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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Königsberg und feine Männer.
n.

(Fortsetzung et"d Schluji,)

In dem verflossene" Jahrzehend hatte unsere Universität ihren Uns vorzüg¬
lich wegen der mathematischen Docenten. Bessel galt als der geistvollste unter
den lebenden Astronomen, ja Viele wollten ihn den größten Heroen der Wissen¬
schaft wenigstens an die Seite setzen. Jacoby war unbedingt einer der bedeu¬
tendsten Anualytiker. Jetzt ist der eine todt -- und als sein schönstes und wür¬
digstes Denkmal steht seine Sternwarte an unsern Wällen; der andere ist in
Berlin. Wenn auch die unmittelbare Einwirkung jener Männer ans die Univer¬
sität nicht groß zu nennen war, denn die Zahl der Mathematiker ist, selbst wenn
so mancher von fern her der Anziehungskraft eines bedeutenden Lehrers folgt,
immer gering, so trägt doch schon der Nimbus eines Mannes viel dazu bei, die
Universität zu heben.

In der Physik hat Moser, einer unserer jungen Docenten, durch seine
Lichttheorie, zu der er durch Erfindung des Dagnerreotyps veranlaßt wurde, sich
einen wettern Namen innerhalb der wissenschaftlichen Welt erworben. Doch werden
im Ganzen die Naturwissenschaften bei "us, trotz mancher tüchtigen Docenten,
nur als Appendix zu dem praktischen Studium der Medicin betrachtet. Die Me¬
dicin wurde bis dahin vorzugsweise durch einen höchst geistreichen Mann vertre¬
ten, Sachs, der dnrch seine öffentlichen, populär gehaltenen Vorträge über
Gegenstände, die zu seiner Wissenschaft in irgend einer nahen oder fernen Be¬
rührung standen, einen weiten Kreis gebildeter Zuhörer nur sich versammelte, und
den Ernst der Wissenschaft, ohne ihn im mindesten herabzuwürdigen, durch sprü¬
henden Witz zu beleben wußte. Seine medicinischen Ansichten waren etwas idea¬
listischer Natur, und namentlich in der letzten Zeit wurde es bei den jungen
Mediciner: allgemein Sitte, in den letzten Jahren ihrer Studienzeit nach Halle
zu Krukenberg zu gehen, oder nach Berlin, ein Gebrauch, der früher mit unserm
abstract localen Patriotismus gar nicht stimmen wollte. Jetzt ist Sachs wegen
seines krankhaften Zustandes für die Universität verloren. Der Direktor der chi¬
rurgischen Klinik, Serig, ist weniger seiner wissenschaftlichen Leistungen wegen
bekannt, als in der Qualität einer originell-phantastischen Figur.


Königsberg und feine Männer.
n.

(Fortsetzung et»d Schluji,)

In dem verflossene» Jahrzehend hatte unsere Universität ihren Uns vorzüg¬
lich wegen der mathematischen Docenten. Bessel galt als der geistvollste unter
den lebenden Astronomen, ja Viele wollten ihn den größten Heroen der Wissen¬
schaft wenigstens an die Seite setzen. Jacoby war unbedingt einer der bedeu¬
tendsten Anualytiker. Jetzt ist der eine todt — und als sein schönstes und wür¬
digstes Denkmal steht seine Sternwarte an unsern Wällen; der andere ist in
Berlin. Wenn auch die unmittelbare Einwirkung jener Männer ans die Univer¬
sität nicht groß zu nennen war, denn die Zahl der Mathematiker ist, selbst wenn
so mancher von fern her der Anziehungskraft eines bedeutenden Lehrers folgt,
immer gering, so trägt doch schon der Nimbus eines Mannes viel dazu bei, die
Universität zu heben.

