Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

der Nationalruf einer erdrückten >ab zerstückelten Nation; mit um wie viel
größerem Rechte dürfen wir die noch in voller Pnlskraft, in voller innerer
und äußerer Macht dastehenden Oesterreicher sagen und ausrufen: Noch ist
Oesterreich nicht verloren! Es bedarf nur eines einzigen energischen Willens
unseres Kaiserhauses, einer einzigen großen und entschiedenen Wendung un¬
serer Politik, und alle die Glieder, die in dem großen Körper der Monarchie
faul und verdorrt erscheinen, füllen sich mit neuer, zehnfacher Kraft, die
Herzen gewinnen neue Zuversicht und der alte Baum treibt neue Blüthen.
Es ist ein reiches, gesegnetes Land, dieses grüne Oesterreich und kräftige,
gesunde, unverdorbene und jugendliche Volksstämme bewohnen es; das Prinzip
ist faul, aber die Völker sind frisch und jungfräulich wie der Boden, ans dem
sie wohnen, Land und Volk sind reich an Schätzen -- sie warten nur, daß man
sie urbar mache.


^---und Weiter dieses Volkes!
Das, dacht' ich, das muß göttlich sein'! -- -- --"

Sire, geben Sie Gedankenfreiheit! Leider, leider sind wir Oesterreicher
noch nirgends über Schiller hinaus, in der Poesie und was noch schlimmer
ist, in der Politik. Ein kleines, anfangs über die Achsel angesehenes pro¬
testantisches Völkchen war es, welches Spanien die Macht abgewann und
mit einem Besen die Meere von den Flotten jenes einst so großen Spa¬
niens säuberte, das jetzt erst aus gräsllichen blutigen Bürgerkriegen seine
nationale Kraft wiederzufinden sucht.. Möge die Geschichte eine Lehrerin
sein und die Wiederholung solcher Beispiele dnrch kluge Benutzung ihrer
Lehren uus ersparen.

Was verlangen wir? Wir Oesterreicher sind keine Abstractivnsmenschen,
keine starren Theoretiker, die alles an einem Tage erobern wollen. Wir ver-
langen nicht von der Regierung, daß sie plötzlich mit beiden Füßen in ein
Extrem springe, nur verlangen nicht, daß sie uns plötzlich eine französische
Konstitution gebe, wir verlangen nicht, daß sie mit einem Male die Presse in
dem Maße entfessele wie in. England, wir verlangen nicht, daß sie aufhöre
stark und kräftig zu sein; wir verlangen blos, daß sie die Mittel zu ihrer
eigenen Erhaltung nicht ans jenen falschen Wegen weiter verfolge, die bei
der neuen Lage der Dinge in Europa, und speziell in Deutschland, sie schwächt,
statt sie zu kräftige", und sie entwurzelt, statt zu befestigen. Wir verlangen
nichts als was die Dynastie, was die Familienglieder des österreichischen
Kaiserhauses selber verlangen, verlangen müssen: Die Würde Oesterreichs,
die Ehre Oesterreichs, die Macht Oesterreichs! Wir fordern nicht, daß der
Staat seinen historischen Traditionen untreu werde, im Gegentheil, wir ver-


22*

der Nationalruf einer erdrückten >ab zerstückelten Nation; mit um wie viel
größerem Rechte dürfen wir die noch in voller Pnlskraft, in voller innerer
und äußerer Macht dastehenden Oesterreicher sagen und ausrufen: Noch ist
Oesterreich nicht verloren! Es bedarf nur eines einzigen energischen Willens
unseres Kaiserhauses, einer einzigen großen und entschiedenen Wendung un¬
serer Politik, und alle die Glieder, die in dem großen Körper der Monarchie
faul und verdorrt erscheinen, füllen sich mit neuer, zehnfacher Kraft, die
Herzen gewinnen neue Zuversicht und der alte Baum treibt neue Blüthen.
Es ist ein reiches, gesegnetes Land, dieses grüne Oesterreich und kräftige,
gesunde, unverdorbene und jugendliche Volksstämme bewohnen es; das Prinzip
ist faul, aber die Völker sind frisch und jungfräulich wie der Boden, ans dem
sie wohnen, Land und Volk sind reich an Schätzen — sie warten nur, daß man
sie urbar mache.


