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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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studentische Freiheit als ein Palladium vor der Schnlzucht zu bewahren, mit der
Zeit einen großen Theil der Universitäts-Thätigkeit absorbiren werden, und zwar
nur zum Nutze" derselben.

Von den jüngern Docenten der Geschichte ist nicht viel zu sage"; nur einer
derselben, der jüngste, Pollux Topper, der schon in Zeitschriften eine Reihe
von Monographieen zur preußischen Geschichte veröffentlicht hat, zeigt in seiner
Dissertation i>o<> v-um -- bei welcher Gelegenheit sonst gewöhnlich etwas Trivia¬
les aufgetischt wird -- "OKi^-r et"z tiistmiir üjm-ussmo null^un", einen bei einem
jungen Gelehrten auffallenden historischen Tacte.

Die Jurisprudenz erfreut sich keiner besondern Lichter, dagegen erfreuen sich
die Jünger dieses Metiers einer beispiellosen Faulheit, da sie, mit wenigen Aus¬
nahmen, die überall vorkommen, das ganze juristische Studium ans das letzte
Semester des Trienniums hinausschieben. Ueberhaupt herrscht im Studentenleben
im Ganzen eine gewisse rohe Gemüthlichkeit, die zwar ihre sehr anerkennenswer-
ther Seiten hat, die aber in wissenschaftlicher Beziehung zu einer unglaublichen
Lethargie führt. Der größere Theil der Studenten ist in Landsmannschaften, in
welchen die Schul-Lustbarkeiten, Noutieniren ze. in vergrößertem Maßstabe fort¬
gesetzt werden; so in dem hochachtbaren Corps der Litthauer nud Massuren; an¬
dere Corps sollen zwar ideelle romantische Namen führen, Schotten, Normanen :e.,
aber sie bilden sich doch in der Regel ans bestimmten Gymnasien und führen den
alten PeuualisinuS weiter fort, nnr daß aus der commcutmäßigen Opposition
gegen die Lehrer hier sich die Zerstörungslust ans die Nasen und Ohren der
Commilitonen wendet. Die sogenannten Kameele, d. h. die in keiner Verbindung
stehenden, sind im Durchschnitt keinesweges besser zu taxiren, da ihnen noch der
zwar einseitige, aber immer positive sittliche Halt abgeht, der doch in einer Ver¬
bindung stets in einem gewissen Grade zu finden ist. Auch Burschenschafter tau¬
chen von Zeit zu Zeit ans, wie ich höre, mit der Tendenz, das wald-ursprünglich
sausculoltische Bier durch den Spiritualismus des Grog's und des Wein's zu
verdrängen. Im Ganzen herrscht unter den näherstehenden Studenten eine große
Brüderlichkeit, die bei vielem Fratzenhaften anch einen sehr realen, schönen Grund hat.
Von der genial excentrischen Roheit, in welcher sich in alten Zeiten das Stu-
dentenleben bewegte, ist jetzt keine Spur mehr, die letzte Verbindung, in welcher
sie hier ihren Ausdruck faud, die Borussia, ging aus Mangel an Stoff zu Grabe.
Die nachteiligste Seite des Verbindungswesens ist wohl, daß sie einerseits die
Pedanterie und Philiströsität befördert, die eben darin besteht, daß man gleich¬
gültige Dinge gravitätisch behandelt, andererseits die phantastische Liederlichkeit,
doch kann mau sie in maucher Beziehung als ephemere Kraftübung wohl gel¬
ten lassen.

Dem Universitätsrichter Becker muß die Anerkennung zu Theil werden,


studentische Freiheit als ein Palladium vor der Schnlzucht zu bewahren, mit der
Zeit einen großen Theil der Universitäts-Thätigkeit absorbiren werden, und zwar
nur zum Nutze« derselben.

Von den jüngern Docenten der Geschichte ist nicht viel zu sage»; nur einer
derselben, der jüngste, Pollux Topper, der schon in Zeitschriften eine Reihe
von Monographieen zur preußischen Geschichte veröffentlicht hat, zeigt in seiner
Dissertation i>o<> v-um — bei welcher Gelegenheit sonst gewöhnlich etwas Trivia¬
les aufgetischt wird — „OKi^-r et«z tiistmiir üjm-ussmo null^un", einen bei einem
jungen Gelehrten auffallenden historischen Tacte.

Die Jurisprudenz erfreut sich keiner besondern Lichter, dagegen erfreuen sich
die Jünger dieses Metiers einer beispiellosen Faulheit, da sie, mit wenigen Aus¬
nahmen, die überall vorkommen, das ganze juristische Studium ans das letzte
Semester des Trienniums hinausschieben. Ueberhaupt herrscht im Studentenleben
im Ganzen eine gewisse rohe Gemüthlichkeit, die zwar ihre sehr anerkennenswer-
ther Seiten hat, die aber in wissenschaftlicher Beziehung zu einer unglaublichen
Lethargie führt. Der größere Theil der Studenten ist in Landsmannschaften, in
welchen die Schul-Lustbarkeiten, Noutieniren ze. in vergrößertem Maßstabe fort¬
gesetzt werden; so in dem hochachtbaren Corps der Litthauer nud Massuren; an¬
dere Corps sollen zwar ideelle romantische Namen führen, Schotten, Normanen :e.,
aber sie bilden sich doch in der Regel ans bestimmten Gymnasien und führen den
alten PeuualisinuS weiter fort, nnr daß aus der commcutmäßigen Opposition
gegen die Lehrer hier sich die Zerstörungslust ans die Nasen und Ohren der
Commilitonen wendet. Die sogenannten Kameele, d. h. die in keiner Verbindung
stehenden, sind im Durchschnitt keinesweges besser zu taxiren, da ihnen noch der
zwar einseitige, aber immer positive sittliche Halt abgeht, der doch in einer Ver¬
bindung stets in einem gewissen Grade zu finden ist. Auch Burschenschafter tau¬
chen von Zeit zu Zeit ans, wie ich höre, mit der Tendenz, das wald-ursprünglich
sausculoltische Bier durch den Spiritualismus des Grog's und des Wein's zu
verdrängen. Im Ganzen herrscht unter den näherstehenden Studenten eine große
Brüderlichkeit, die bei vielem Fratzenhaften anch einen sehr realen, schönen Grund hat.
Von der genial excentrischen Roheit, in welcher sich in alten Zeiten das Stu-
dentenleben bewegte, ist jetzt keine Spur mehr, die letzte Verbindung, in welcher
sie hier ihren Ausdruck faud, die Borussia, ging aus Mangel an Stoff zu Grabe.
Die nachteiligste Seite des Verbindungswesens ist wohl, daß sie einerseits die
Pedanterie und Philiströsität befördert, die eben darin besteht, daß man gleich¬
gültige Dinge gravitätisch behandelt, andererseits die phantastische Liederlichkeit,
doch kann mau sie in maucher Beziehung als ephemere Kraftübung wohl gel¬
ten lassen.

Dem Universitätsrichter Becker muß die Anerkennung zu Theil werden,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/76>, abgerufen am 22.07.2024.