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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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an der französischen Gesandtschaft nicht in dem Maße eine Stütze gefunden
habe, als er ein Recht hatte dies zu erwarten. Gewiß gibt es nichts in
dieser Art, dessen Herr Rosse nicht fähig wäre, und man weiß übrigens,
durch welche Dienstleistungen, sei es zu Paris oder zu Constantinopel, das
Wiener Cabinet heut zu Tage Einfluß auf das von Paris erlangt.

Aber die Frage der Censur oder der absoluten Preßfreiheit kämpfte nicht
nur gegen diese äußere Verwickelung, es galt einen großen Entschluß zu
fassen, einen Schritt zu thun, gefährlich, wenn er unbeschränkt, sicher, wenn
er gemäßigt gethan wurde. Noch gestern war die Censur ganz allein und
ohne Appellation in den Händen des Vorsitzenden im heiligen Pallaste, eines
Mönches vom Orden des heiligen Dominicus; um ans einem solchen Zu¬
stand der Dinge herauszukommen, wo sollte da der wahre Fortschritt stehen
bleiben? Pius IX. hat in seiner hohen Weisheit Alles erwogen, und das
Decret, welches die Censur organisirt, ist das Ergebniß langen Nachdenkens.
Man muß es zugeben, daß im ersten Augenblicke der Charakter dieser Ma߬
regel verkannt wurde; in der Art von Anarchie der Zwischenregiernng waren
Hoffnungen aufgetaucht, hatten sich Interessen festgesetzt. Wenig fehlte daran,
daß die besondere Angelegenheit der Drucker nicht eine Rückwirkung auf die
allgemeinen Angelegenheiten der Nation ausgeübt hätte. Vereinzelte Demon¬
strationen wurden vorbereitet, zum Theil auch ausgeführt; man hat Meetings
gehalten, mau hat sich auf französische Art erhitzt. Ein geistreicher Publicist,
Herr Mastimo d'Ogeglio, fürchtete nicht die Gastfreundschaft, die ihm zu
Rom gewährt worden war, dadurch zu verletze", daß er beinahe Tags dar¬
auf, nachdem ihn der Papst mit der rührendsten Güte empfangen hatte, den
Geist der Unterthanen desselben mit Gedanken an Widerstand erfüllte. Sollte
denn der Gewalt allein die Ausführung des neuen Decretes, so weise es
auch im Grunde war, anvertraut werden?

Da wagte es ein Manu, der auf seinem weißen Haupte den Stempel
der Verfolgung und der Verbannung trägt, Herr Francesco Orioli, die
Popularität, welche ihm seine patriotische Hingebung erworben hat, dem
Sturm einer von sich selbst berauschten öffentlichen Meinung auszusetzen.
In einer Brochüre, die wir leider jetzt gerade nicht vor uns liegen ha¬
ben, bewies Herr Orioli, gegen die gewagten und übertriebenen Behaup¬
tungen des Verfassers der "Ultimi c""i "ii Köw-iss""," daß der wahre
Charakter des Fortschrittes dieser Handlung Pius IX. aufgeprägt sei. Die
Wirkung dieser Schrift war ungeheuer und tief, und die Wahl der neuen
Censoren, welche unter den aufgeklärteste-, und angesehensten Laien von


an der französischen Gesandtschaft nicht in dem Maße eine Stütze gefunden
habe, als er ein Recht hatte dies zu erwarten. Gewiß gibt es nichts in
dieser Art, dessen Herr Rosse nicht fähig wäre, und man weiß übrigens,
durch welche Dienstleistungen, sei es zu Paris oder zu Constantinopel, das
Wiener Cabinet heut zu Tage Einfluß auf das von Paris erlangt.

Aber die Frage der Censur oder der absoluten Preßfreiheit kämpfte nicht
nur gegen diese äußere Verwickelung, es galt einen großen Entschluß zu
fassen, einen Schritt zu thun, gefährlich, wenn er unbeschränkt, sicher, wenn
er gemäßigt gethan wurde. Noch gestern war die Censur ganz allein und
ohne Appellation in den Händen des Vorsitzenden im heiligen Pallaste, eines
Mönches vom Orden des heiligen Dominicus; um ans einem solchen Zu¬
stand der Dinge herauszukommen, wo sollte da der wahre Fortschritt stehen
bleiben? Pius IX. hat in seiner hohen Weisheit Alles erwogen, und das
Decret, welches die Censur organisirt, ist das Ergebniß langen Nachdenkens.
Man muß es zugeben, daß im ersten Augenblicke der Charakter dieser Ma߬
regel verkannt wurde; in der Art von Anarchie der Zwischenregiernng waren
Hoffnungen aufgetaucht, hatten sich Interessen festgesetzt. Wenig fehlte daran,
daß die besondere Angelegenheit der Drucker nicht eine Rückwirkung auf die
allgemeinen Angelegenheiten der Nation ausgeübt hätte. Vereinzelte Demon¬
strationen wurden vorbereitet, zum Theil auch ausgeführt; man hat Meetings
gehalten, mau hat sich auf französische Art erhitzt. Ein geistreicher Publicist,
Herr Mastimo d'Ogeglio, fürchtete nicht die Gastfreundschaft, die ihm zu
Rom gewährt worden war, dadurch zu verletze», daß er beinahe Tags dar¬
auf, nachdem ihn der Papst mit der rührendsten Güte empfangen hatte, den
Geist der Unterthanen desselben mit Gedanken an Widerstand erfüllte. Sollte
denn der Gewalt allein die Ausführung des neuen Decretes, so weise es
auch im Grunde war, anvertraut werden?

Da wagte es ein Manu, der auf seinem weißen Haupte den Stempel
der Verfolgung und der Verbannung trägt, Herr Francesco Orioli, die
Popularität, welche ihm seine patriotische Hingebung erworben hat, dem
Sturm einer von sich selbst berauschten öffentlichen Meinung auszusetzen.
In einer Brochüre, die wir leider jetzt gerade nicht vor uns liegen ha¬
ben, bewies Herr Orioli, gegen die gewagten und übertriebenen Behaup¬
tungen des Verfassers der „Ultimi c»«i «ii Köw-iss»»," daß der wahre
Charakter des Fortschrittes dieser Handlung Pius IX. aufgeprägt sei. Die
Wirkung dieser Schrift war ungeheuer und tief, und die Wahl der neuen
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/169>, abgerufen am 22.07.2024.