^---und Weiter dieses Volkes!
Das, dacht' ich, das muß göttlich sein'! — — —"

Sire, geben Sie Gedankenfreiheit! Leider, leider sind wir Oesterreicher
noch nirgends über Schiller hinaus, in der Poesie und was noch schlimmer
ist, in der Politik. Ein kleines, anfangs über die Achsel angesehenes pro¬
testantisches Völkchen war es, welches Spanien die Macht abgewann und
mit einem Besen die Meere von den Flotten jenes einst so großen Spa¬
niens säuberte, das jetzt erst aus gräsllichen blutigen Bürgerkriegen seine
nationale Kraft wiederzufinden sucht.. Möge die Geschichte eine Lehrerin
sein und die Wiederholung solcher Beispiele dnrch kluge Benutzung ihrer
Lehren uus ersparen.

Was verlangen wir? Wir Oesterreicher sind keine Abstractivnsmenschen,
keine starren Theoretiker, die alles an einem Tage erobern wollen. Wir ver-
langen nicht von der Regierung, daß sie plötzlich mit beiden Füßen in ein
Extrem springe, nur verlangen nicht, daß sie uns plötzlich eine französische
Konstitution gebe, wir verlangen nicht, daß sie mit einem Male die Presse in
dem Maße entfessele wie in. England, wir verlangen nicht, daß sie aufhöre
stark und kräftig zu sein; wir verlangen blos, daß sie die Mittel zu ihrer
eigenen Erhaltung nicht ans jenen falschen Wegen weiter verfolge, die bei
der neuen Lage der Dinge in Europa, und speziell in Deutschland, sie schwächt,
statt sie zu kräftige», und sie entwurzelt, statt zu befestigen. Wir verlangen
nichts als was die Dynastie, was die Familienglieder des österreichischen
Kaiserhauses selber verlangen, verlangen müssen: Die Würde Oesterreichs,
die Ehre Oesterreichs, die Macht Oesterreichs! Wir fordern nicht, daß der
Staat seinen historischen Traditionen untreu werde, im Gegentheil, wir ver-


