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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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und an das Hambacherfest erinnerte, die das preußische Landrecht jedenfalls mit
Verlust der Nationalkokarde und mehrjährigem Fcstnngöarrest geahndet hätte.

Wir hatten gerade das alte schöne Bnrschenschaftslied von Binzer: "Wir
hatten gebauet ein stattliches Haus" gesungen, und als l'ni der letzten Strophe
die Gläser aneinander klangen, da klangen auch die Herzen zusammen, und wir
fühlten in unserer Brust etwas rege", das an die Zeiten von Hütten und Münzer
erinnerte. Unser blasser, taciteischcr Philologe sprang auf und sprach Worte,
welche Fürsten und Minister wahrlich ängstlich gemacht haben würden, wären sie
ihnen zu Ohren gekommen. Sie machten auch in unserer aufgeregten Stimmung
einen großen Eindruck auf uns Alle, so daß ich jetzt noch nach vielen Jahren mir
zutraue, die ganze Rede hier wörtlich niederzuschreiben.

"Meine Freunde! Wir wollen hier nicht schwärmen und unsere Ueberzeugung
mit Begeisterung vertauschen, sondern mit ruhigem und klarem Sinne das Bild
dieser Nacht in unser Herz eingraben, daß wir ewig darau denken und nie un¬
serer Ueberzeugung, wie unserer Freundschaft untreu werden. Vergessen wir nie
diese Stunde! Wir werden auseinandergehen und uns verlieren in den Alltäglich¬
keiten und Erbärmlichkeiten des Lebens; -- was soll uns da zusammenhalten,
wenn nicht die Erinnerung an unsere Freundschaft, die Liebe zur Freiheit und
die Hoffnung auf die Zukunft? -- Das Leben wird sich Mühe geben, auch uus
unter sein Joch zu bringen; es wird uns seine Schätze und seine Schmach bieten,
um auch uns zum Dienst der Mode und des Vorurtheils zu bewegen; -- leicht
schleicht sich trügerische Sophistik in das Herz des Menschen, welche räth, sich der
Knechtschaft zu unterwerfen, um in den Stand gesetzt zu sein, sie mildern zu kön¬
nen. Da gilt es starr und eigensinnig zu sein, um Manneswürde und Ueber¬
zeugung zu rette"; da gilt es, selbst Vater und Muter zu trotzen, damit doch
wenigstens eine Stelle in der Welt zu finden ist, wo die Tyrannei keine Macht
hat und das Gold keinen Werth. Drum sei uus diese Stunde heilig, wo wir
uns gegenseitig bei unserer Freundschaft und Ehre verpflichtet haben, nie der
herrschenden Gewalt Concessionen zu machen, wo wir die Macht aus den Händen
gegeben haben, unsere Ueberzeugung zu ändern."

Ein donnerndes Hoch auf die Freiheit antwortete dem Redner, und wir ge¬
lobten uns Alle auf Manueswort und Ehre, nie Philister werden zu wollen, nie
unsere Ueberzeugungen und Ansichten zu verheimlichen, nie den bestehenden politi¬
schen Behältnissen dienstbar zu werden. Es war etwas von Fanatismus in uns,
der uns diese Schwüre entlockte; wir schwärmten, aber diese Schwärmerei hatte
ihre Berechtigung in sich; unser Blut war heiß und die Nacht lag schön wie ein
Mährchen um uns her; jeder ruhige überlegende Gedanke wäre hier eine Gefühl¬
losigkeit gewesen.

Wir schieden von einander; Jeder von uns schien mir dem Verderben ge-


und an das Hambacherfest erinnerte, die das preußische Landrecht jedenfalls mit
Verlust der Nationalkokarde und mehrjährigem Fcstnngöarrest geahndet hätte.

Wir hatten gerade das alte schöne Bnrschenschaftslied von Binzer: „Wir
hatten gebauet ein stattliches Haus" gesungen, und als l'ni der letzten Strophe
die Gläser aneinander klangen, da klangen auch die Herzen zusammen, und wir
fühlten in unserer Brust etwas rege», das an die Zeiten von Hütten und Münzer
erinnerte. Unser blasser, taciteischcr Philologe sprang auf und sprach Worte,
welche Fürsten und Minister wahrlich ängstlich gemacht haben würden, wären sie
ihnen zu Ohren gekommen. Sie machten auch in unserer aufgeregten Stimmung
einen großen Eindruck auf uns Alle, so daß ich jetzt noch nach vielen Jahren mir
zutraue, die ganze Rede hier wörtlich niederzuschreiben.

„Meine Freunde! Wir wollen hier nicht schwärmen und unsere Ueberzeugung
mit Begeisterung vertauschen, sondern mit ruhigem und klarem Sinne das Bild
dieser Nacht in unser Herz eingraben, daß wir ewig darau denken und nie un¬
serer Ueberzeugung, wie unserer Freundschaft untreu werden. Vergessen wir nie
diese Stunde! Wir werden auseinandergehen und uns verlieren in den Alltäglich¬
keiten und Erbärmlichkeiten des Lebens; — was soll uns da zusammenhalten,
wenn nicht die Erinnerung an unsere Freundschaft, die Liebe zur Freiheit und
die Hoffnung auf die Zukunft? — Das Leben wird sich Mühe geben, auch uus
unter sein Joch zu bringen; es wird uns seine Schätze und seine Schmach bieten,
um auch uns zum Dienst der Mode und des Vorurtheils zu bewegen; — leicht
schleicht sich trügerische Sophistik in das Herz des Menschen, welche räth, sich der
Knechtschaft zu unterwerfen, um in den Stand gesetzt zu sein, sie mildern zu kön¬
nen. Da gilt es starr und eigensinnig zu sein, um Manneswürde und Ueber¬
zeugung zu rette»; da gilt es, selbst Vater und Muter zu trotzen, damit doch
wenigstens eine Stelle in der Welt zu finden ist, wo die Tyrannei keine Macht
hat und das Gold keinen Werth. Drum sei uus diese Stunde heilig, wo wir
uns gegenseitig bei unserer Freundschaft und Ehre verpflichtet haben, nie der
herrschenden Gewalt Concessionen zu machen, wo wir die Macht aus den Händen
gegeben haben, unsere Ueberzeugung zu ändern."

Ein donnerndes Hoch auf die Freiheit antwortete dem Redner, und wir ge¬
lobten uns Alle auf Manueswort und Ehre, nie Philister werden zu wollen, nie
unsere Ueberzeugungen und Ansichten zu verheimlichen, nie den bestehenden politi¬
schen Behältnissen dienstbar zu werden. Es war etwas von Fanatismus in uns,
der uns diese Schwüre entlockte; wir schwärmten, aber diese Schwärmerei hatte
ihre Berechtigung in sich; unser Blut war heiß und die Nacht lag schön wie ein
Mährchen um uns her; jeder ruhige überlegende Gedanke wäre hier eine Gefühl¬
losigkeit gewesen.

Wir schieden von einander; Jeder von uns schien mir dem Verderben ge-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/67>, abgerufen am 22.07.2024.