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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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den für sein neues Reich bestimmen sollen, das die österreichischen Völkerschaften auf
dem Felsen ihrer Treue errichtet und mit ihrem Herzblut im 25 jährigen Kampf
festgekittet hatten. Nicht blos ein neuer Titel, sondern das neue untrennbare
Kaiserthum mußte förmlich constituirt und ausgerufen werden, damit die Krone
Einen Gegenstand, der Thron Ein Fundament erhalte. Doch mau wollte keine
neue Krone, keine Krönung in Wien, weil man noch immer den Blick nach Frank¬
furt gerichtet hielt, uoch weniger wollte mau die Constituirung eines neuen Reiches,
weil die Anerkennung hätte vorausgehen müssen, daß der Kaiser die neue Krone
und das neue Reich seinen Völkern verdanke. Denn mit der Constituirung eines
Kaiserreichs hätte zugleich eine Constitution gegeben werden müssen. Eine Ver¬
fassung für die Gesammtheit hätte aber nicht weniger Freiheit bieten dürfen, als
die Frciesten darunter, die Ungarn, bereits besaßen.

Es ist nichts geschehen! Im Jahre 1804 begnügte man sich mit dem Kaiser-
titcl, den daran geknüpfte" Hoffnungen, das Verlorene wieder zu gewinnen und
verschloß die Augen vor den möglichen Jnconvenienzen, die bei dem Wiederaufleben
eines deutschen Reiches uuter irgend einer Gestalt, aus dessen durch einen for¬
mellen Act nicht völlig vernichteten OberherrlichkeitS-Ansprüchen über einen Theil
der österreichischen Lande entspringen konnten. Später, im Jahre 1814, fand
man es endlich viel bequemer Dank und Neuerung zu sparen.

Vielleicht ist es gut, daß es so gekommen; denn damals war Volk und Re¬
gierung weniger reif, sich neu zu gebären als jetzt und auch viel zu sehr beschäf¬
tigt die Wunden des Krieges zu Heilen, um thatkräftig an das Werk zu gehen.
Jetzt aber, wenn nicht Alles trügt, stehen wir näher als wohl Manche glauben,
an der Consolidirung der Zustände, welche im Schooße von Jahrhunderten all-
mählig herangereift sind.

Ein Ereigniß -- und so kann man wohl die kaiserliche Entschließung, welche
das System der Staatseisenbahnen ans großartige Weise in's Leben rief, nennen
-- gibt abermals Zeugniß von der unwiderstehlichen Gewalt der Dinge, die den
Staat zur Einigung treibt. Die Folgen dieses Ereignisses sind nicht weniger
Epoche machend für des Gesammtstaates Consolidirung, als es die der pragma¬
tischen Sanction und die der letzten großen Kriege waren; denu durch die Haupt-
linien des Eisenbahnnetzes wurden neue Bänder geschaffen, welche von nun an
kreuzweise die Gesammtmonarchie umgürten, und diese Bänder siud aus dem feste¬
sten Stoffe der neuern Zeit, es sind Bänder materieller Interesse".

Uuter der genialen und thatkräftigen Leitung des hellsehender Staatsmannes,
dem wir vorzugsweise diese für die österreichische Negierung wahrhaft außerordentliche
Maßregel danken, hat auch bereits die Ausführung des großen Werkes Riesen¬
schritte gemacht, und wenige Jahre reichten hin, von Kärnthen bis Böhmen
die eiserne Bahn zu führen. In Kurzem wird die Linie von Trieft bis an
Sachsens Grenze vollendet sein; die Monarchie ist dann in ihrem gewerhreich?


den für sein neues Reich bestimmen sollen, das die österreichischen Völkerschaften auf
dem Felsen ihrer Treue errichtet und mit ihrem Herzblut im 25 jährigen Kampf
festgekittet hatten. Nicht blos ein neuer Titel, sondern das neue untrennbare
Kaiserthum mußte förmlich constituirt und ausgerufen werden, damit die Krone
Einen Gegenstand, der Thron Ein Fundament erhalte. Doch mau wollte keine
neue Krone, keine Krönung in Wien, weil man noch immer den Blick nach Frank¬
furt gerichtet hielt, uoch weniger wollte mau die Constituirung eines neuen Reiches,
weil die Anerkennung hätte vorausgehen müssen, daß der Kaiser die neue Krone
und das neue Reich seinen Völkern verdanke. Denn mit der Constituirung eines
Kaiserreichs hätte zugleich eine Constitution gegeben werden müssen. Eine Ver¬
fassung für die Gesammtheit hätte aber nicht weniger Freiheit bieten dürfen, als
die Frciesten darunter, die Ungarn, bereits besaßen.

Es ist nichts geschehen! Im Jahre 1804 begnügte man sich mit dem Kaiser-
titcl, den daran geknüpfte» Hoffnungen, das Verlorene wieder zu gewinnen und
verschloß die Augen vor den möglichen Jnconvenienzen, die bei dem Wiederaufleben
eines deutschen Reiches uuter irgend einer Gestalt, aus dessen durch einen for¬
mellen Act nicht völlig vernichteten OberherrlichkeitS-Ansprüchen über einen Theil
der österreichischen Lande entspringen konnten. Später, im Jahre 1814, fand
man es endlich viel bequemer Dank und Neuerung zu sparen.

Vielleicht ist es gut, daß es so gekommen; denn damals war Volk und Re¬
gierung weniger reif, sich neu zu gebären als jetzt und auch viel zu sehr beschäf¬
tigt die Wunden des Krieges zu Heilen, um thatkräftig an das Werk zu gehen.
Jetzt aber, wenn nicht Alles trügt, stehen wir näher als wohl Manche glauben,
an der Consolidirung der Zustände, welche im Schooße von Jahrhunderten all-
mählig herangereift sind.

Ein Ereigniß — und so kann man wohl die kaiserliche Entschließung, welche
das System der Staatseisenbahnen ans großartige Weise in's Leben rief, nennen
— gibt abermals Zeugniß von der unwiderstehlichen Gewalt der Dinge, die den
Staat zur Einigung treibt. Die Folgen dieses Ereignisses sind nicht weniger
Epoche machend für des Gesammtstaates Consolidirung, als es die der pragma¬
tischen Sanction und die der letzten großen Kriege waren; denu durch die Haupt-
linien des Eisenbahnnetzes wurden neue Bänder geschaffen, welche von nun an
kreuzweise die Gesammtmonarchie umgürten, und diese Bänder siud aus dem feste¬
sten Stoffe der neuern Zeit, es sind Bänder materieller Interesse».

Uuter der genialen und thatkräftigen Leitung des hellsehender Staatsmannes,
dem wir vorzugsweise diese für die österreichische Negierung wahrhaft außerordentliche
Maßregel danken, hat auch bereits die Ausführung des großen Werkes Riesen¬
schritte gemacht, und wenige Jahre reichten hin, von Kärnthen bis Böhmen
die eiserne Bahn zu führen. In Kurzem wird die Linie von Trieft bis an
Sachsens Grenze vollendet sein; die Monarchie ist dann in ihrem gewerhreich?


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/506>, abgerufen am 22.07.2024.