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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Gesetz irgendwie verletzt sei, genügend nachgewiesen zu haben. Sollte aber die
Versammlung nicht überzeugt sein, so steht es frei, die Bedenken in gesetzmäßi¬
gem Wege, d. h. im Wege der Petition oder der Beschwerde an den Thron zu
bringen." --

Der Abgeordnete von Beckerath folgte in einem klaren, ruhigen und doch
bestimmten Vortrag den Deductionen des Ministers Punkt für Punkt.

Zuerst die Frage über die Domänen. "Bei der Mitgarantic von Anleihen
kommt es wesentlich auf den Bestand des Staats-Vermögens, auf die Masse, auf
den Ertrag der vorhandenen Domänen an. Die Verpflichtung, welche die Stände
bei der Mitgarantie von Anleihen übernehmen, hängt also mit einem bestimmten
Zustande auf das Innigste zusammen. Wird dieser Zustand, der die Bedingung
ihres Handelns bildet, ohne ihre Mitwirkung alterirt, so ist die Voraussetzung,
unter welcher sie die Anleihe bewilligten, aufgehoben.

Das Bedenken gegen die Vertretung der Reichsstände durch die Ausschüsse
wird dadurch motivirt, "daß diese ein provinzialständischcS Institut seien, dessen
Verwandlung in Reichsständen der König selbst in dem rheinischen Landtagsab-
schicd vom 30. December 184'! als gegen das Wesen der preußischen Verfassung
bezeichnet habe; außerdem durch die Verwirrung, die zwei, oder gar drei reichsstän¬
dische Versammlungen, deren Berechtigungen unmöglich genau abzugrenzen seien,
nothwendig erregen müßten."

Das Recht, eine jährliche Einberufung der Reichsstände zu verlangen, wird
aus der Bestimmung des Gesetzes vom 12. Januar >829 hergeleitet: daß die
Staatsschulden-Verwaltung der reichsständischcn Versammlung alljährlich Rech¬
nung abzulegen verpflichtet sei.

Was der Minister gegen diese letztere Deduction einwandte, verdient alle
Aufmerksamkeit. "Ich darf versichern, daß keiner unter Allen, die in allen In¬
stanzen dem König bei der neuen Gesetzgebung Rath zu ertheilen hatten, ans
den Gedanken gekommen ist, daß aus dem zitirten §. zu folgern sei, daß
behufs der Rechnungslegung die reichsständische Versammlung alljährlich versam¬
melt werden müsse. Es steht allerdings darin, daß die Haupt-Ver¬
waltung der Staatsschulden der rei es shea udisch en Versammlung
alle Jahre Rechnung zu legen habe; daß aber die Versammlung
alle Jahre die Rechnung auch abzunehmen habe, steht nicht
darin." - - Mit Recht sagte Camphausen darauf: "man kann einer Versammlung
nur dann Rechnung legen, wenn sie versammelt ist; eine Versammlung, die nicht
versammelt ist, ist keine Versammlung."

In Beziehung auf die Ausschüsse erklärte der Minister, sie seien zwar fac¬
tisch dieselben, von denen der König früher erklärte, daß sie zu Reichsständen zu
erheben gegen das Wesen der preußischen Verfassung Streite, aber rechtlich werden.
-- Die Rede des Abgeordneten Camphausen, der darauf das Wort nahm , und
sich anfangs mit ziemlich langen Deductionen beschäftigte, von denen Keiner der
Zuhörer recht wußte, worauf sie eigentlich hinausliefen, hatte vorzüglich den Zweck,
diejenigen Punkte des Patents, welche die Adresse als gesetzwidrig bezeichnete, zu¬
gleich als unzweckmäßig zu verwerfen.


Gesetz irgendwie verletzt sei, genügend nachgewiesen zu haben. Sollte aber die
Versammlung nicht überzeugt sein, so steht es frei, die Bedenken in gesetzmäßi¬
gem Wege, d. h. im Wege der Petition oder der Beschwerde an den Thron zu
bringen." —

Der Abgeordnete von Beckerath folgte in einem klaren, ruhigen und doch
bestimmten Vortrag den Deductionen des Ministers Punkt für Punkt.

Zuerst die Frage über die Domänen. „Bei der Mitgarantic von Anleihen
kommt es wesentlich auf den Bestand des Staats-Vermögens, auf die Masse, auf
den Ertrag der vorhandenen Domänen an. Die Verpflichtung, welche die Stände
bei der Mitgarantie von Anleihen übernehmen, hängt also mit einem bestimmten
Zustande auf das Innigste zusammen. Wird dieser Zustand, der die Bedingung
ihres Handelns bildet, ohne ihre Mitwirkung alterirt, so ist die Voraussetzung,
unter welcher sie die Anleihe bewilligten, aufgehoben.

Das Bedenken gegen die Vertretung der Reichsstände durch die Ausschüsse
wird dadurch motivirt, „daß diese ein provinzialständischcS Institut seien, dessen
Verwandlung in Reichsständen der König selbst in dem rheinischen Landtagsab-
schicd vom 30. December 184'! als gegen das Wesen der preußischen Verfassung
bezeichnet habe; außerdem durch die Verwirrung, die zwei, oder gar drei reichsstän¬
dische Versammlungen, deren Berechtigungen unmöglich genau abzugrenzen seien,
nothwendig erregen müßten."

Das Recht, eine jährliche Einberufung der Reichsstände zu verlangen, wird
aus der Bestimmung des Gesetzes vom 12. Januar >829 hergeleitet: daß die
Staatsschulden-Verwaltung der reichsständischcn Versammlung alljährlich Rech¬
nung abzulegen verpflichtet sei.

Was der Minister gegen diese letztere Deduction einwandte, verdient alle
Aufmerksamkeit. „Ich darf versichern, daß keiner unter Allen, die in allen In¬
stanzen dem König bei der neuen Gesetzgebung Rath zu ertheilen hatten, ans
den Gedanken gekommen ist, daß aus dem zitirten §. zu folgern sei, daß
behufs der Rechnungslegung die reichsständische Versammlung alljährlich versam¬
melt werden müsse. Es steht allerdings darin, daß die Haupt-Ver¬
waltung der Staatsschulden der rei es shea udisch en Versammlung
alle Jahre Rechnung zu legen habe; daß aber die Versammlung
alle Jahre die Rechnung auch abzunehmen habe, steht nicht
darin." - - Mit Recht sagte Camphausen darauf: „man kann einer Versammlung
nur dann Rechnung legen, wenn sie versammelt ist; eine Versammlung, die nicht
versammelt ist, ist keine Versammlung."

In Beziehung auf die Ausschüsse erklärte der Minister, sie seien zwar fac¬
tisch dieselben, von denen der König früher erklärte, daß sie zu Reichsständen zu
erheben gegen das Wesen der preußischen Verfassung Streite, aber rechtlich werden.
— Die Rede des Abgeordneten Camphausen, der darauf das Wort nahm , und
sich anfangs mit ziemlich langen Deductionen beschäftigte, von denen Keiner der
Zuhörer recht wußte, worauf sie eigentlich hinausliefen, hatte vorzüglich den Zweck,
diejenigen Punkte des Patents, welche die Adresse als gesetzwidrig bezeichnete, zu¬
gleich als unzweckmäßig zu verwerfen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/145>, abgerufen am 03.07.2024.