Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Ich muß noch einen Mann erwähnen, von dem zum großen Theil die geistige
Erhebung unsrer Provinz herrührt, und der nun als Privatmann eine Meile von
der Stadt ans seinem Landgut lebt, den Staatsminister v> Schön. Er ist ein
Staatsmann a"S der alten Stein'sehen Schule, entschieden gegen die Bevormun¬
dung des Volks von Seiten der Beamten eingenommen, voll edler Empfänglich¬
keit für alle Erscheinungen, worin sich Freiheit und Autonomie aussprechen, dem
Eorporalstock ebenso abgeneigt wie der detaillirten Polizeiwirthschaft, dabei aber
keineswegs den nivellirenden Ansichten des Liberalismus zugethan, im Gegeutheil
Aristokrat von altem Schrot und Korn, und in Bezug auf die Stellung des Adels
von der gegenwärtig dominire>idem Doctrin wohl nicht so weit entfernt, als seine
oppositionelle Stellung gegen dieselbe es vermuthen ließe. Die Anerkennung, die
seinen Verdiensten von den entgegengesetzten Seiten zu Theil geworden ist, trägt
auch eine Art von romantischem Anstrich: die Stände haben seiner Familie ein
Majorat gekauft, der König hat ihn zum Burggrafen von Marienburg ernannt.
Die Provinz hat seiner Verwaltung unendlich viel zu danke", und er ist deswegen
mit der Staatsregierung mehr als einmal in Conflict gerathen; die Angriffe, wel¬
che in einer vielgelesenen Flugschrift vor ein Paar Jahren gegen ihn erhoben wur¬
den, gingen von den Resten des alten Schönherr'scheu Mysticismus aus, dem er
freilich arg mitgespielt hatte, und erhielten nnr durch die Persönlichkeit der Da¬
me, unter deren Namen die Schrift erschien, einige Bedeutung. In seiner Per¬
sönlichkeit liegt nichts Ansprechendes, sein Auftreten ist eher schroff zu nennen als
wohlwollend. Aber leicht wird die Liebe durch Achtung ersetzt; auf dem Huldi-
gungslandtag vou 1840 war es doch vor allem das Gewicht seines Ansehns, wel¬
ches die große Einstimmigkeit in der Bitte um eine Verfassung bewirkte. Trotz
seines hohen Alters ist er noch immer nicht ohne Ehrgeiz, und ein gewisser ju¬
gendlicher Idealismus in Bezug auf die politische Entwickelung, der von den
Schwierigkeiten und Hemmnissen der empirischen Verhältnisse leicht absieht, gibt
ihm noch immer eine ungewöhnliche Frische. Ein eigentlicher Führer der Bewe¬
gung kaun er nicht mehr sein, das Uhrwerk der Zeit hat sich seit Stein mächtig
fortbewegt; doch hat er das Seinige gethan, und kann zufrieden auf sei" Tage¬
werk herabblicken.

