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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Zuerst erhob sich ein Mann, aus den schon seit Beginn des Landtags Alles
nicht weniger aufmerksam gewesen war, als auf den Grafen Arnim/der westphä-
lische Abgeordnete Landrath von Vincke, Sohn des verstorbenen Oberpräsidenten,
der vor zwei Jahre" ans dem westfälischen Landtag mit großer Beredsamkeit
den Antrag auf eine Petition um Erfüllung der alten reichsftändischcn Verspre¬
chungen gestellt hatte; ein entschiedener Aristokrat, aber ein Mann von Kops und
Herz. Indem ich an diese Rede gehe, die glänzendste, die bisher ans dem vereinig¬
ten Landtag gehalten worden ist, erlaube ich mir eine Bemerkung. Es kommt
nicht allein darauf an, daß man gut und vernünftig spricht, sondern auch, daß
man es zur rechten Zeit thut. Es wäre möglich, das- der glänzendste Redner
unsrer Stände durch Versäumung des richtigen Moments in dieselbe falsche Stel¬
lung einer unausgesetzten Opposition versetzt werden könnte, als in der französi¬
schen Pairskammer der Marquis von Boussy. Eine Organisation der oppo¬
sitionellen Partei ist das einzige Mittel, eine zwecklose und' eben darum bedenkliche
systematische Opposition abzuschneiden.

"Ich theile mit dem vorigen Redner," begann der Abgeordnete, "dieGrnndan-
sichten: daß der König frei sein müsse in seinen Entschließungen, wie auch wir
in den unsrigen; daß wir Sicherheit gewähren müssen den Rechten unsrer
Committenten, und daß wir beide Zwecke verbinden mit weiser Mäßigung in der.
Form. Aber ich komme zu ganz anderen Schlüssen....
Ich erkäre mich gegen jede Adresse.

Zunächst erinnere ich darau, daß der König nach der Thronrede keine andere
Erwiderung erwartet, als durch die That. Ich möchte die Versammlung nicht
gern in den Verdacht der Zudringlichkeit bringen, wenn sie sich dem Thron
naht, sei es mit Dank, sei es mit Bitte.

In constitutionellen Staaten hat eine Adresse als Antwort auf die Thron¬
rede einen ganz andern Sinn; denn dort besteht ein verantwortliches Mi¬
nisterium. Durch eine billigende Adresse sucht man dieses zu conserviren, durch
eine mißbilligende zu stürzen. Wir wenden uns aber mit unsrer Antwort direct
an die Krone und würden zunächst auf die Thronrede zu antworten haben,
um die Gefühle zu schildern, welche dieselbe in uns erregt hat. Ich halte eS
aber sür unerlaubt, einen Tadel oder ein Lob Sr. Majestät auszusprechen und
die königlichen Worte zu kritisiren____

Ferner frage ich, ob wir uns in einer Lage befinden, einen Dank und eine
Verwahrung zugleich auszusprechen? Ich frage, ob dies die richtige Form ist,
zwei so verschiedene Gegenstände zu veroinigcn? Es schuldet Jemand einem An¬
dern die Gewährung einer Zusage, die er ihm , dann nur zum Theil erfüllt, wird
er ihm nicht vorläufig über die theilweise Erfüllung seiner Ansprüche quittiren,
mit Vorbehalt des Rechts aus die vollständige Befriedigung? Wir können dem
König nicht danken, denn wir könnten dies nur in einer Weise,
die mit der Ehrfurcht gegen Ihm unvereinbar ist....

Der Redner geht darauf auf die einzelnen Punkte ein.

"Wenn unter dem Wort Garantie nur ein Beirath begriffen werden soll,
so ist eine solche Auslegung mit meinem Rechtsgefühl nicht vereinbar, wenn auch


Zuerst erhob sich ein Mann, aus den schon seit Beginn des Landtags Alles
nicht weniger aufmerksam gewesen war, als auf den Grafen Arnim/der westphä-
lische Abgeordnete Landrath von Vincke, Sohn des verstorbenen Oberpräsidenten,
der vor zwei Jahre» ans dem westfälischen Landtag mit großer Beredsamkeit
den Antrag auf eine Petition um Erfüllung der alten reichsftändischcn Verspre¬
chungen gestellt hatte; ein entschiedener Aristokrat, aber ein Mann von Kops und
Herz. Indem ich an diese Rede gehe, die glänzendste, die bisher ans dem vereinig¬
ten Landtag gehalten worden ist, erlaube ich mir eine Bemerkung. Es kommt
nicht allein darauf an, daß man gut und vernünftig spricht, sondern auch, daß
man es zur rechten Zeit thut. Es wäre möglich, das- der glänzendste Redner
unsrer Stände durch Versäumung des richtigen Moments in dieselbe falsche Stel¬
lung einer unausgesetzten Opposition versetzt werden könnte, als in der französi¬
schen Pairskammer der Marquis von Boussy. Eine Organisation der oppo¬
sitionellen Partei ist das einzige Mittel, eine zwecklose und' eben darum bedenkliche
systematische Opposition abzuschneiden.

„Ich theile mit dem vorigen Redner," begann der Abgeordnete, „dieGrnndan-
sichten: daß der König frei sein müsse in seinen Entschließungen, wie auch wir
in den unsrigen; daß wir Sicherheit gewähren müssen den Rechten unsrer
Committenten, und daß wir beide Zwecke verbinden mit weiser Mäßigung in der.
Form. Aber ich komme zu ganz anderen Schlüssen....
Ich erkäre mich gegen jede Adresse.

