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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Riecht, den Vertrag zu unterbrechen, und die Versammlung, dem Antrag keine
Folge zu geben.

Nur einen Passus in der Erwiderung des Ministers hebe ich als bemerkens¬
werth hervor.

"Ich habe," sagte er, "noch den Punkt zu berühren, wo uns der Redner
gerathen hat, nur Minister sollten unsere Köpfe daran setzen, wenn wir im Kriege
Anleihen zu macheu hätten und dann vor die Versammlung hintreten und sagen:
Köpfe uns oder bewilligt die gemachten Schulden. Der Fall paßt
ans uns nicht. Wir preußischen Minister können keine Schulden ma¬
chen, fort ern nur das Staats-Ob erHaupt; nud es wird doch wohl
Niemand sagen, der König solle es nur wagen, solche Anleihen zu contrahiren
und dann den Ständen sagen doch ich bitte, mir den Schluß zu erlassen!..."

Nach einigen curiosen Zwischenfällen, auf die hier einzugehen der Ernst des
Gegenstandes verbietet, trat der rheinische Abgeordnete Mevisscn auf, teil Adreß-
entwurf zu unterstützen. Er ging auf den Geist zurück, in welchem die Gesetze
von I82V erlassen waren, den Geist seiner politischen Entwickelung; fügte die
speziellen Ansprüche seiner Provinz hinzu und fuhr dann also fort:

"Durch das Gesetz vom 22. Mai 1815 wird den künftigen Reichsständen
das Recht beigelegt, bei allen allgemeinen Gesetzen gehört zu werden, und in
dem Augenblick, wo Reichsstände zusammenberufen werden, sind
sie in den Besitz dieses Rechtes eingetreten. --

Neben dieser Rechtsbegründung finde ich noch einen stärkern Grund zur
Rechtfertigung der in der Adresse niedergelegten Verwahrung darin, daß nach
dem allgemeinen Volksbew ußtsein diese Rechte, die uns in den ältern
Gesetzen gegeben sind, das Minimum der Rechte bilden. . . Das Rechts-
bewußtsein im Volke hat sich Jahre lang an diese in den ältern Gesetzen be¬
gründeten Rechte angeklammert, es hat vcrtrauungsvoll dem Augenblick entgegen¬
gesehen, wo diese Rechte verwirklicht werden würden, weil das Volk wußte, daß
bei ungeschwächter Rechtsbeständigkeit des Gesetzes vom 17. Jan. 1820 dieser
Augenblick endlich, wenn auch spät, kommen müßte. Ich will in den tiefen
Abgrund nicht hineinsehen, der sich eröffnet, wenn diese Rechte
von den Vertretern des Volks nicht gewahrt, von den Räthen
där Krone nicht in ihrem ganzen Umfange anerkannt werden.

Stellen Sie sich die Frage, ob dann, wenn alle diese Rechte, die wir in
Anspruch nehmen, uns eingeräumt werden, die Verfassung Preußens mit der Ver-
fassung anderer constitutioneller Länder auf gleicher Stufe stehen wird? Täuschen
wir uus darüber nicht, es bestehen auch dann noch die allererheblichsten Unter¬
schiede. --

Die Krone Preußen hat sich so lange, als Preußen historisch existirt, auf
die im Staat vorhandene Intelligenz gestützt. So lange als diese Intelligenz
hauptsächlich im BeMtenthnM conzentrirt war, hat die Krone ohne alle ständische
Mitwirkung nach bester Einsicht mit dem Beamtenthum das unumschränkte Regi-
giment im Lande geführt; aber die Zeiten sind fortgeschritten, die Intelligenz,
die sich früher vorzugsweise im Beamteiülmm fand, sie findet sich heute außerhalb


19 *

Riecht, den Vertrag zu unterbrechen, und die Versammlung, dem Antrag keine
Folge zu geben.

Nur einen Passus in der Erwiderung des Ministers hebe ich als bemerkens¬
werth hervor.

„Ich habe," sagte er, „noch den Punkt zu berühren, wo uns der Redner
gerathen hat, nur Minister sollten unsere Köpfe daran setzen, wenn wir im Kriege
Anleihen zu macheu hätten und dann vor die Versammlung hintreten und sagen:
Köpfe uns oder bewilligt die gemachten Schulden. Der Fall paßt
ans uns nicht. Wir preußischen Minister können keine Schulden ma¬
chen, fort ern nur das Staats-Ob erHaupt; nud es wird doch wohl
Niemand sagen, der König solle es nur wagen, solche Anleihen zu contrahiren
und dann den Ständen sagen doch ich bitte, mir den Schluß zu erlassen!..."

Nach einigen curiosen Zwischenfällen, auf die hier einzugehen der Ernst des
Gegenstandes verbietet, trat der rheinische Abgeordnete Mevisscn auf, teil Adreß-
entwurf zu unterstützen. Er ging auf den Geist zurück, in welchem die Gesetze
von I82V erlassen waren, den Geist seiner politischen Entwickelung; fügte die
speziellen Ansprüche seiner Provinz hinzu und fuhr dann also fort:

„Durch das Gesetz vom 22. Mai 1815 wird den künftigen Reichsständen
das Recht beigelegt, bei allen allgemeinen Gesetzen gehört zu werden, und in
dem Augenblick, wo Reichsstände zusammenberufen werden, sind
sie in den Besitz dieses Rechtes eingetreten. —

