schauern eines Engpasses. — Dieser Attersee, ein weiter unabsehbarer See,
— man nennt ihn das Meer von Oberösterreich — ist schön über alle Be¬
schreibung. Nachdem man den I^o ti Omo nud die Seen der Schweiz
gesehen, kann er Einem noch das Herz vor Freude zittern machen. Ein
hohes steiniges Gebirge, das Hölleugebirgc, läuft an seiner Westseite hin,
die anderen User sind grünes, weites, offenes Land mit Dörfern besäet.
Gleich faßte ich den Gedanken, einige Zeit lang an seinen Ufern zu wohnen,
ich hatte uur noch die Wahl zwischen einer Menge schöner behäbiger Dör¬
fer. — Die ersten Häuser, die ich erreichte, waren die eines Dörfchens
Unterach, aber aus der engen Bucht, in der es versteckt liegt, hatte ich keine
rechte Aussicht auf den ganzen weiten Spiegel. Ich ließ mich nach Attersee,
einem Städtchen am anderen Ende des Sees, hinüberfahren, eine Expedi¬
tion, die wohl an drei Stunden dauerte — aber hier fehlte mir das große,
herrliche Gebirge; ich entschied mich endlich für Weissenbach und machte mich,
nachdem ich in Attersee zu Mittag gegessen, auf den Weg dahin. — Kann
ein junges Herz der Freude widerstehen, in der schönen freien Natur, an
einem goldenen Tage, zumal wenn die Brust eben wenig Sorgen und noch
manche Hoffnung zu rüstiger That hat? Als ich den Flecken Attersee ver¬
ließ und den schönen Strandweg zurückwanderte nach Nußdorf und der See
so schön amethystblau dalag, und die Berge erschienen, so hoch und stark
wie ein freudiges Hoffen, und die Vögel allenthalben durch das Weidenge-
büsch schlüpften — da mußte ich den Wanderstab in die Luft werfen, den
Hut schwenken und immer und immer wieder die Verse wiederholen:

Bei Nußdorf, eine Stunde von Attersee, nahm mich einer jener Kähne
ans, die man hier zu Lande „Einbäumel" nennt, weil sie aus einem aus¬
gehöhlten Baume gemacht sind, und sagte dem Schiffer, er solle mich nach
Weissenbach übersetzen. Auf meinem Holzhasen in der glatten unendlichen


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[0206] gerben Wald. Da beginnt plötzlich der Weg jäh in die Tiefe herabzuschie¬ ßen, ein wilder Felspaß, wie man ihn im freundlichen Oberösterreich gar nicht erwartet, thut sich auf und an steilen Abgründen vorbei, aus deren Tiefe der Donner eines Wildwassers heraufdröhnt, hat man wohl eine Stunde lang hinabzutlettern. —, Mit einem Male öffnet sich wie dnrch einen Zauberschlag der wunderbarste Anblick! Der blane Attersee liegt ausge¬ breitet zwischen grünen herrlichen Ufern, ein Bild des Friedens nach allen Schauern eines Engpasses. — Dieser Attersee, ein weiter unabsehbarer See, — man nennt ihn das Meer von Oberösterreich — ist schön über alle Be¬ schreibung. Nachdem man den I^o ti Omo nud die Seen der Schweiz gesehen, kann er Einem noch das Herz vor Freude zittern machen. Ein hohes steiniges Gebirge, das Hölleugebirgc, läuft an seiner Westseite hin, die anderen User sind grünes, weites, offenes Land mit Dörfern besäet. Gleich faßte ich den Gedanken, einige Zeit lang an seinen Ufern zu wohnen, ich hatte uur noch die Wahl zwischen einer Menge schöner behäbiger Dör¬ fer. — Die ersten Häuser, die ich erreichte, waren die eines Dörfchens Unterach, aber aus der engen Bucht, in der es versteckt liegt, hatte ich keine rechte Aussicht auf den ganzen weiten Spiegel. Ich ließ mich nach Attersee, einem Städtchen am anderen Ende des Sees, hinüberfahren, eine Expedi¬ tion, die wohl an drei Stunden dauerte — aber hier fehlte mir das große, herrliche Gebirge; ich entschied mich endlich für Weissenbach und machte mich, nachdem ich in Attersee zu Mittag gegessen, auf den Weg dahin. — Kann ein junges Herz der Freude widerstehen, in der schönen freien Natur, an einem goldenen Tage, zumal wenn die Brust eben wenig Sorgen und noch manche Hoffnung zu rüstiger That hat? Als ich den Flecken Attersee ver¬ ließ und den schönen Strandweg zurückwanderte nach Nußdorf und der See so schön amethystblau dalag, und die Berge erschienen, so hoch und stark wie ein freudiges Hoffen, und die Vögel allenthalben durch das Weidenge- büsch schlüpften — da mußte ich den Wanderstab in die Luft werfen, den Hut schwenken und immer und immer wieder die Verse wiederholen: Bei Nußdorf, eine Stunde von Attersee, nahm mich einer jener Kähne ans, die man hier zu Lande „Einbäumel" nennt, weil sie aus einem aus¬ gehöhlten Baume gemacht sind, und sagte dem Schiffer, er solle mich nach Weissenbach übersetzen. Auf meinem Holzhasen in der glatten unendlichen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/206>, abgerufen am 22.07.2024.