Der Nachfolger eiues so verehrten Mannes, dessen politische Ansichten von
der ungeheuern Majorität der ganzen Provinz getheilt wurden, hatte natürlich
eine um so schwierigere Stellung, da man seine Berufung seiner Gefügigkeit ge¬
gen höhere Einflüsse zuschrieb. Es wurde von Hrn. Böttiger gesagt, was man
schon von manchem andern gehört hat, er sei in die tieferen Ideen des Königs am
meisten eingeweiht, und zu hohen Dingen berufen. Die Aufgabe wenigstens, in
der Provinz seinen Vorgänger vergessen zu machen, ist ihm nicht gelungen; seine
Stellung ist noch immer so prekär als zu Anfang seiner Wirksamkeit. In noch
weit höherem Grade gilt das von dem Polizeipräsidenten Lauterbach, der an


Ich muß noch einen Mann erwähnen, von dem zum großen Theil die geistige
Erhebung unsrer Provinz herrührt, und der nun als Privatmann eine Meile von
der Stadt ans seinem Landgut lebt, den Staatsminister v> Schön. Er ist ein
Staatsmann a»S der alten Stein'sehen Schule, entschieden gegen die Bevormun¬
dung des Volks von Seiten der Beamten eingenommen, voll edler Empfänglich¬
keit für alle Erscheinungen, worin sich Freiheit und Autonomie aussprechen, dem
Eorporalstock ebenso abgeneigt wie der detaillirten Polizeiwirthschaft, dabei aber
keineswegs den nivellirenden Ansichten des Liberalismus zugethan, im Gegeutheil
Aristokrat von altem Schrot und Korn, und in Bezug auf die Stellung des Adels
von der gegenwärtig dominire>idem Doctrin wohl nicht so weit entfernt, als seine
oppositionelle Stellung gegen dieselbe es vermuthen ließe. Die Anerkennung, die
seinen Verdiensten von den entgegengesetzten Seiten zu Theil geworden ist, trägt
auch eine Art von romantischem Anstrich: die Stände haben seiner Familie ein
Majorat gekauft, der König hat ihn zum Burggrafen von Marienburg ernannt.
Die Provinz hat seiner Verwaltung unendlich viel zu danke», und er ist deswegen
mit der Staatsregierung mehr als einmal in Conflict gerathen; die Angriffe, wel¬
che in einer vielgelesenen Flugschrift vor ein Paar Jahren gegen ihn erhoben wur¬
den, gingen von den Resten des alten Schönherr'scheu Mysticismus aus, dem er
freilich arg mitgespielt hatte, und erhielten nnr durch die Persönlichkeit der Da¬
me, unter deren Namen die Schrift erschien, einige Bedeutung. In seiner Per¬
sönlichkeit liegt nichts Ansprechendes, sein Auftreten ist eher schroff zu nennen als
wohlwollend. Aber leicht wird die Liebe durch Achtung ersetzt; auf dem Huldi-
gungslandtag vou 1840 war es doch vor allem das Gewicht seines Ansehns, wel¬
ches die große Einstimmigkeit in der Bitte um eine Verfassung bewirkte. Trotz
seines hohen Alters ist er noch immer nicht ohne Ehrgeiz, und ein gewisser ju¬
gendlicher Idealismus in Bezug auf die politische Entwickelung, der von den
Schwierigkeiten und Hemmnissen der empirischen Verhältnisse leicht absieht, gibt
ihm noch immer eine ungewöhnliche Frische. Ein eigentlicher Führer der Bewe¬
gung kaun er nicht mehr sein, das Uhrwerk der Zeit hat sich seit Stein mächtig
fortbewegt; doch hat er das Seinige gethan, und kann zufrieden auf sei» Tage¬
werk herabblicken.

