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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Zwecken und dergleichen mehr, konnten von England nur mißliebig aufgenom¬
men werden. Dürste auch letztgenannte Macht bei dem in neuester Zeit zwi¬
schen dem geistlichen Oberhaupte der römisch-katholischen Kirche und dem
Chef des Islamismus eröffneten diplomatischen Verkehr von geheimer Be¬
thätigung nicht ganz frei zu sprechen sein, weil dadurch das seit der Zeit
der Kreuzzüge von Frankreich beanspruchte Schutzrecht der katholischen Chri>
sten im Orient mehr deren weltlichem Beherrscher d. h. dem Sultan mittel¬
bar zugewiesen wird: so konnte England's Politik nicht umhin, die erste
günstige Gelegenheit zu erspähen, seineu politischen Widersacher in eigenem
Lager, wenn auch ans neutralem Boden, aufzusuchen. Veranlassung hierzu
ward bald durch einen günstigen Zufall gehste". Der obenerwähnte Flügel-
adjutant Karatassos hatte von seinem Herrn einen mehrwochentlichen Urlaub
nach Constantinopel, angeblich um Familienangelegenheiten (?) daselbst zu
ordnen, erhalten. Der türkische Gesandte in Athen Moussonris") handelte
unbezweifelt nach den von seinem Hose ihm früher ertheilten allgemeinen
Instructionen, wenn er ohne vorherige Anfrage bei seiner Regierung einem Manne
den Eintritt in das türkische Reich nicht gestattete, welcher, obschon jetzt in
einer hohen Stellung, in der nächsten Umgebung des Königs von Griechen¬
land, dennoch von früherer Zeit her bei den Unruhen im Jnnern der
Türkei schwer betheiligt gewesen. Sowohl des Premierministers Kolettis,
welcher gleichzeitig auch das Portefeuille des Aeußeren verwaltet, Verfahren
bei Unterhandlung über diese Angelegenheit, als auch eine vom König Otto
auf dem Kammcrballe geschehene Aeußerung, bestimmten Moussouris seine Pässe
zur Abreise ans Griechenland zu verlangen, um dadurch wegen der ihm als
Repräsentanten der ottomanischen Macht seines Erachtens nach zugefügten Be¬
leidigung Genugthuung zu erhalten, nöthigenfalls seinem Souverain gegenüber
sich zu rechtfertigen. Die Diplomatie blieb natürlich bei diesen Vorgängen
nicht unthätig und seit jener Zeit begann ein lebhafter Noten- und Courier¬
wechsel zwischen Athen, Constantinopel und den übrigen Hauptstädten Euro¬
pas. Die Pforte stellte endlich ein Ultimatum, welches-als zu drückend
das Cabinet zu Athen nicht annahm, worauf, nach Ende der anberaumten
Frist, aller diplomatischer Verkehr mit Griechenland am 1. April für abge¬
brochen erklärt und dem hellenischen Geschäftsträger in Constantinopel Ar-
gyropvulos nur noch eine Zeit von 30 Tagen, zu seinem längeren Verwei¬
len und Ordnung eigener Angelegenheiten daselbst, gestattet wurde.

Türtischerseits, vielleicht durch Zusicherung nicht ausbleibender fremder



Nicht Moussourus, wie viele Zeitungen irrig schreibe".

Zwecken und dergleichen mehr, konnten von England nur mißliebig aufgenom¬
men werden. Dürste auch letztgenannte Macht bei dem in neuester Zeit zwi¬
schen dem geistlichen Oberhaupte der römisch-katholischen Kirche und dem
Chef des Islamismus eröffneten diplomatischen Verkehr von geheimer Be¬
thätigung nicht ganz frei zu sprechen sein, weil dadurch das seit der Zeit
der Kreuzzüge von Frankreich beanspruchte Schutzrecht der katholischen Chri>
sten im Orient mehr deren weltlichem Beherrscher d. h. dem Sultan mittel¬
bar zugewiesen wird: so konnte England's Politik nicht umhin, die erste
günstige Gelegenheit zu erspähen, seineu politischen Widersacher in eigenem
Lager, wenn auch ans neutralem Boden, aufzusuchen. Veranlassung hierzu
ward bald durch einen günstigen Zufall gehste». Der obenerwähnte Flügel-
adjutant Karatassos hatte von seinem Herrn einen mehrwochentlichen Urlaub
nach Constantinopel, angeblich um Familienangelegenheiten (?) daselbst zu
ordnen, erhalten. Der türkische Gesandte in Athen Moussonris") handelte
unbezweifelt nach den von seinem Hose ihm früher ertheilten allgemeinen
Instructionen, wenn er ohne vorherige Anfrage bei seiner Regierung einem Manne
den Eintritt in das türkische Reich nicht gestattete, welcher, obschon jetzt in
einer hohen Stellung, in der nächsten Umgebung des Königs von Griechen¬
land, dennoch von früherer Zeit her bei den Unruhen im Jnnern der
Türkei schwer betheiligt gewesen. Sowohl des Premierministers Kolettis,
welcher gleichzeitig auch das Portefeuille des Aeußeren verwaltet, Verfahren
bei Unterhandlung über diese Angelegenheit, als auch eine vom König Otto
auf dem Kammcrballe geschehene Aeußerung, bestimmten Moussouris seine Pässe
zur Abreise ans Griechenland zu verlangen, um dadurch wegen der ihm als
Repräsentanten der ottomanischen Macht seines Erachtens nach zugefügten Be¬
leidigung Genugthuung zu erhalten, nöthigenfalls seinem Souverain gegenüber
sich zu rechtfertigen. Die Diplomatie blieb natürlich bei diesen Vorgängen
nicht unthätig und seit jener Zeit begann ein lebhafter Noten- und Courier¬
wechsel zwischen Athen, Constantinopel und den übrigen Hauptstädten Euro¬
pas. Die Pforte stellte endlich ein Ultimatum, welches-als zu drückend
das Cabinet zu Athen nicht annahm, worauf, nach Ende der anberaumten
Frist, aller diplomatischer Verkehr mit Griechenland am 1. April für abge¬
brochen erklärt und dem hellenischen Geschäftsträger in Constantinopel Ar-
gyropvulos nur noch eine Zeit von 30 Tagen, zu seinem längeren Verwei¬
len und Ordnung eigener Angelegenheiten daselbst, gestattet wurde.