In der Physik hat Moser, einer unserer jungen Docenten, durch seine
Lichttheorie, zu der er durch Erfindung des Dagnerreotyps veranlaßt wurde, sich
einen wettern Namen innerhalb der wissenschaftlichen Welt erworben. Doch werden
im Ganzen die Naturwissenschaften bei »us, trotz mancher tüchtigen Docenten,
nur als Appendix zu dem praktischen Studium der Medicin betrachtet. Die Me¬
dicin wurde bis dahin vorzugsweise durch einen höchst geistreichen Mann vertre¬
ten, Sachs, der dnrch seine öffentlichen, populär gehaltenen Vorträge über
Gegenstände, die zu seiner Wissenschaft in irgend einer nahen oder fernen Be¬
rührung standen, einen weiten Kreis gebildeter Zuhörer nur sich versammelte, und
den Ernst der Wissenschaft, ohne ihn im mindesten herabzuwürdigen, durch sprü¬
henden Witz zu beleben wußte. Seine medicinischen Ansichten waren etwas idea¬
listischer Natur, und namentlich in der letzten Zeit wurde es bei den jungen
Mediciner: allgemein Sitte, in den letzten Jahren ihrer Studienzeit nach Halle
zu Krukenberg zu gehen, oder nach Berlin, ein Gebrauch, der früher mit unserm
abstract localen Patriotismus gar nicht stimmen wollte. Jetzt ist Sachs wegen
seines krankhaften Zustandes für die Universität verloren. Der Direktor der chi¬
rurgischen Klinik, Serig, ist weniger seiner wissenschaftlichen Leistungen wegen
bekannt, als in der Qualität einer originell-phantastischen Figur.


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[0070] Königsberg und feine Männer. n. (Fortsetzung et»d Schluji,) In dem verflossene» Jahrzehend hatte unsere Universität ihren Uns vorzüg¬ lich wegen der mathematischen Docenten. Bessel galt als der geistvollste unter den lebenden Astronomen, ja Viele wollten ihn den größten Heroen der Wissen¬ schaft wenigstens an die Seite setzen. Jacoby war unbedingt einer der bedeu¬ tendsten Anualytiker. Jetzt ist der eine todt — und als sein schönstes und wür¬ digstes Denkmal steht seine Sternwarte an unsern Wällen; der andere ist in Berlin. Wenn auch die unmittelbare Einwirkung jener Männer ans die Univer¬ sität nicht groß zu nennen war, denn die Zahl der Mathematiker ist, selbst wenn so mancher von fern her der Anziehungskraft eines bedeutenden Lehrers folgt, immer gering, so trägt doch schon der Nimbus eines Mannes viel dazu bei, die Universität zu heben. In der Physik hat Moser, einer unserer jungen Docenten, durch seine Lichttheorie, zu der er durch Erfindung des Dagnerreotyps veranlaßt wurde, sich einen wettern Namen innerhalb der wissenschaftlichen Welt erworben. Doch werden im Ganzen die Naturwissenschaften bei »us, trotz mancher tüchtigen Docenten, nur als Appendix zu dem praktischen Studium der Medicin betrachtet. Die Me¬ dicin wurde bis dahin vorzugsweise durch einen höchst geistreichen Mann vertre¬ ten, Sachs, der dnrch seine öffentlichen, populär gehaltenen Vorträge über Gegenstände, die zu seiner Wissenschaft in irgend einer nahen oder fernen Be¬ rührung standen, einen weiten Kreis gebildeter Zuhörer nur sich versammelte, und den Ernst der Wissenschaft, ohne ihn im mindesten herabzuwürdigen, durch sprü¬ henden Witz zu beleben wußte. Seine medicinischen Ansichten waren etwas idea¬ listischer Natur, und namentlich in der letzten Zeit wurde es bei den jungen Mediciner: allgemein Sitte, in den letzten Jahren ihrer Studienzeit nach Halle zu Krukenberg zu gehen, oder nach Berlin, ein Gebrauch, der früher mit unserm abstract localen Patriotismus gar nicht stimmen wollte. Jetzt ist Sachs wegen seines krankhaften Zustandes für die Universität verloren. Der Direktor der chi¬ rurgischen Klinik, Serig, ist weniger seiner wissenschaftlichen Leistungen wegen bekannt, als in der Qualität einer originell-phantastischen Figur.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/70>, abgerufen am 22.07.2024.