22*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0175" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/272074"/>
          <p xml:id="ID_678" prev="#ID_677"> der Nationalruf einer erdrückten &gt;ab zerstückelten Nation; mit um wie viel<lb/>
größerem Rechte dürfen wir die noch in voller Pnlskraft, in voller innerer<lb/>
und äußerer Macht dastehenden Oesterreicher sagen und ausrufen: Noch ist<lb/>
Oesterreich nicht verloren! Es bedarf nur eines einzigen energischen Willens<lb/>
unseres Kaiserhauses, einer einzigen großen und entschiedenen Wendung un¬<lb/>
serer Politik, und alle die Glieder, die in dem großen Körper der Monarchie<lb/>
faul und verdorrt erscheinen, füllen sich mit neuer, zehnfacher Kraft, die<lb/>
Herzen gewinnen neue Zuversicht und der alte Baum treibt neue Blüthen.<lb/>
Es ist ein reiches, gesegnetes Land, dieses grüne Oesterreich und kräftige,<lb/>
gesunde, unverdorbene und jugendliche Volksstämme bewohnen es; das Prinzip<lb/>
ist faul, aber die Völker sind frisch und jungfräulich wie der Boden, ans dem<lb/>
sie wohnen, Land und Volk sind reich an Schätzen &#x2014; sie warten nur, daß man<lb/>
sie urbar mache.</p><lb/>
          <quote> ^---und Weiter dieses Volkes!<lb/>
Das, dacht' ich, das muß göttlich sein'! &#x2014; &#x2014; &#x2014;"</quote><lb/>
          <p xml:id="ID_679"> Sire, geben Sie Gedankenfreiheit! Leider, leider sind wir Oesterreicher<lb/>
noch nirgends über Schiller hinaus, in der Poesie und was noch schlimmer<lb/>
ist, in der Politik. Ein kleines, anfangs über die Achsel angesehenes pro¬<lb/>
testantisches Völkchen war es, welches Spanien die Macht abgewann und<lb/>
mit einem Besen die Meere von den Flotten jenes einst so großen Spa¬<lb/>
niens säuberte, das jetzt erst aus gräsllichen blutigen Bürgerkriegen seine<lb/>
nationale Kraft wiederzufinden sucht.. Möge die Geschichte eine Lehrerin<lb/>
sein und die Wiederholung solcher Beispiele dnrch kluge Benutzung ihrer<lb/>
Lehren uus ersparen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_680" next="#ID_681"> Was verlangen wir? Wir Oesterreicher sind keine Abstractivnsmenschen,<lb/>
keine starren Theoretiker, die alles an einem Tage erobern wollen. Wir ver-<lb/>
langen nicht von der Regierung, daß sie plötzlich mit beiden Füßen in ein<lb/>
Extrem springe, nur verlangen nicht, daß sie uns plötzlich eine französische<lb/>
Konstitution gebe, wir verlangen nicht, daß sie mit einem Male die Presse in<lb/>
dem Maße entfessele wie in. England, wir verlangen nicht, daß sie aufhöre<lb/>
stark und kräftig zu sein; wir verlangen blos, daß sie die Mittel zu ihrer<lb/>
eigenen Erhaltung nicht ans jenen falschen Wegen weiter verfolge, die bei<lb/>
der neuen Lage der Dinge in Europa, und speziell in Deutschland, sie schwächt,<lb/>
statt sie zu kräftige», und sie entwurzelt, statt zu befestigen. Wir verlangen<lb/>
nichts als was die Dynastie, was die Familienglieder des österreichischen<lb/>
Kaiserhauses selber verlangen, verlangen müssen: Die Würde Oesterreichs,<lb/>
die Ehre Oesterreichs, die Macht Oesterreichs! Wir fordern nicht, daß der<lb/>
Staat seinen historischen Traditionen untreu werde, im Gegentheil, wir ver-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> 22*</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0175] der Nationalruf einer erdrückten >ab zerstückelten Nation; mit um wie viel größerem Rechte dürfen wir die noch in voller Pnlskraft, in voller innerer und äußerer Macht dastehenden Oesterreicher sagen und ausrufen: Noch ist Oesterreich nicht verloren! Es bedarf nur eines einzigen energischen Willens unseres Kaiserhauses, einer einzigen großen und entschiedenen Wendung un¬ serer Politik, und alle die Glieder, die in dem großen Körper der Monarchie faul und verdorrt erscheinen, füllen sich mit neuer, zehnfacher Kraft, die Herzen gewinnen neue Zuversicht und der alte Baum treibt neue Blüthen. Es ist ein reiches, gesegnetes Land, dieses grüne Oesterreich und kräftige, gesunde, unverdorbene und jugendliche Volksstämme bewohnen es; das Prinzip ist faul, aber die Völker sind frisch und jungfräulich wie der Boden, ans dem sie wohnen, Land und Volk sind reich an Schätzen — sie warten nur, daß man sie urbar mache. ^---und Weiter dieses Volkes! Das, dacht' ich, das muß göttlich sein'! — — —" Sire, geben Sie Gedankenfreiheit! Leider, leider sind wir Oesterreicher noch nirgends über Schiller hinaus, in der Poesie und was noch schlimmer ist, in der Politik. Ein kleines, anfangs über die Achsel angesehenes pro¬ testantisches Völkchen war es, welches Spanien die Macht abgewann und mit einem Besen die Meere von den Flotten jenes einst so großen Spa¬ niens säuberte, das jetzt erst aus gräsllichen blutigen Bürgerkriegen seine nationale Kraft wiederzufinden sucht.. Möge die Geschichte eine Lehrerin sein und die Wiederholung solcher Beispiele dnrch kluge Benutzung ihrer Lehren uus ersparen. Was verlangen wir? Wir Oesterreicher sind keine Abstractivnsmenschen, keine starren Theoretiker, die alles an einem Tage erobern wollen. Wir ver- langen nicht von der Regierung, daß sie plötzlich mit beiden Füßen in ein Extrem springe, nur verlangen nicht, daß sie uns plötzlich eine französische Konstitution gebe, wir verlangen nicht, daß sie mit einem Male die Presse in dem Maße entfessele wie in. England, wir verlangen nicht, daß sie aufhöre stark und kräftig zu sein; wir verlangen blos, daß sie die Mittel zu ihrer eigenen Erhaltung nicht ans jenen falschen Wegen weiter verfolge, die bei der neuen Lage der Dinge in Europa, und speziell in Deutschland, sie schwächt, statt sie zu kräftige», und sie entwurzelt, statt zu befestigen. Wir verlangen nichts als was die Dynastie, was die Familienglieder des österreichischen Kaiserhauses selber verlangen, verlangen müssen: Die Würde Oesterreichs, die Ehre Oesterreichs, die Macht Oesterreichs! Wir fordern nicht, daß der Staat seinen historischen Traditionen untreu werde, im Gegentheil, wir ver- 22*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/175
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/175>, abgerufen am 22.07.2024.