Der Nachfolger eiues so verehrten Mannes, dessen politische Ansichten von
der ungeheuern Majorität der ganzen Provinz getheilt wurden, hatte natürlich
eine um so schwierigere Stellung, da man seine Berufung seiner Gefügigkeit ge¬
gen höhere Einflüsse zuschrieb. Es wurde von Hrn. Böttiger gesagt, was man
schon von manchem andern gehört hat, er sei in die tieferen Ideen des Königs am
meisten eingeweiht, und zu hohen Dingen berufen. Die Aufgabe wenigstens, in
der Provinz seinen Vorgänger vergessen zu machen, ist ihm nicht gelungen; seine
Stellung ist noch immer so prekär als zu Anfang seiner Wirksamkeit. In noch
weit höherem Grade gilt das von dem Polizeipräsidenten Lauterbach, der an


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0080" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184844"/>
            <p xml:id="ID_270"> Ich muß noch einen Mann erwähnen, von dem zum großen Theil die geistige<lb/>
Erhebung unsrer Provinz herrührt, und der nun als Privatmann eine Meile von<lb/>
der Stadt ans seinem Landgut lebt, den Staatsminister v&gt; Schön. Er ist ein<lb/>
Staatsmann a»S der alten Stein'sehen Schule, entschieden gegen die Bevormun¬<lb/>
dung des Volks von Seiten der Beamten eingenommen, voll edler Empfänglich¬<lb/>
keit für alle Erscheinungen, worin sich Freiheit und Autonomie aussprechen, dem<lb/>
Eorporalstock ebenso abgeneigt wie der detaillirten Polizeiwirthschaft, dabei aber<lb/>
keineswegs den nivellirenden Ansichten des Liberalismus zugethan, im Gegeutheil<lb/>
Aristokrat von altem Schrot und Korn, und in Bezug auf die Stellung des Adels<lb/>
von der gegenwärtig dominire&gt;idem Doctrin wohl nicht so weit entfernt, als seine<lb/>
oppositionelle Stellung gegen dieselbe es vermuthen ließe. Die Anerkennung, die<lb/>
seinen Verdiensten von den entgegengesetzten Seiten zu Theil geworden ist, trägt<lb/>
auch eine Art von romantischem Anstrich: die Stände haben seiner Familie ein<lb/>
Majorat gekauft, der König hat ihn zum Burggrafen von Marienburg ernannt.<lb/>
Die Provinz hat seiner Verwaltung unendlich viel zu danke», und er ist deswegen<lb/>
mit der Staatsregierung mehr als einmal in Conflict gerathen; die Angriffe, wel¬<lb/>
che in einer vielgelesenen Flugschrift vor ein Paar Jahren gegen ihn erhoben wur¬<lb/>
den, gingen von den Resten des alten Schönherr'scheu Mysticismus aus, dem er<lb/>
freilich arg mitgespielt hatte, und erhielten nnr durch die Persönlichkeit der Da¬<lb/>
me, unter deren Namen die Schrift erschien, einige Bedeutung. In seiner Per¬<lb/>
sönlichkeit liegt nichts Ansprechendes, sein Auftreten ist eher schroff zu nennen als<lb/>
wohlwollend. Aber leicht wird die Liebe durch Achtung ersetzt; auf dem Huldi-<lb/>
gungslandtag vou 1840 war es doch vor allem das Gewicht seines Ansehns, wel¬<lb/>
ches die große Einstimmigkeit in der Bitte um eine Verfassung bewirkte. Trotz<lb/>
seines hohen Alters ist er noch immer nicht ohne Ehrgeiz, und ein gewisser ju¬<lb/>
gendlicher Idealismus in Bezug auf die politische Entwickelung, der von den<lb/>
Schwierigkeiten und Hemmnissen der empirischen Verhältnisse leicht absieht, gibt<lb/>
ihm noch immer eine ungewöhnliche Frische. Ein eigentlicher Führer der Bewe¬<lb/>
gung kaun er nicht mehr sein, das Uhrwerk der Zeit hat sich seit Stein mächtig<lb/>
fortbewegt; doch hat er das Seinige gethan, und kann zufrieden auf sei» Tage¬<lb/>
werk herabblicken.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_271" next="#ID_272"> Der Nachfolger eiues so verehrten Mannes, dessen politische Ansichten von<lb/>
der ungeheuern Majorität der ganzen Provinz getheilt wurden, hatte natürlich<lb/>
eine um so schwierigere Stellung, da man seine Berufung seiner Gefügigkeit ge¬<lb/>
