Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band. Vergessen hat auf harten Unglücksbahnen Uns der Messias, den die Schrift verhieß: O Harren, tausend Jahr! Die Zeiten luden Auf Juda's Schultern nur noch arg're Last, Die Kinder Baal's, sie haßten nicht die Juden, Wie jetzt der Christ den jüd'schen Bruder haßt! Was wird aus uns in dieser Zeit der Schmerzen, Inmitten all' der kämpfenden Partei'n? Ach, jede Waffe zuckt nach unsrem Herzen, Und jeder Glaube wirft uach uns den Stein! Und ward am Markt der Laib des Brodes theuer -- Gleich nutzt die freche Gier des Volkes Wahn; Ist schlecht die Ernte, karg die Frucht der Scheuer -- Gleich tönt der Ruf: der Jud' ist schuld daran! Vom Christenkind, zum Passahfest geschlachtet, Ein neues Mährchen weiß der Frevelmuth, Die Kirche, die nach Gold und Seelen schmachtet, Sie achtet nicht ein wenig Judenblut! O traurig Loos! in Schmach und Schande leben, Von Jugend an verachtet und gehetzt, Dem Lamme gleich vor'in Zahn des Wolfes beben, Der uns umkreiset und verschlingt zuletzt! O hartes Loos! kein freies Glück erhaschen, In Lumpen heucheln die erlogne Noth, Und an des Lebens Strom in Sorgen waschen Das Körnlein rothen Gold's ans Sünd' und Koth, Bis wilde Raublust im empörten Haufen, Uns auszuplündern kömmt -- und uns zu taufen! Der Ahn ist taub! Er hört die Worte nicht, Die hinter ihm der Sohn verzweifelnd spricht. Indeß die Jugend grollet und verdorrt, Lade Glaubeusthau das Alter fort und fort. Doch blut'ger Schimmer leuchtet durch die Scheiben, Besorglich vor die Thüre stürzt der Sohn, Da kömmt's heran, wie Meeresfluthen treiben, Mit Wehgeheule und mit Schlachtentvn! Vergessen hat auf harten Unglücksbahnen Uns der Messias, den die Schrift verhieß: O Harren, tausend Jahr! Die Zeiten luden Auf Juda's Schultern nur noch arg're Last, Die Kinder Baal's, sie haßten nicht die Juden, Wie jetzt der Christ den jüd'schen Bruder haßt! Was wird aus uns in dieser Zeit der Schmerzen, Inmitten all' der kämpfenden Partei'n? Ach, jede Waffe zuckt nach unsrem Herzen, Und jeder Glaube wirft uach uns den Stein! Und ward am Markt der Laib des Brodes theuer — Gleich nutzt die freche Gier des Volkes Wahn; Ist schlecht die Ernte, karg die Frucht der Scheuer — Gleich tönt der Ruf: der Jud' ist schuld daran! Vom Christenkind, zum Passahfest geschlachtet, Ein neues Mährchen weiß der Frevelmuth, Die Kirche, die nach Gold und Seelen schmachtet, Sie achtet nicht ein wenig Judenblut! O traurig Loos! in Schmach und Schande leben, Von Jugend an verachtet und gehetzt, Dem Lamme gleich vor'in Zahn des Wolfes beben, Der uns umkreiset und verschlingt zuletzt! O hartes Loos! kein freies Glück erhaschen, In Lumpen heucheln die erlogne Noth, Und an des Lebens Strom in Sorgen waschen Das Körnlein rothen Gold's ans Sünd' und Koth, Bis wilde Raublust im empörten Haufen, Uns auszuplündern kömmt — und uns zu taufen! Der Ahn ist taub! Er hört die Worte nicht, Die hinter ihm der Sohn verzweifelnd spricht. Indeß die Jugend grollet und verdorrt, Lade Glaubeusthau das Alter fort und fort. Doch blut'ger Schimmer leuchtet durch die Scheiben, Besorglich vor die Thüre stürzt der Sohn, Da kömmt's heran, wie Meeresfluthen treiben, Mit Wehgeheule und mit Schlachtentvn! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0516" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185280"/> <lg xml:id="POEMID_17" type="poem"> <l> Vergessen hat auf harten Unglücksbahnen<lb/> Uns der Messias, den die Schrift verhieß:<lb/> O Harren, tausend Jahr! Die Zeiten luden<lb/> Auf Juda's Schultern nur noch arg're Last,<lb/> Die Kinder Baal's, sie haßten nicht die Juden,<lb/> Wie jetzt der Christ den jüd'schen Bruder haßt!</l> <l> Was wird aus uns in dieser Zeit der Schmerzen,<lb/> Inmitten all' der kämpfenden Partei'n?<lb/> Ach, jede Waffe zuckt nach unsrem Herzen,<lb/> Und jeder Glaube wirft uach uns den Stein!<lb/> Und ward am Markt der Laib des Brodes theuer —<lb/> Gleich nutzt die freche Gier des Volkes Wahn;<lb/> Ist schlecht die Ernte, karg die Frucht der Scheuer —<lb/> Gleich tönt der Ruf: der Jud' ist schuld daran!<lb/> Vom Christenkind, zum Passahfest geschlachtet,<lb/> Ein neues Mährchen weiß der Frevelmuth,<lb/> Die Kirche, die nach Gold und Seelen schmachtet,<lb/> Sie achtet nicht ein wenig Judenblut!<lb/> O traurig Loos! in Schmach und Schande leben,<lb/> Von Jugend an verachtet und gehetzt,<lb/> Dem Lamme gleich vor'in Zahn des Wolfes beben,<lb/> Der uns umkreiset und verschlingt zuletzt!<lb/> O hartes Loos! kein freies Glück erhaschen,<lb/> In Lumpen heucheln die erlogne Noth,<lb/> Und an des Lebens Strom in Sorgen waschen<lb/> Das Körnlein rothen Gold's ans Sünd' und Koth,<lb/> Bis wilde Raublust im empörten Haufen,<lb/> Uns auszuplündern kömmt — und uns zu taufen!</l> <l> Der Ahn ist taub! Er hört die Worte nicht,<lb/> Die hinter ihm der Sohn verzweifelnd spricht.<lb/> Indeß die Jugend grollet und verdorrt,<lb/> Lade Glaubeusthau das Alter fort und fort.</l> <l> Doch blut'ger Schimmer leuchtet durch die Scheiben,<lb/> Besorglich vor die Thüre stürzt der Sohn,<lb/> Da kömmt's heran, wie Meeresfluthen treiben,<lb/> Mit Wehgeheule und mit Schlachtentvn!</l> </lg><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0516]
Vergessen hat auf harten Unglücksbahnen
Uns der Messias, den die Schrift verhieß:
O Harren, tausend Jahr! Die Zeiten luden
Auf Juda's Schultern nur noch arg're Last,
Die Kinder Baal's, sie haßten nicht die Juden,
Wie jetzt der Christ den jüd'schen Bruder haßt! Was wird aus uns in dieser Zeit der Schmerzen,
Inmitten all' der kämpfenden Partei'n?
Ach, jede Waffe zuckt nach unsrem Herzen,
Und jeder Glaube wirft uach uns den Stein!
Und ward am Markt der Laib des Brodes theuer —
Gleich nutzt die freche Gier des Volkes Wahn;
Ist schlecht die Ernte, karg die Frucht der Scheuer —
Gleich tönt der Ruf: der Jud' ist schuld daran!
Vom Christenkind, zum Passahfest geschlachtet,
Ein neues Mährchen weiß der Frevelmuth,
Die Kirche, die nach Gold und Seelen schmachtet,
Sie achtet nicht ein wenig Judenblut!
O traurig Loos! in Schmach und Schande leben,
Von Jugend an verachtet und gehetzt,
Dem Lamme gleich vor'in Zahn des Wolfes beben,
Der uns umkreiset und verschlingt zuletzt!
O hartes Loos! kein freies Glück erhaschen,
In Lumpen heucheln die erlogne Noth,
Und an des Lebens Strom in Sorgen waschen
Das Körnlein rothen Gold's ans Sünd' und Koth,
Bis wilde Raublust im empörten Haufen,
Uns auszuplündern kömmt — und uns zu taufen! Der Ahn ist taub! Er hört die Worte nicht,
Die hinter ihm der Sohn verzweifelnd spricht.
Indeß die Jugend grollet und verdorrt,
Lade Glaubeusthau das Alter fort und fort. Doch blut'ger Schimmer leuchtet durch die Scheiben,
Besorglich vor die Thüre stürzt der Sohn,
Da kömmt's heran, wie Meeresfluthen treiben,
Mit Wehgeheule und mit Schlachtentvn!
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |