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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Oesterreich und Preußen.



Es gibt in Deutschland wie in allen Ländern der Welt eine Kriegspartei,
die von den Zufällen, von der Verwirrung, von der Bedrängniß eines Krieges
sich einen raschem Umschwung der Verhältnisse verspricht und schnellere Zuge¬
ständnisse an das liberale Prinzip hoffen als ans dem zähen Wege friedlicher
Ordnung, Menschen mit Spieleruaturcn, die gerne d-mczne ruft, uneinge-
denk der Verluste, die deu Spieler bedrohen. Solche Kriegslustige haben gewiß
mit Bedauern gehört, daß Preußen an alle seine diplomatischen Agenten in Ita¬
lien die Weisung ergehen ließ, sich der österreichischen Diplomatie in den dor¬
tigen Ereignissen anzuschließen. Wir Oesterreicher, die wir für die Freiheit
vielleicht noch glühendere und innigere Wünsche haben als unsere Landsleute im
übrigen Deutschland, weil wir in einer hundertfach bedrängter" Lage uns befinden,
wir Oesterreicher wünschen nus dennoch vom Herzen Glück zu diesem innigeren An¬
schlusse der beiden deutschen Großmächte, in einem Augenblicke, wo die Gefahr,
obwohl keinesweges nahe, doch deu politischen Himmel etwas dunkler färbt. Es
ist wahrlich nicht die Furcht vor den italienischen Waffen, die uus diesen Glück¬
wunsch auspreßt, uoch weniger ist es der Wunsch, das absolute, stationäre, bc-
wegungSfeindliche Princip Oesterreichs in Italien herrschen oder gar den edlen
bcgeisteruugsvollen römischen Souverain bedrängen zu scheu.

Was uns in der Manifestation einer festeren Allianz mit Preußen erfrent,
ist der Beweis, daß Oesterreich keine unnatürlichen Allianzen sucht, sondern Hand
in Hand mit Deutschland die Wege seiner Zukunft gehen will, es ist die Ueber¬
zeugung, die uns wird, daß bei jeder auch noch so ferner Bedrohung eines äuße¬
ren Feindes und fremder Intriguen Preußen seine Bruderstellnug an der Seite
seines deutschen Nachbars einzunehmen sich beeilt. Nur auf solchem Wege können
wir Oesterreicher hoffen, die Bahn entschiedener Reformen in "ufercr nächsten
Zukunft betreten zu können. Abgeschlossen von Deutschland sind wir, wenn auch
nicht verloren -- denn kein Volk, auch das gescheitste, ist für die Geschichte ver¬
loren, sobald es sich zu fühlen beginnt -- aber einer unsichern, bedrohlichen, un¬
berechenbaren Zukunft heimgegeben, wie. ein Ballon, der seinen Ballast nicht mehr
hat und in unabsehbaren Regionen kreist. Deutschland ist unser Schwerpunkt.


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Oesterreich und Preußen.



Es gibt in Deutschland wie in allen Ländern der Welt eine Kriegspartei,
die von den Zufällen, von der Verwirrung, von der Bedrängniß eines Krieges
sich einen raschem Umschwung der Verhältnisse verspricht und schnellere Zuge¬
ständnisse an das liberale Prinzip hoffen als ans dem zähen Wege friedlicher
Ordnung, Menschen mit Spieleruaturcn, die gerne d-mczne ruft, uneinge-
denk der Verluste, die deu Spieler bedrohen. Solche Kriegslustige haben gewiß
mit Bedauern gehört, daß Preußen an alle seine diplomatischen Agenten in Ita¬
lien die Weisung ergehen ließ, sich der österreichischen Diplomatie in den dor¬
tigen Ereignissen anzuschließen. Wir Oesterreicher, die wir für die Freiheit
vielleicht noch glühendere und innigere Wünsche haben als unsere Landsleute im
übrigen Deutschland, weil wir in einer hundertfach bedrängter» Lage uns befinden,
wir Oesterreicher wünschen nus dennoch vom Herzen Glück zu diesem innigeren An¬
schlusse der beiden deutschen Großmächte, in einem Augenblicke, wo die Gefahr,
obwohl keinesweges nahe, doch deu politischen Himmel etwas dunkler färbt. Es
ist wahrlich nicht die Furcht vor den italienischen Waffen, die uus diesen Glück¬
wunsch auspreßt, uoch weniger ist es der Wunsch, das absolute, stationäre, bc-
wegungSfeindliche Princip Oesterreichs in Italien herrschen oder gar den edlen
bcgeisteruugsvollen römischen Souverain bedrängen zu scheu.

Was uns in der Manifestation einer festeren Allianz mit Preußen erfrent,
ist der Beweis, daß Oesterreich keine unnatürlichen Allianzen sucht, sondern Hand
in Hand mit Deutschland die Wege seiner Zukunft gehen will, es ist die Ueber¬
zeugung, die uns wird, daß bei jeder auch noch so ferner Bedrohung eines äuße¬
ren Feindes und fremder Intriguen Preußen seine Bruderstellnug an der Seite
seines deutschen Nachbars einzunehmen sich beeilt. Nur auf solchem Wege können
wir Oesterreicher hoffen, die Bahn entschiedener Reformen in »ufercr nächsten
Zukunft betreten zu können. Abgeschlossen von Deutschland sind wir, wenn auch
nicht verloren — denn kein Volk, auch das gescheitste, ist für die Geschichte ver¬
loren, sobald es sich zu fühlen beginnt — aber einer unsichern, bedrohlichen, un¬
berechenbaren Zukunft heimgegeben, wie. ein Ballon, der seinen Ballast nicht mehr
hat und in unabsehbaren Regionen kreist. Deutschland ist unser Schwerpunkt.


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[0083] Oesterreich und Preußen. Es gibt in Deutschland wie in allen Ländern der Welt eine Kriegspartei, die von den Zufällen, von der Verwirrung, von der Bedrängniß eines Krieges sich einen raschem Umschwung der Verhältnisse verspricht und schnellere Zuge¬ ständnisse an das liberale Prinzip hoffen als ans dem zähen Wege friedlicher Ordnung, Menschen mit Spieleruaturcn, die gerne d-mczne ruft, uneinge- denk der Verluste, die deu Spieler bedrohen. Solche Kriegslustige haben gewiß mit Bedauern gehört, daß Preußen an alle seine diplomatischen Agenten in Ita¬ lien die Weisung ergehen ließ, sich der österreichischen Diplomatie in den dor¬ tigen Ereignissen anzuschließen. Wir Oesterreicher, die wir für die Freiheit vielleicht noch glühendere und innigere Wünsche haben als unsere Landsleute im übrigen Deutschland, weil wir in einer hundertfach bedrängter» Lage uns befinden, wir Oesterreicher wünschen nus dennoch vom Herzen Glück zu diesem innigeren An¬ schlusse der beiden deutschen Großmächte, in einem Augenblicke, wo die Gefahr, obwohl keinesweges nahe, doch deu politischen Himmel etwas dunkler färbt. Es ist wahrlich nicht die Furcht vor den italienischen Waffen, die uus diesen Glück¬ wunsch auspreßt, uoch weniger ist es der Wunsch, das absolute, stationäre, bc- wegungSfeindliche Princip Oesterreichs in Italien herrschen oder gar den edlen bcgeisteruugsvollen römischen Souverain bedrängen zu scheu. Was uns in der Manifestation einer festeren Allianz mit Preußen erfrent, ist der Beweis, daß Oesterreich keine unnatürlichen Allianzen sucht, sondern Hand in Hand mit Deutschland die Wege seiner Zukunft gehen will, es ist die Ueber¬ zeugung, die uns wird, daß bei jeder auch noch so ferner Bedrohung eines äuße¬ ren Feindes und fremder Intriguen Preußen seine Bruderstellnug an der Seite seines deutschen Nachbars einzunehmen sich beeilt. Nur auf solchem Wege können wir Oesterreicher hoffen, die Bahn entschiedener Reformen in »ufercr nächsten Zukunft betreten zu können. Abgeschlossen von Deutschland sind wir, wenn auch nicht verloren — denn kein Volk, auch das gescheitste, ist für die Geschichte ver¬ loren, sobald es sich zu fühlen beginnt — aber einer unsichern, bedrohlichen, un¬ berechenbaren Zukunft heimgegeben, wie. ein Ballon, der seinen Ballast nicht mehr hat und in unabsehbaren Regionen kreist. Deutschland ist unser Schwerpunkt. 10"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/83>, abgerufen am 22.07.2024.