Zunächst erinnere ich darau, daß der König nach der Thronrede keine andere
Erwiderung erwartet, als durch die That. Ich möchte die Versammlung nicht
gern in den Verdacht der Zudringlichkeit bringen, wenn sie sich dem Thron
naht, sei es mit Dank, sei es mit Bitte.

In constitutionellen Staaten hat eine Adresse als Antwort auf die Thron¬
rede einen ganz andern Sinn; denn dort besteht ein verantwortliches Mi¬
nisterium. Durch eine billigende Adresse sucht man dieses zu conserviren, durch
eine mißbilligende zu stürzen. Wir wenden uns aber mit unsrer Antwort direct
an die Krone und würden zunächst auf die Thronrede zu antworten haben,
um die Gefühle zu schildern, welche dieselbe in uns erregt hat. Ich halte eS
aber sür unerlaubt, einen Tadel oder ein Lob Sr. Majestät auszusprechen und
die königlichen Worte zu kritisiren____

Ferner frage ich, ob wir uns in einer Lage befinden, einen Dank und eine
Verwahrung zugleich auszusprechen? Ich frage, ob dies die richtige Form ist,
zwei so verschiedene Gegenstände zu veroinigcn? Es schuldet Jemand einem An¬
dern die Gewährung einer Zusage, die er ihm , dann nur zum Theil erfüllt, wird
er ihm nicht vorläufig über die theilweise Erfüllung seiner Ansprüche quittiren,
mit Vorbehalt des Rechts aus die vollständige Befriedigung? Wir können dem
König nicht danken, denn wir könnten dies nur in einer Weise,
die mit der Ehrfurcht gegen Ihm unvereinbar ist....

Der Redner geht darauf auf die einzelnen Punkte ein.

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so ist eine solche Auslegung mit meinem Rechtsgefühl nicht vereinbar, wenn auch


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[0148] Zuerst erhob sich ein Mann, aus den schon seit Beginn des Landtags Alles nicht weniger aufmerksam gewesen war, als auf den Grafen Arnim/der westphä- lische Abgeordnete Landrath von Vincke, Sohn des verstorbenen Oberpräsidenten, der vor zwei Jahre» ans dem westfälischen Landtag mit großer Beredsamkeit den Antrag auf eine Petition um Erfüllung der alten reichsftändischcn Verspre¬ chungen gestellt hatte; ein entschiedener Aristokrat, aber ein Mann von Kops und Herz. Indem ich an diese Rede gehe, die glänzendste, die bisher ans dem vereinig¬ ten Landtag gehalten worden ist, erlaube ich mir eine Bemerkung. Es kommt nicht allein darauf an, daß man gut und vernünftig spricht, sondern auch, daß man es zur rechten Zeit thut. Es wäre möglich, das- der glänzendste Redner unsrer Stände durch Versäumung des richtigen Moments in dieselbe falsche Stel¬ lung einer unausgesetzten Opposition versetzt werden könnte, als in der französi¬ schen Pairskammer der Marquis von Boussy. Eine Organisation der oppo¬ sitionellen Partei ist das einzige Mittel, eine zwecklose und' eben darum bedenkliche systematische Opposition abzuschneiden. „Ich theile mit dem vorigen Redner," begann der Abgeordnete, „dieGrnndan- sichten: daß der König frei sein müsse in seinen Entschließungen, wie auch wir in den unsrigen; daß wir Sicherheit gewähren müssen den Rechten unsrer Committenten, und daß wir beide Zwecke verbinden mit weiser Mäßigung in der. Form. Aber ich komme zu ganz anderen Schlüssen.... Ich erkäre mich gegen jede Adresse. Zunächst erinnere ich darau, daß der König nach der Thronrede keine andere Erwiderung erwartet, als durch die That. Ich möchte die Versammlung nicht gern in den Verdacht der Zudringlichkeit bringen, wenn sie sich dem Thron naht, sei es mit Dank, sei es mit Bitte. In constitutionellen Staaten hat eine Adresse als Antwort auf die Thron¬ rede einen ganz andern Sinn; denn dort besteht ein verantwortliches Mi¬ nisterium. Durch eine billigende Adresse sucht man dieses zu conserviren, durch eine mißbilligende zu stürzen. Wir wenden uns aber mit unsrer Antwort direct an die Krone und würden zunächst auf die Thronrede zu antworten haben, um die Gefühle zu schildern, welche dieselbe in uns erregt hat. Ich halte eS aber sür unerlaubt, einen Tadel oder ein Lob Sr. Majestät auszusprechen und die königlichen Worte zu kritisiren____ Ferner frage ich, ob wir uns in einer Lage befinden, einen Dank und eine Verwahrung zugleich auszusprechen? Ich frage, ob dies die richtige Form ist, zwei so verschiedene Gegenstände zu veroinigcn? Es schuldet Jemand einem An¬ dern die Gewährung einer Zusage, die er ihm , dann nur zum Theil erfüllt, wird er ihm nicht vorläufig über die theilweise Erfüllung seiner Ansprüche quittiren, mit Vorbehalt des Rechts aus die vollständige Befriedigung? Wir können dem König nicht danken, denn wir könnten dies nur in einer Weise, die mit der Ehrfurcht gegen Ihm unvereinbar ist.... Der Redner geht darauf auf die einzelnen Punkte ein. „Wenn unter dem Wort Garantie nur ein Beirath begriffen werden soll, so ist eine solche Auslegung mit meinem Rechtsgefühl nicht vereinbar, wenn auch

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/148>, abgerufen am 22.07.2024.