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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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wären -- den gegenwärtigen Patrimonialgerichten und Magistraten könnte man allen¬
falls die Verlassenschaftöabhandlnngen und die obervormundschaftlichen Amtshand¬
lungen zu belassen. Daß vor allein Andern das Wcchselgericht zu einer landesfürstlichen
Stelle -- wie dies in Wien der Fall ist -- zu erheben sei, versteht sich von selbst.

Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Gerichtsbeamten einen
großen Theil der Schuld an dem gegenwärtigen Zustande der Justiz tragen, je¬
doch sind die Beamten der landesfürstlichen Stellen und gegenwärtig besonders die
des k. k. Landrechtes weit vorwurfsfreier als jene der übrigen Gerichte. --

Was insbesondere das k. k. Appellationsgericht betrifft, so läßt es sich zwar
nicht leugnen, daß man Necnrserledigungen und Urtheile zuweilen sechs bis zehn
Monate von demselben erwarten muß, allein man würde den Räthen dieses in
jeder Hinsicht sehr respectabeln Gerichtes großes Unrecht zufügen, wenn man diese
Verzögerungen ihrem Verschulden zurechnen wollte, da man ihnen im Gegentheil
mit Ausnahme von vielleicht zwei bis drei Individuen das rühmliche Zeugniß ge¬
ben muß, daß sie mit möglichster Anstrengung aller ihrer Kräfte und einem so
beharrlichen Fleiße und Eifer ihren Pflichten zu entsprechen bemüht sind, wie man
es von einem Beamten in der Regel gar nicht zu verlangen berechtigt ist, da
kein Beamter verpflichtet ist, sich aufzureiben.

Allein es ist hier eine so große, vorzüglich durch die in Böhmen blühende
Winkelschreiberei und das sehr mangelhafte Advokatenwesen veranlaßte Ueberhäufung
mit Arbeit vorhanden, daß nur die dringend nothwendige Vermehrung des Per¬
sonals Abhilfe bringen kann.

Vor allem Andern stellt sich jedoch bei den Justizbeamten, sie mögen Lan-
desfürstlichc sein oder nicht, eine Erhöhung ihrer Gehalte als dringend nothwen¬
dig heraus.

Das Gehalt eines Beamten muß hinreichen, um nicht allein seine und seiner
Familie nothwendige Bedürfnisse, sondern auch jene Ausgabe", die ihm sein Rang
und seine Stellung im gesellschaftlichen Leben nöthig macht, vollständig bestreiten
zu können, wenn er anders den Anforderungen entsprechen soll, welche man an
die Thätigkeit und Geschicklichkeit eines gewissenhaften Beamten stellt. Und noch
insbesondere müssen jene Stellen, welche eine größere Kraftanstrengung, besondere
Kenntnisse und ausgezeichnete Geschicklichkeit voraussetzen, oder bei denen, ihrer
Natur nach, eine größere Versuchung stattfindet, besser dotirt werden, als dieses
bei den übrigen der Fall ist.

Leider muß man nnn anerkennen, daß die Gehalte der böhmischen Justizbe-
amten vom Präsidenten bis zum Gerichtsdiener herab, keineswegs diesen Rücksich¬
ten entsprechen, daß insbesondere die Appellationöräthe in jeder Hinsicht viel zu
schlecht gestellt sind und daß vorzüglich ein so weit ausgedehntes Ersparnißsystem,
welches die Dienste der Concepts- und Kanzlei-Practicanten durch viele Jahre
unentgeldlich in Anspruch nimmt, um so verderblicher erscheint, als besonders in


wären — den gegenwärtigen Patrimonialgerichten und Magistraten könnte man allen¬
falls die Verlassenschaftöabhandlnngen und die obervormundschaftlichen Amtshand¬
lungen zu belassen. Daß vor allein Andern das Wcchselgericht zu einer landesfürstlichen
Stelle — wie dies in Wien der Fall ist — zu erheben sei, versteht sich von selbst.

Es kann kaum einem Zweifel unterliegen, daß die Gerichtsbeamten einen
großen Theil der Schuld an dem gegenwärtigen Zustande der Justiz tragen, je¬
doch sind die Beamten der landesfürstlichen Stellen und gegenwärtig besonders die
des k. k. Landrechtes weit vorwurfsfreier als jene der übrigen Gerichte. —

Was insbesondere das k. k. Appellationsgericht betrifft, so läßt es sich zwar
nicht leugnen, daß man Necnrserledigungen und Urtheile zuweilen sechs bis zehn
Monate von demselben erwarten muß, allein man würde den Räthen dieses in
jeder Hinsicht sehr respectabeln Gerichtes großes Unrecht zufügen, wenn man diese
Verzögerungen ihrem Verschulden zurechnen wollte, da man ihnen im Gegentheil
mit Ausnahme von vielleicht zwei bis drei Individuen das rühmliche Zeugniß ge¬
ben muß, daß sie mit möglichster Anstrengung aller ihrer Kräfte und einem so
beharrlichen Fleiße und Eifer ihren Pflichten zu entsprechen bemüht sind, wie man
es von einem Beamten in der Regel gar nicht zu verlangen berechtigt ist, da
kein Beamter verpflichtet ist, sich aufzureiben.

Allein es ist hier eine so große, vorzüglich durch die in Böhmen blühende
Winkelschreiberei und das sehr mangelhafte Advokatenwesen veranlaßte Ueberhäufung
mit Arbeit vorhanden, daß nur die dringend nothwendige Vermehrung des Per¬
sonals Abhilfe bringen kann.

Vor allem Andern stellt sich jedoch bei den Justizbeamten, sie mögen Lan-
desfürstlichc sein oder nicht, eine Erhöhung ihrer Gehalte als dringend nothwen¬
dig heraus.

Das Gehalt eines Beamten muß hinreichen, um nicht allein seine und seiner
Familie nothwendige Bedürfnisse, sondern auch jene Ausgabe», die ihm sein Rang
und seine Stellung im gesellschaftlichen Leben nöthig macht, vollständig bestreiten
zu können, wenn er anders den Anforderungen entsprechen soll, welche man an
die Thätigkeit und Geschicklichkeit eines gewissenhaften Beamten stellt. Und noch
insbesondere müssen jene Stellen, welche eine größere Kraftanstrengung, besondere
Kenntnisse und ausgezeichnete Geschicklichkeit voraussetzen, oder bei denen, ihrer
Natur nach, eine größere Versuchung stattfindet, besser dotirt werden, als dieses
bei den übrigen der Fall ist.

Leider muß man nnn anerkennen, daß die Gehalte der böhmischen Justizbe-
amten vom Präsidenten bis zum Gerichtsdiener herab, keineswegs diesen Rücksich¬
ten entsprechen, daß insbesondere die Appellationöräthe in jeder Hinsicht viel zu
schlecht gestellt sind und daß vorzüglich ein so weit ausgedehntes Ersparnißsystem,
welches die Dienste der Concepts- und Kanzlei-Practicanten durch viele Jahre
unentgeldlich in Anspruch nimmt, um so verderblicher erscheint, als besonders in


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/474>, abgerufen am 22.07.2024.