gen höhere Einflüsse zuschrieb. Es wurde von Hrn. Böttiger gesagt, was man<lb/>
schon von manchem andern gehört hat, er sei in die tieferen Ideen des Königs am<lb/>
meisten eingeweiht, und zu hohen Dingen berufen. Die Aufgabe wenigstens, in<lb/>
der Provinz seinen Vorgänger vergessen zu machen, ist ihm nicht gelungen; seine<lb/>
Stellung ist noch immer so prekär als zu Anfang seiner Wirksamkeit. In noch<lb/>
weit höherem Grade gilt das von dem Polizeipräsidenten Lauterbach, der an</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0080] Ich muß noch einen Mann erwähnen, von dem zum großen Theil die geistige Erhebung unsrer Provinz herrührt, und der nun als Privatmann eine Meile von der Stadt ans seinem Landgut lebt, den Staatsminister v> Schön. Er ist ein Staatsmann a»S der alten Stein'sehen Schule, entschieden gegen die Bevormun¬ dung des Volks von Seiten der Beamten eingenommen, voll edler Empfänglich¬ keit für alle Erscheinungen, worin sich Freiheit und Autonomie aussprechen, dem Eorporalstock ebenso abgeneigt wie der detaillirten Polizeiwirthschaft, dabei aber keineswegs den nivellirenden Ansichten des Liberalismus zugethan, im Gegeutheil Aristokrat von altem Schrot und Korn, und in Bezug auf die Stellung des Adels von der gegenwärtig dominire>idem Doctrin wohl nicht so weit entfernt, als seine oppositionelle Stellung gegen dieselbe es vermuthen ließe. Die Anerkennung, die seinen Verdiensten von den entgegengesetzten Seiten zu Theil geworden ist, trägt auch eine Art von romantischem Anstrich: die Stände haben seiner Familie ein Majorat gekauft, der König hat ihn zum Burggrafen von Marienburg ernannt. Die Provinz hat seiner Verwaltung unendlich viel zu danke», und er ist deswegen mit der Staatsregierung mehr als einmal in Conflict gerathen; die Angriffe, wel¬ che in einer vielgelesenen Flugschrift vor ein Paar Jahren gegen ihn erhoben wur¬ den, gingen von den Resten des alten Schönherr'scheu Mysticismus aus, dem er freilich arg mitgespielt hatte, und erhielten nnr durch die Persönlichkeit der Da¬ me, unter deren Namen die Schrift erschien, einige Bedeutung. In seiner Per¬ sönlichkeit liegt nichts Ansprechendes, sein Auftreten ist eher schroff zu nennen als wohlwollend. Aber leicht wird die Liebe durch Achtung ersetzt; auf dem Huldi- gungslandtag vou 1840 war es doch vor allem das Gewicht seines Ansehns, wel¬ ches die große Einstimmigkeit in der Bitte um eine Verfassung bewirkte. Trotz seines hohen Alters ist er noch immer nicht ohne Ehrgeiz, und ein gewisser ju¬ gendlicher Idealismus in Bezug auf die politische Entwickelung, der von den Schwierigkeiten und Hemmnissen der empirischen Verhältnisse leicht absieht, gibt ihm noch immer eine ungewöhnliche Frische. Ein eigentlicher Führer der Bewe¬ gung kaun er nicht mehr sein, das Uhrwerk der Zeit hat sich seit Stein mächtig fortbewegt; doch hat er das Seinige gethan, und kann zufrieden auf sei» Tage¬ werk herabblicken. Der Nachfolger eiues so verehrten Mannes, dessen politische Ansichten von der ungeheuern Majorität der ganzen Provinz getheilt wurden, hatte natürlich eine um so schwierigere Stellung, da man seine Berufung seiner Gefügigkeit ge¬ gen höhere Einflüsse zuschrieb. Es wurde von Hrn. Böttiger gesagt, was man schon von manchem andern gehört hat, er sei in die tieferen Ideen des Königs am meisten eingeweiht, und zu hohen Dingen berufen. Die Aufgabe wenigstens, in der Provinz seinen Vorgänger vergessen zu machen, ist ihm nicht gelungen; seine Stellung ist noch immer so prekär als zu Anfang seiner Wirksamkeit. In noch weit höherem Grade gilt das von dem Polizeipräsidenten Lauterbach, der an

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/80
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/80>, abgerufen am 22.07.2024.