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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Meinung unterdrücken, ist der Umstand, daß keine Nachforschungen und Ver¬
folgungen angestellt, werden. Wenn auch die wegen des ersten Theiles ge¬
machten gehcimpvlizeilicher Natur waren, da Campe 20,000 Fr. (???) für
Auslieferung des Manuscriptes angeboten wurden, so ist wenigstens bis jetzt
wegen des zweiten Theiles nichts geschehen. Der Verfasser ist ein noch jun¬
ger Mann, dessen nächste Verwandte die höchsten Personen des Hoff in
nächster Nähe umgeben. Vor Allem gefällt der ruhige leidenschaftslose Ton
des Autors, der von seinem Standpunkte aus den Gegenstand klar beherrscht,
fest und deutlich ausspricht was er will, und auch dem Wiederstrebendsten, dem
fossilen Zopfe wie dem im Amtsfracke Patriotismus heuchelnden Egoisten, die
Ueberzeugung aufbringt, daß er es recht und ehrlich meint. Eine solche Gesinnung
muß vor Allein dem hohen Kaiserhause selbst, den uuter Vorwand der äußern
amtlichen Pseudovcrantwortlichkeit im Thun und Wirken von der Bureau¬
kratie gehemmten Prinzen wohl thun, den Hof über die Absichten der Stände
beruhigen, und ihm die willkommene Ueberzeugung gewähren, daß Oesterreich
noch, Patrioten besitzt, die den Staat nicht als Pachthof, das Amt nicht als
Pfründe ausbeuten.

Der Standpunkt des Verfassers stützt sich auf die einfache Frage: Wo ist in
Oesterreich die Institution, welche noch einige Kraft, den nöthigen Willen,
die geistigen Mittel und ein wahrhaftes Interesse besäße, dem Sinken der
Zustände in der Tintenpfütze des Bureaukratismus und Monopolismus vor¬
zubeugen, den Staat durch das Volk mehr als durch die Formen der Ver¬
waltung zu crkräftigen. Er, selbst ein Landstand Tyrols, findet dieses In¬
stitut in den Landständen überhaupt, und mit Recht. Denn leider sehen wir
in Oesterreich das Volk ohne alle Bildung und Gesinnung, den Bauer un¬
wissend und roh, den Bürger ohne Geist Md Kraft (?), die Geistlichkeit herrsch-
süchtig und blos kirchlich, die anderen Stände meist ohne Selbstbewußtsein,
darum ohne Würde, mit Ausnahme der äußern Formen; das Ganze also ohne
Tiefe und Ernst, gewohnt an den Schlendrian des Systems, über Äußerlichkeiten
das innere Wesen vergessend, von Heute auf Morgen lebend; hier also kein
Entsagen, kein Muth, keine moralische Kraft, daher keine Basis für eine
Reform darbietend. Nur die Stände haben Lebenszeichen gegeben, nur sie
haben zu sprechen gewagt, wo vor dem dynastischen Egoismus, vor dem
bureaukratischen Despotismus der Qnestenbcrge Alles verstummte; nur sie
haben ihre Rechte wenigstens durch das Wort gewahrt, in der Zeit dafür
geblutet. Und diese Rechte fordern sie jetzt nach dem Grundsatze der Re¬
gierung , die mit dem Keeta tueri sich selbst am meisten zu schützen vermeint.

Gerade der fragliche zweite- Theil, der jetzt selbst gegen Scheda nicht


Meinung unterdrücken, ist der Umstand, daß keine Nachforschungen und Ver¬
folgungen angestellt, werden. Wenn auch die wegen des ersten Theiles ge¬
machten gehcimpvlizeilicher Natur waren, da Campe 20,000 Fr. (???) für
Auslieferung des Manuscriptes angeboten wurden, so ist wenigstens bis jetzt
wegen des zweiten Theiles nichts geschehen. Der Verfasser ist ein noch jun¬
ger Mann, dessen nächste Verwandte die höchsten Personen des Hoff in
nächster Nähe umgeben. Vor Allem gefällt der ruhige leidenschaftslose Ton
des Autors, der von seinem Standpunkte aus den Gegenstand klar beherrscht,
fest und deutlich ausspricht was er will, und auch dem Wiederstrebendsten, dem
fossilen Zopfe wie dem im Amtsfracke Patriotismus heuchelnden Egoisten, die
Ueberzeugung aufbringt, daß er es recht und ehrlich meint. Eine solche Gesinnung
muß vor Allein dem hohen Kaiserhause selbst, den uuter Vorwand der äußern
amtlichen Pseudovcrantwortlichkeit im Thun und Wirken von der Bureau¬
kratie gehemmten Prinzen wohl thun, den Hof über die Absichten der Stände
beruhigen, und ihm die willkommene Ueberzeugung gewähren, daß Oesterreich
noch, Patrioten besitzt, die den Staat nicht als Pachthof, das Amt nicht als
Pfründe ausbeuten.

