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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Einberühmter Bruder.
Silhouette.



Es gibt für ein einfaches Menschenkind kein größeres Unglück, als der Sohn,
d>r Bruder, der Vetter eines berühmten Mannes zu sein. Gesetzt Du hast einen
Büder, der berühmt ist durch seine Tugenden, seine Talente, oder ohne daß man
eicxntlich wüßte, warum. Dieser Bruder heißt Franz Bauer. Du heißt Moritz
od"r Herrmann Bauer.

Du machst Deinen Besuch in irgend einem Hause.

Man meldet Herrn Bauer. Bei diesem Namen: Bauer! erhebt sich der ganze
Saal; die angefangene Quadrille hält an, eine schone Tänzerin verfehlt ihre Tour
-- man murmelt: Bauer! -- Ah! Bauer kommt Hieher!

Die Damen werfen einen Seitenblick in die Spiegel.

Aber ein Herr sagt: Das ist nicht Bauer. Mit dem bin ich genau bekannt.
Ich habe noch vorgestern mit ihm gespeißt.

Aber man hat doch Herrn Bauer angemeldet.

Ja, aber es ist nnr sein Bruder.

Ah! sein Bruder!

Es ist nichts, es ist sein Bruder.

Und alle Welt ist gegen Dich eingenommen, als ob Du sie gefoppt hättest;
wem: es ginge, man würde Dich gern auspfeifen. Ich erinnere mich eines Vor¬
falls in dem Theater eines kleinen Städtchens. Die Schauspielertruppe hatte für
die Abendvorstellung: Die weiße Dame, Oper in 3 Acten; Musik von Boieldieu
angekündigt.

Man drängt sich massenweise in's Theater. Der Vorhang geht auf. Ein
Schauspieler tritt ans und sagt: "Lasset die Hörner erschallen. Die Bergbewohner
sind vereint, festlich urit der Taufe ein Kind zu weihen." Bald darauf sagt eine
andere Person: "Bei meiner Seele, es ist ein sehr schöner Stand, das Militär."
Was Tausend! sagt ein Zuschauer, der das Stück in Berlin gesehen hatte, das
war ja in Versen: "Ah welche Lust, ah welche Lust Soldat zu sein!" Diese
Bemerkung geht von Munde zu Munde, man pfeift, man schreit, man pocht; der
Regisseur wird gerufen. Der Regisseur erscheint, macht drei Verbeugungen und.
sagt: Was befehlen die Herren? -- Musik! Muff!


Einberühmter Bruder.
Silhouette.



Es gibt für ein einfaches Menschenkind kein größeres Unglück, als der Sohn,
d>r Bruder, der Vetter eines berühmten Mannes zu sein. Gesetzt Du hast einen
Büder, der berühmt ist durch seine Tugenden, seine Talente, oder ohne daß man
eicxntlich wüßte, warum. Dieser Bruder heißt Franz Bauer. Du heißt Moritz
od«r Herrmann Bauer.

Du machst Deinen Besuch in irgend einem Hause.

Man meldet Herrn Bauer. Bei diesem Namen: Bauer! erhebt sich der ganze
Saal; die angefangene Quadrille hält an, eine schone Tänzerin verfehlt ihre Tour
— man murmelt: Bauer! — Ah! Bauer kommt Hieher!

Die Damen werfen einen Seitenblick in die Spiegel.

Aber ein Herr sagt: Das ist nicht Bauer. Mit dem bin ich genau bekannt.
Ich habe noch vorgestern mit ihm gespeißt.

Aber man hat doch Herrn Bauer angemeldet.

Ja, aber es ist nnr sein Bruder.

Ah! sein Bruder!

Es ist nichts, es ist sein Bruder.

Und alle Welt ist gegen Dich eingenommen, als ob Du sie gefoppt hättest;
wem: es ginge, man würde Dich gern auspfeifen. Ich erinnere mich eines Vor¬
falls in dem Theater eines kleinen Städtchens. Die Schauspielertruppe hatte für
die Abendvorstellung: Die weiße Dame, Oper in 3 Acten; Musik von Boieldieu
angekündigt.

Man drängt sich massenweise in's Theater. Der Vorhang geht auf. Ein
Schauspieler tritt ans und sagt: „Lasset die Hörner erschallen. Die Bergbewohner
sind vereint, festlich urit der Taufe ein Kind zu weihen." Bald darauf sagt eine
andere Person: „Bei meiner Seele, es ist ein sehr schöner Stand, das Militär."
Was Tausend! sagt ein Zuschauer, der das Stück in Berlin gesehen hatte, das
war ja in Versen: „Ah welche Lust, ah welche Lust Soldat zu sein!" Diese
Bemerkung geht von Munde zu Munde, man pfeift, man schreit, man pocht; der
Regisseur wird gerufen. Der Regisseur erscheint, macht drei Verbeugungen und.
sagt: Was befehlen die Herren? — Musik! Muff!


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[0529] Einberühmter Bruder. Silhouette. Es gibt für ein einfaches Menschenkind kein größeres Unglück, als der Sohn, d>r Bruder, der Vetter eines berühmten Mannes zu sein. Gesetzt Du hast einen Büder, der berühmt ist durch seine Tugenden, seine Talente, oder ohne daß man eicxntlich wüßte, warum. Dieser Bruder heißt Franz Bauer. Du heißt Moritz od«r Herrmann Bauer. Du machst Deinen Besuch in irgend einem Hause. Man meldet Herrn Bauer. Bei diesem Namen: Bauer! erhebt sich der ganze Saal; die angefangene Quadrille hält an, eine schone Tänzerin verfehlt ihre Tour — man murmelt: Bauer! — Ah! Bauer kommt Hieher! Die Damen werfen einen Seitenblick in die Spiegel. Aber ein Herr sagt: Das ist nicht Bauer. Mit dem bin ich genau bekannt. Ich habe noch vorgestern mit ihm gespeißt. Aber man hat doch Herrn Bauer angemeldet. Ja, aber es ist nnr sein Bruder. Ah! sein Bruder! Es ist nichts, es ist sein Bruder. Und alle Welt ist gegen Dich eingenommen, als ob Du sie gefoppt hättest; wem: es ginge, man würde Dich gern auspfeifen. Ich erinnere mich eines Vor¬ falls in dem Theater eines kleinen Städtchens. Die Schauspielertruppe hatte für die Abendvorstellung: Die weiße Dame, Oper in 3 Acten; Musik von Boieldieu angekündigt. Man drängt sich massenweise in's Theater. Der Vorhang geht auf. Ein Schauspieler tritt ans und sagt: „Lasset die Hörner erschallen. Die Bergbewohner sind vereint, festlich urit der Taufe ein Kind zu weihen." Bald darauf sagt eine andere Person: „Bei meiner Seele, es ist ein sehr schöner Stand, das Militär." Was Tausend! sagt ein Zuschauer, der das Stück in Berlin gesehen hatte, das war ja in Versen: „Ah welche Lust, ah welche Lust Soldat zu sein!" Diese Bemerkung geht von Munde zu Munde, man pfeift, man schreit, man pocht; der Regisseur wird gerufen. Der Regisseur erscheint, macht drei Verbeugungen und. sagt: Was befehlen die Herren? — Musik! Muff!

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/529>, abgerufen am 22.07.2024.