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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Landstände euch gern unterstützen, wenn ihr uns in der öffentlichen Mei¬
nung unterstützt

Diesen Sinn haben wir aus dein zweiten Theil von "Oesterreich und
seine Zukunft" herausgelesen. Daß die Schrift ein Programm des libe¬
ralen landständischen Adels ist, hat vor wenig Wochen die niederösterrei-
chische Ständeversammlung gezeigt, indem sie aus eigenem Antriebe den
städtischen Vertretern, die bisher blos die Postulate anhören durften, von
den übrigen landständischen Funktionen aber ausgeschlossen waren, die volle
Mitwirkung an den ständischen Berathungen zuerkannte. Das ist ein Akt,
der Vertrauen erregt, und wir unsererseits, die wir persönlich mehrere der
hervorragendsten und einflußreichsten ständischen Mitglieder kennen, und mehr¬
fache Unterredungen mit ihnen gepflogen haben, setzen keineswegs ein Mi߬
trauen in den ehrlichen Willen der landständischen Partei.

Wir aber, d. h. die Redaction dieser Blätter, sind nnr eine einzige Person,
eine einzige Stimme ans der großen Masse des liberalen Bürgerthums in Oester¬
reich, sowie jene Herren nur einzelne Personen ans den landständischen Kreisen
sind und so wie sie keineswegs einstehen können für die gesammte und gleich¬
mäßige Stimme des landständischen Adels, so wenig können wir unsern
Mangel an Mißtrauen unsern Meinungsgenossen aufdringen und die Stim¬
men unterdrücken, die von Josephinischen Standpunkten aus gegen den neuen
Aufschwung, deu der landständische Adel nehmen Null, pvlemisiren, wie dies
namentlich einer unserer geistreichsten Mitarbeiter in Prag und mehrere An¬
dere in Wien thun.

Und sollen nur offen und ehrlich unser eigenes Geständniß ablegen,
so müssen wir unverhohlen gestehen, daß wir nirgends eine Garantie sehen
für die Versprechungen, welche der Verfasser von "Oesterreich und seine Zu¬
kunft" dem Bürgerthume macht, dessen Zustimmung er in Anspruch nimmt.
Mögen seine näheren Freunde es auch treu und ehrlich mit diesen Ver¬
sprechungen meine", wer sagt es uns, daß seine Standesgenossen, wenn
sie einmal den alten vollen landständischen Einfluß wieder erlangt haben,
wenn sie in alle Privilegien wieder eingesetzt sind, die ihnen als Beirath,
ja sogar als Steuerbewilliger in den alten Landrechten zugesichert sind, wer
bürgt uus dafür' daß sie die bürgerlichen Schemel nicht wegschleudern, die
ihnen zur Besteigung ihrer alten Sitze geholfen haben. Der antideluvianische
Stolz und Hochmuth, mit welchem der österreichische Hochadel bisher ans
die Bürgerinassen herabsah, ist eben kein Beweis, daß er sich so plötzlich
bekehrt haben kann.

Und dann, in welcher Weise soll dem bisher ausgeschlossenen Bürger-


Landstände euch gern unterstützen, wenn ihr uns in der öffentlichen Mei¬
nung unterstützt

Diesen Sinn haben wir aus dein zweiten Theil von „Oesterreich und
seine Zukunft" herausgelesen. Daß die Schrift ein Programm des libe¬
ralen landständischen Adels ist, hat vor wenig Wochen die niederösterrei-
chische Ständeversammlung gezeigt, indem sie aus eigenem Antriebe den
städtischen Vertretern, die bisher blos die Postulate anhören durften, von
den übrigen landständischen Funktionen aber ausgeschlossen waren, die volle
Mitwirkung an den ständischen Berathungen zuerkannte. Das ist ein Akt,
der Vertrauen erregt, und wir unsererseits, die wir persönlich mehrere der
hervorragendsten und einflußreichsten ständischen Mitglieder kennen, und mehr¬
fache Unterredungen mit ihnen gepflogen haben, setzen keineswegs ein Mi߬
trauen in den ehrlichen Willen der landständischen Partei.

Wir aber, d. h. die Redaction dieser Blätter, sind nnr eine einzige Person,
eine einzige Stimme ans der großen Masse des liberalen Bürgerthums in Oester¬
reich, sowie jene Herren nur einzelne Personen ans den landständischen Kreisen
sind und so wie sie keineswegs einstehen können für die gesammte und gleich¬
mäßige Stimme des landständischen Adels, so wenig können wir unsern
Mangel an Mißtrauen unsern Meinungsgenossen aufdringen und die Stim¬
men unterdrücken, die von Josephinischen Standpunkten aus gegen den neuen
Aufschwung, deu der landständische Adel nehmen Null, pvlemisiren, wie dies
namentlich einer unserer geistreichsten Mitarbeiter in Prag und mehrere An¬
dere in Wien thun.

