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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Du darfst ja wegen meira
Nit Leib und Leben wagen,
Wenn du ein Freud' mit mir hast,
Brauchst's nur zu sagen.

Ein anderer mit dem wetterzerschlageneu Gesicht eines Wildp retschützen
sang in anderer Weise:


Auf die Hahnenpfalz bin ich gangen
Im Regen und im Schnee,
Und wir haben so schön gejodelt,
Da droben in der Höh'!
Die Hirsche im Thal
Und die Gems auf den Spitzen,
Und ein lustig s Leben ist's
Um ein' Wildpretschützen,
Und je höher die Berge
Und je frischer die Gans (Gemsen)
Und je kleiner die Dirndeln, ^
Desto herziger san's.

Und sich plötzlich umwendend und die schmucke Wirthstochter in die
Wange kneipend sang er weiter:


Halb und halb hast mich gern,
Halb und halb nit,
Sollst mich halb und halb auch nit haben,
Lieber gar nit!

Bald verloschen die Brände im erwachenden Sturm, immer weißer und
dichter kam der Nebel gezogen, fröstelnd schlich ich in die Wirthsstube zu¬
rück und suchte mir eine Lagerstätte ans den ausgebreiteten Decken.

Die schwarzen Insekten, die, wie Shakespeare sagt, des Menschen Freund
sind, ließen mich nicht einschlafen, aber wären auch sie nicht gewesen, der
Rege", der erst tropfenweis, dann in Strömen polternd aufs Lattendach
des Hauses herabkam, hätte mich gar bald wach gemacht. Auch die jungen
Damen im Nebenzimmer hörten die Stimmen des regnenden Himmels und
Wehklage von Gekicher untermischt tönte dnrch die dünne Bretterwand her¬
über. Und in der That, die Aussichten zur Heimkehr erlaubten eine gerechte
Klage, besonders uns, dem männlichen Theile der Gesellschaft. Es ist nichts
Erfreuliches mit einer, wenn auch süßen Last am Arme, die bei jedem
Schritte ausgleitet, an den Abhängen hinnnterzukleltern und vor den Ab¬
gründen vorbeizuziehen. Wohl mir, daß ich den Regenschirm, dies Symbol
der Weisheit und der in die Zukunft blickenden Vorsicht mitgenommen, sein
schirmendes Dach sollte mir und der holde" Minna zu Statten kommen.
Um den Schrecken in's Gesicht zu sehen, ging ich vor die Thüre hinaus.
Fort war jede Hoffnung auf Sonnenaufgang und Apotheosen des Morgen-


Du darfst ja wegen meira
Nit Leib und Leben wagen,
Wenn du ein Freud' mit mir hast,
Brauchst's nur zu sagen.

Ein anderer mit dem wetterzerschlageneu Gesicht eines Wildp retschützen
sang in anderer Weise:


Auf die Hahnenpfalz bin ich gangen
Im Regen und im Schnee,
Und wir haben so schön gejodelt,
Da droben in der Höh'!
Die Hirsche im Thal
Und die Gems auf den Spitzen,
Und ein lustig s Leben ist's
Um ein' Wildpretschützen,
Und je höher die Berge
Und je frischer die Gans (Gemsen)
Und je kleiner die Dirndeln, ^
Desto herziger san's.

Und sich plötzlich umwendend und die schmucke Wirthstochter in die
Wange kneipend sang er weiter:


Halb und halb hast mich gern,
Halb und halb nit,
Sollst mich halb und halb auch nit haben,
Lieber gar nit!

Bald verloschen die Brände im erwachenden Sturm, immer weißer und
dichter kam der Nebel gezogen, fröstelnd schlich ich in die Wirthsstube zu¬
rück und suchte mir eine Lagerstätte ans den ausgebreiteten Decken.

Die schwarzen Insekten, die, wie Shakespeare sagt, des Menschen Freund
sind, ließen mich nicht einschlafen, aber wären auch sie nicht gewesen, der
Rege», der erst tropfenweis, dann in Strömen polternd aufs Lattendach
des Hauses herabkam, hätte mich gar bald wach gemacht. Auch die jungen
Damen im Nebenzimmer hörten die Stimmen des regnenden Himmels und
Wehklage von Gekicher untermischt tönte dnrch die dünne Bretterwand her¬
über. Und in der That, die Aussichten zur Heimkehr erlaubten eine gerechte
Klage, besonders uns, dem männlichen Theile der Gesellschaft. Es ist nichts
Erfreuliches mit einer, wenn auch süßen Last am Arme, die bei jedem
Schritte ausgleitet, an den Abhängen hinnnterzukleltern und vor den Ab¬
gründen vorbeizuziehen. Wohl mir, daß ich den Regenschirm, dies Symbol
der Weisheit und der in die Zukunft blickenden Vorsicht mitgenommen, sein
schirmendes Dach sollte mir und der holde« Minna zu Statten kommen.
Um den Schrecken in's Gesicht zu sehen, ging ich vor die Thüre hinaus.
Fort war jede Hoffnung auf Sonnenaufgang und Apotheosen des Morgen-


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[0202] Du darfst ja wegen meira Nit Leib und Leben wagen, Wenn du ein Freud' mit mir hast, Brauchst's nur zu sagen. Ein anderer mit dem wetterzerschlageneu Gesicht eines Wildp retschützen sang in anderer Weise: Auf die Hahnenpfalz bin ich gangen Im Regen und im Schnee, Und wir haben so schön gejodelt, Da droben in der Höh'! Die Hirsche im Thal Und die Gems auf den Spitzen, Und ein lustig s Leben ist's Um ein' Wildpretschützen, Und je höher die Berge Und je frischer die Gans (Gemsen) Und je kleiner die Dirndeln, ^ Desto herziger san's. Und sich plötzlich umwendend und die schmucke Wirthstochter in die Wange kneipend sang er weiter: Halb und halb hast mich gern, Halb und halb nit, Sollst mich halb und halb auch nit haben, Lieber gar nit! Bald verloschen die Brände im erwachenden Sturm, immer weißer und dichter kam der Nebel gezogen, fröstelnd schlich ich in die Wirthsstube zu¬ rück und suchte mir eine Lagerstätte ans den ausgebreiteten Decken. Die schwarzen Insekten, die, wie Shakespeare sagt, des Menschen Freund sind, ließen mich nicht einschlafen, aber wären auch sie nicht gewesen, der Rege», der erst tropfenweis, dann in Strömen polternd aufs Lattendach des Hauses herabkam, hätte mich gar bald wach gemacht. Auch die jungen Damen im Nebenzimmer hörten die Stimmen des regnenden Himmels und Wehklage von Gekicher untermischt tönte dnrch die dünne Bretterwand her¬ über. Und in der That, die Aussichten zur Heimkehr erlaubten eine gerechte Klage, besonders uns, dem männlichen Theile der Gesellschaft. Es ist nichts Erfreuliches mit einer, wenn auch süßen Last am Arme, die bei jedem Schritte ausgleitet, an den Abhängen hinnnterzukleltern und vor den Ab¬ gründen vorbeizuziehen. Wohl mir, daß ich den Regenschirm, dies Symbol der Weisheit und der in die Zukunft blickenden Vorsicht mitgenommen, sein schirmendes Dach sollte mir und der holde« Minna zu Statten kommen. Um den Schrecken in's Gesicht zu sehen, ging ich vor die Thüre hinaus. Fort war jede Hoffnung auf Sonnenaufgang und Apotheosen des Morgen-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/202>, abgerufen am 22.07.2024.