Türtischerseits, vielleicht durch Zusicherung nicht ausbleibender fremder



Nicht Moussourus, wie viele Zeitungen irrig schreibe».
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[0163] Zwecken und dergleichen mehr, konnten von England nur mißliebig aufgenom¬ men werden. Dürste auch letztgenannte Macht bei dem in neuester Zeit zwi¬ schen dem geistlichen Oberhaupte der römisch-katholischen Kirche und dem Chef des Islamismus eröffneten diplomatischen Verkehr von geheimer Be¬ thätigung nicht ganz frei zu sprechen sein, weil dadurch das seit der Zeit der Kreuzzüge von Frankreich beanspruchte Schutzrecht der katholischen Chri> sten im Orient mehr deren weltlichem Beherrscher d. h. dem Sultan mittel¬ bar zugewiesen wird: so konnte England's Politik nicht umhin, die erste günstige Gelegenheit zu erspähen, seineu politischen Widersacher in eigenem Lager, wenn auch ans neutralem Boden, aufzusuchen. Veranlassung hierzu ward bald durch einen günstigen Zufall gehste». Der obenerwähnte Flügel- adjutant Karatassos hatte von seinem Herrn einen mehrwochentlichen Urlaub nach Constantinopel, angeblich um Familienangelegenheiten (?) daselbst zu ordnen, erhalten. Der türkische Gesandte in Athen Moussonris") handelte unbezweifelt nach den von seinem Hose ihm früher ertheilten allgemeinen Instructionen, wenn er ohne vorherige Anfrage bei seiner Regierung einem Manne den Eintritt in das türkische Reich nicht gestattete, welcher, obschon jetzt in einer hohen Stellung, in der nächsten Umgebung des Königs von Griechen¬ land, dennoch von früherer Zeit her bei den Unruhen im Jnnern der Türkei schwer betheiligt gewesen. Sowohl des Premierministers Kolettis, welcher gleichzeitig auch das Portefeuille des Aeußeren verwaltet, Verfahren bei Unterhandlung über diese Angelegenheit, als auch eine vom König Otto auf dem Kammcrballe geschehene Aeußerung, bestimmten Moussouris seine Pässe zur Abreise ans Griechenland zu verlangen, um dadurch wegen der ihm als Repräsentanten der ottomanischen Macht seines Erachtens nach zugefügten Be¬ leidigung Genugthuung zu erhalten, nöthigenfalls seinem Souverain gegenüber sich zu rechtfertigen. Die Diplomatie blieb natürlich bei diesen Vorgängen nicht unthätig und seit jener Zeit begann ein lebhafter Noten- und Courier¬ wechsel zwischen Athen, Constantinopel und den übrigen Hauptstädten Euro¬ pas. Die Pforte stellte endlich ein Ultimatum, welches-als zu drückend das Cabinet zu Athen nicht annahm, worauf, nach Ende der anberaumten Frist, aller diplomatischer Verkehr mit Griechenland am 1. April für abge¬ brochen erklärt und dem hellenischen Geschäftsträger in Constantinopel Ar- gyropvulos nur noch eine Zeit von 30 Tagen, zu seinem längeren Verwei¬ len und Ordnung eigener Angelegenheiten daselbst, gestattet wurde. Türtischerseits, vielleicht durch Zusicherung nicht ausbleibender fremder Nicht Moussourus, wie viele Zeitungen irrig schreibe».

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/163>, abgerufen am 22.07.2024.