Der Standpunkt des Verfassers stützt sich auf die einfache Frage: Wo ist in
Oesterreich die Institution, welche noch einige Kraft, den nöthigen Willen,
die geistigen Mittel und ein wahrhaftes Interesse besäße, dem Sinken der
Zustände in der Tintenpfütze des Bureaukratismus und Monopolismus vor¬
zubeugen, den Staat durch das Volk mehr als durch die Formen der Ver¬
waltung zu crkräftigen. Er, selbst ein Landstand Tyrols, findet dieses In¬
stitut in den Landständen überhaupt, und mit Recht. Denn leider sehen wir
in Oesterreich das Volk ohne alle Bildung und Gesinnung, den Bauer un¬
wissend und roh, den Bürger ohne Geist Md Kraft (?), die Geistlichkeit herrsch-
süchtig und blos kirchlich, die anderen Stände meist ohne Selbstbewußtsein,
darum ohne Würde, mit Ausnahme der äußern Formen; das Ganze also ohne
Tiefe und Ernst, gewohnt an den Schlendrian des Systems, über Äußerlichkeiten
das innere Wesen vergessend, von Heute auf Morgen lebend; hier also kein
Entsagen, kein Muth, keine moralische Kraft, daher keine Basis für eine
Reform darbietend. Nur die Stände haben Lebenszeichen gegeben, nur sie
haben zu sprechen gewagt, wo vor dem dynastischen Egoismus, vor dem
bureaukratischen Despotismus der Qnestenbcrge Alles verstummte; nur sie
haben ihre Rechte wenigstens durch das Wort gewahrt, in der Zeit dafür
geblutet. Und diese Rechte fordern sie jetzt nach dem Grundsatze der Re¬
gierung , die mit dem Keeta tueri sich selbst am meisten zu schützen vermeint.

Gerade der fragliche zweite- Theil, der jetzt selbst gegen Scheda nicht


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[0132] Meinung unterdrücken, ist der Umstand, daß keine Nachforschungen und Ver¬ folgungen angestellt, werden. Wenn auch die wegen des ersten Theiles ge¬ machten gehcimpvlizeilicher Natur waren, da Campe 20,000 Fr. (???) für Auslieferung des Manuscriptes angeboten wurden, so ist wenigstens bis jetzt wegen des zweiten Theiles nichts geschehen. Der Verfasser ist ein noch jun¬ ger Mann, dessen nächste Verwandte die höchsten Personen des Hoff in nächster Nähe umgeben. Vor Allem gefällt der ruhige leidenschaftslose Ton des Autors, der von seinem Standpunkte aus den Gegenstand klar beherrscht, fest und deutlich ausspricht was er will, und auch dem Wiederstrebendsten, dem fossilen Zopfe wie dem im Amtsfracke Patriotismus heuchelnden Egoisten, die Ueberzeugung aufbringt, daß er es recht und ehrlich meint. Eine solche Gesinnung muß vor Allein dem hohen Kaiserhause selbst, den uuter Vorwand der äußern amtlichen Pseudovcrantwortlichkeit im Thun und Wirken von der Bureau¬ kratie gehemmten Prinzen wohl thun, den Hof über die Absichten der Stände beruhigen, und ihm die willkommene Ueberzeugung gewähren, daß Oesterreich noch, Patrioten besitzt, die den Staat nicht als Pachthof, das Amt nicht als Pfründe ausbeuten. Der Standpunkt des Verfassers stützt sich auf die einfache Frage: Wo ist in Oesterreich die Institution, welche noch einige Kraft, den nöthigen Willen, die geistigen Mittel und ein wahrhaftes Interesse besäße, dem Sinken der Zustände in der Tintenpfütze des Bureaukratismus und Monopolismus vor¬ zubeugen, den Staat durch das Volk mehr als durch die Formen der Ver¬ waltung zu crkräftigen. Er, selbst ein Landstand Tyrols, findet dieses In¬ stitut in den Landständen überhaupt, und mit Recht. Denn leider sehen wir in Oesterreich das Volk ohne alle Bildung und Gesinnung, den Bauer un¬ wissend und roh, den Bürger ohne Geist Md Kraft (?), die Geistlichkeit herrsch- süchtig und blos kirchlich, die anderen Stände meist ohne Selbstbewußtsein, darum ohne Würde, mit Ausnahme der äußern Formen; das Ganze also ohne Tiefe und Ernst, gewohnt an den Schlendrian des Systems, über Äußerlichkeiten das innere Wesen vergessend, von Heute auf Morgen lebend; hier also kein Entsagen, kein Muth, keine moralische Kraft, daher keine Basis für eine Reform darbietend. Nur die Stände haben Lebenszeichen gegeben, nur sie haben zu sprechen gewagt, wo vor dem dynastischen Egoismus, vor dem bureaukratischen Despotismus der Qnestenbcrge Alles verstummte; nur sie haben ihre Rechte wenigstens durch das Wort gewahrt, in der Zeit dafür geblutet. Und diese Rechte fordern sie jetzt nach dem Grundsatze der Re¬ gierung , die mit dem Keeta tueri sich selbst am meisten zu schützen vermeint. Gerade der fragliche zweite- Theil, der jetzt selbst gegen Scheda nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/132>, abgerufen am 22.07.2024.