Neben dieser Rechtsbegründung finde ich noch einen stärkern Grund zur
Rechtfertigung der in der Adresse niedergelegten Verwahrung darin, daß nach
dem allgemeinen Volksbew ußtsein diese Rechte, die uns in den ältern
Gesetzen gegeben sind, das Minimum der Rechte bilden. . . Das Rechts-
bewußtsein im Volke hat sich Jahre lang an diese in den ältern Gesetzen be¬
gründeten Rechte angeklammert, es hat vcrtrauungsvoll dem Augenblick entgegen¬
gesehen, wo diese Rechte verwirklicht werden würden, weil das Volk wußte, daß
bei ungeschwächter Rechtsbeständigkeit des Gesetzes vom 17. Jan. 1820 dieser
Augenblick endlich, wenn auch spät, kommen müßte. Ich will in den tiefen
Abgrund nicht hineinsehen, der sich eröffnet, wenn diese Rechte
von den Vertretern des Volks nicht gewahrt, von den Räthen
där Krone nicht in ihrem ganzen Umfange anerkannt werden.

Stellen Sie sich die Frage, ob dann, wenn alle diese Rechte, die wir in
Anspruch nehmen, uns eingeräumt werden, die Verfassung Preußens mit der Ver-
fassung anderer constitutioneller Länder auf gleicher Stufe stehen wird? Täuschen
wir uus darüber nicht, es bestehen auch dann noch die allererheblichsten Unter¬
schiede. —

Die Krone Preußen hat sich so lange, als Preußen historisch existirt, auf
die im Staat vorhandene Intelligenz gestützt. So lange als diese Intelligenz
hauptsächlich im BeMtenthnM conzentrirt war, hat die Krone ohne alle ständische
Mitwirkung nach bester Einsicht mit dem Beamtenthum das unumschränkte Regi-
giment im Lande geführt; aber die Zeiten sind fortgeschritten, die Intelligenz,
die sich früher vorzugsweise im Beamteiülmm fand, sie findet sich heute außerhalb


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[0151] Riecht, den Vertrag zu unterbrechen, und die Versammlung, dem Antrag keine Folge zu geben. Nur einen Passus in der Erwiderung des Ministers hebe ich als bemerkens¬ werth hervor. „Ich habe," sagte er, „noch den Punkt zu berühren, wo uns der Redner gerathen hat, nur Minister sollten unsere Köpfe daran setzen, wenn wir im Kriege Anleihen zu macheu hätten und dann vor die Versammlung hintreten und sagen: Köpfe uns oder bewilligt die gemachten Schulden. Der Fall paßt ans uns nicht. Wir preußischen Minister können keine Schulden ma¬ chen, fort ern nur das Staats-Ob erHaupt; nud es wird doch wohl Niemand sagen, der König solle es nur wagen, solche Anleihen zu contrahiren und dann den Ständen sagen doch ich bitte, mir den Schluß zu erlassen!..." Nach einigen curiosen Zwischenfällen, auf die hier einzugehen der Ernst des Gegenstandes verbietet, trat der rheinische Abgeordnete Mevisscn auf, teil Adreß- entwurf zu unterstützen. Er ging auf den Geist zurück, in welchem die Gesetze von I82V erlassen waren, den Geist seiner politischen Entwickelung; fügte die speziellen Ansprüche seiner Provinz hinzu und fuhr dann also fort: „Durch das Gesetz vom 22. Mai 1815 wird den künftigen Reichsständen das Recht beigelegt, bei allen allgemeinen Gesetzen gehört zu werden, und in dem Augenblick, wo Reichsstände zusammenberufen werden, sind sie in den Besitz dieses Rechtes eingetreten. — Neben dieser Rechtsbegründung finde ich noch einen stärkern Grund zur Rechtfertigung der in der Adresse niedergelegten Verwahrung darin, daß nach dem allgemeinen Volksbew ußtsein diese Rechte, die uns in den ältern Gesetzen gegeben sind, das Minimum der Rechte bilden. . . Das Rechts- bewußtsein im Volke hat sich Jahre lang an diese in den ältern Gesetzen be¬ gründeten Rechte angeklammert, es hat vcrtrauungsvoll dem Augenblick entgegen¬ gesehen, wo diese Rechte verwirklicht werden würden, weil das Volk wußte, daß bei ungeschwächter Rechtsbeständigkeit des Gesetzes vom 17. Jan. 1820 dieser Augenblick endlich, wenn auch spät, kommen müßte. Ich will in den tiefen Abgrund nicht hineinsehen, der sich eröffnet, wenn diese Rechte von den Vertretern des Volks nicht gewahrt, von den Räthen där Krone nicht in ihrem ganzen Umfange anerkannt werden. Stellen Sie sich die Frage, ob dann, wenn alle diese Rechte, die wir in Anspruch nehmen, uns eingeräumt werden, die Verfassung Preußens mit der Ver- fassung anderer constitutioneller Länder auf gleicher Stufe stehen wird? Täuschen wir uus darüber nicht, es bestehen auch dann noch die allererheblichsten Unter¬ schiede. — Die Krone Preußen hat sich so lange, als Preußen historisch existirt, auf die im Staat vorhandene Intelligenz gestützt. So lange als diese Intelligenz hauptsächlich im BeMtenthnM conzentrirt war, hat die Krone ohne alle ständische Mitwirkung nach bester Einsicht mit dem Beamtenthum das unumschränkte Regi- giment im Lande geführt; aber die Zeiten sind fortgeschritten, die Intelligenz, die sich früher vorzugsweise im Beamteiülmm fand, sie findet sich heute außerhalb 19 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/151>, abgerufen am 22.07.2024.