Und sollen nur offen und ehrlich unser eigenes Geständniß ablegen,
so müssen wir unverhohlen gestehen, daß wir nirgends eine Garantie sehen
für die Versprechungen, welche der Verfasser von „Oesterreich und seine Zu¬
kunft" dem Bürgerthume macht, dessen Zustimmung er in Anspruch nimmt.
Mögen seine näheren Freunde es auch treu und ehrlich mit diesen Ver¬
sprechungen meine», wer sagt es uns, daß seine Standesgenossen, wenn
sie einmal den alten vollen landständischen Einfluß wieder erlangt haben,
wenn sie in alle Privilegien wieder eingesetzt sind, die ihnen als Beirath,
ja sogar als Steuerbewilliger in den alten Landrechten zugesichert sind, wer
bürgt uus dafür' daß sie die bürgerlichen Schemel nicht wegschleudern, die
ihnen zur Besteigung ihrer alten Sitze geholfen haben. Der antideluvianische
Stolz und Hochmuth, mit welchem der österreichische Hochadel bisher ans
die Bürgerinassen herabsah, ist eben kein Beweis, daß er sich so plötzlich
bekehrt haben kann.

Und dann, in welcher Weise soll dem bisher ausgeschlossenen Bürger-


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[0129] Landstände euch gern unterstützen, wenn ihr uns in der öffentlichen Mei¬ nung unterstützt Diesen Sinn haben wir aus dein zweiten Theil von „Oesterreich und seine Zukunft" herausgelesen. Daß die Schrift ein Programm des libe¬ ralen landständischen Adels ist, hat vor wenig Wochen die niederösterrei- chische Ständeversammlung gezeigt, indem sie aus eigenem Antriebe den städtischen Vertretern, die bisher blos die Postulate anhören durften, von den übrigen landständischen Funktionen aber ausgeschlossen waren, die volle Mitwirkung an den ständischen Berathungen zuerkannte. Das ist ein Akt, der Vertrauen erregt, und wir unsererseits, die wir persönlich mehrere der hervorragendsten und einflußreichsten ständischen Mitglieder kennen, und mehr¬ fache Unterredungen mit ihnen gepflogen haben, setzen keineswegs ein Mi߬ trauen in den ehrlichen Willen der landständischen Partei. Wir aber, d. h. die Redaction dieser Blätter, sind nnr eine einzige Person, eine einzige Stimme ans der großen Masse des liberalen Bürgerthums in Oester¬ reich, sowie jene Herren nur einzelne Personen ans den landständischen Kreisen sind und so wie sie keineswegs einstehen können für die gesammte und gleich¬ mäßige Stimme des landständischen Adels, so wenig können wir unsern Mangel an Mißtrauen unsern Meinungsgenossen aufdringen und die Stim¬ men unterdrücken, die von Josephinischen Standpunkten aus gegen den neuen Aufschwung, deu der landständische Adel nehmen Null, pvlemisiren, wie dies namentlich einer unserer geistreichsten Mitarbeiter in Prag und mehrere An¬ dere in Wien thun. Und sollen nur offen und ehrlich unser eigenes Geständniß ablegen, so müssen wir unverhohlen gestehen, daß wir nirgends eine Garantie sehen für die Versprechungen, welche der Verfasser von „Oesterreich und seine Zu¬ kunft" dem Bürgerthume macht, dessen Zustimmung er in Anspruch nimmt. Mögen seine näheren Freunde es auch treu und ehrlich mit diesen Ver¬ sprechungen meine», wer sagt es uns, daß seine Standesgenossen, wenn sie einmal den alten vollen landständischen Einfluß wieder erlangt haben, wenn sie in alle Privilegien wieder eingesetzt sind, die ihnen als Beirath, ja sogar als Steuerbewilliger in den alten Landrechten zugesichert sind, wer bürgt uus dafür' daß sie die bürgerlichen Schemel nicht wegschleudern, die ihnen zur Besteigung ihrer alten Sitze geholfen haben. Der antideluvianische Stolz und Hochmuth, mit welchem der österreichische Hochadel bisher ans die Bürgerinassen herabsah, ist eben kein Beweis, daß er sich so plötzlich bekehrt haben kann. Und dann, in welcher Weise soll dem bisher ausgeschlossenen Bürger-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/129>, abgerufen am 22.07.2024.