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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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i.
Die Norfälle in Graz.

Zu Anfang des vorigen Monats starb zu Pcttau, einer kleinen Stadt der südlichen
Steiermark, der dortige Postmeister, Herr Franzki, ein hochbejahrter Greis, im Städtchen
allgemein beliebt und'geachtet. Er hatte, wie die meisten seiner .Mitbürger, eine gegrün¬
dete Abneigung gegen den Dechant (Stadtpfarrer), und war daher auf seinem Kranken¬
lager unangenehm überrascht, diesen ihm verhaßten Mann, ohne daß er seinen geistlichen
Beistand angesprochen, im Ornat in's Zimmer treten zu sehen, um den Kranken zur
Beichte zu hören und ihm sodann die letzte Oelung zu ertheilen. Er wies dieses An¬
sinnen mit Bestimmtheit zurück, indem er ihm bedeutete, daß, wenn er fühlen werde, es
sei an der Zeit, er denjenigen Priester zu sich bitten lassen wird, zu welchem er das
meiste Vertrauen hege. Der erzürnte Dechant entfernte sich, und als der Kranke
sich schwächer fühlte, ließ man den Kaplan der Pfarre rufen. Doch der Dechant, hiervon
benachrichtigt, entsendete den Kaplan in anderen Berufsverrichtungen und ging selbst
zum zweiten Male zum Kranken. Dieser erklärte nun abermals, nicht ihm, sondern
nur dem Kaplan beichten zu wollen. Allein bevor endlich Letzterer zu ihm eilen konnte,
war der alte Mann verschieden.

Der Dechant erklärte hierauf, daß, da der Postmeister weder gebeichtet, noch die letzte
Oelung empfangen habe, er weder eingesegnet, noch durch einen Geistlichen zu Grabe
begleitet und sein Grab auch nicht im allgemeinen Friedhof bereitet werden könne. --
Die Verwandten des Verstorbenen verschoben nun dessen Beerdigung und legten Klage
beim Kreisamte ein; dieses entschied, er sei auf den Gottesacker zu begraben, ob je¬
doch Geistliche ihn einsegnen und begleiten, dieses habe die geistliche Behörde zu ent¬
scheiden. -- Der Bischof von Steiermark Zängerle ein den man sich wandte, verbot



^> "Fürst-Bischof RomanSebastian Zängerle" -- schreibt man uns in einem andern Briefe --
(wir haben über diese Angelegenheit im Laufe dieser Woche nicht weniger als sechs Einsendungen
von den verschiedensten Seiten erhalten -- ein Beweis wie sehr das Ereignis, die Gemüther
aufregte) "ist ein geborner Schwabe aus der Gegend von Ulm. Ein Pflegesohn des verstorbenen
Postmeisters, der in dieser traurigen Angelegenheit eine Audienz bei ihm nachsuchte und nicht
vorgelassen wurde, wandte sich an den Eonsistonalrath P... dieser erklärte- der Dechant ver¬
fahre ganz nach seinem Rechte. Der Bittsteller stellte ihm hierauf vor, das, die Gejetze nur
einem altert'cuintcn Häretiker ein ehrenvolles Begräbnis! verweigern können und daß im vorlie¬
genden Falle vielleicht ein Priester aus der Nachbarschaft die Einsegnung vornehmen könnte.
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i.
Die Norfälle in Graz.

Zu Anfang des vorigen Monats starb zu Pcttau, einer kleinen Stadt der südlichen
Steiermark, der dortige Postmeister, Herr Franzki, ein hochbejahrter Greis, im Städtchen
allgemein beliebt und'geachtet. Er hatte, wie die meisten seiner .Mitbürger, eine gegrün¬
dete Abneigung gegen den Dechant (Stadtpfarrer), und war daher auf seinem Kranken¬
lager unangenehm überrascht, diesen ihm verhaßten Mann, ohne daß er seinen geistlichen
Beistand angesprochen, im Ornat in's Zimmer treten zu sehen, um den Kranken zur
Beichte zu hören und ihm sodann die letzte Oelung zu ertheilen. Er wies dieses An¬
sinnen mit Bestimmtheit zurück, indem er ihm bedeutete, daß, wenn er fühlen werde, es
sei an der Zeit, er denjenigen Priester zu sich bitten lassen wird, zu welchem er das
meiste Vertrauen hege. Der erzürnte Dechant entfernte sich, und als der Kranke
sich schwächer fühlte, ließ man den Kaplan der Pfarre rufen. Doch der Dechant, hiervon
benachrichtigt, entsendete den Kaplan in anderen Berufsverrichtungen und ging selbst
zum zweiten Male zum Kranken. Dieser erklärte nun abermals, nicht ihm, sondern
nur dem Kaplan beichten zu wollen. Allein bevor endlich Letzterer zu ihm eilen konnte,
war der alte Mann verschieden.

Der Dechant erklärte hierauf, daß, da der Postmeister weder gebeichtet, noch die letzte
Oelung empfangen habe, er weder eingesegnet, noch durch einen Geistlichen zu Grabe
begleitet und sein Grab auch nicht im allgemeinen Friedhof bereitet werden könne. —
Die Verwandten des Verstorbenen verschoben nun dessen Beerdigung und legten Klage
beim Kreisamte ein; dieses entschied, er sei auf den Gottesacker zu begraben, ob je¬
doch Geistliche ihn einsegnen und begleiten, dieses habe die geistliche Behörde zu ent¬
scheiden. — Der Bischof von Steiermark Zängerle ein den man sich wandte, verbot



^> „Fürst-Bischof RomanSebastian Zängerle" — schreibt man uns in einem andern Briefe —
(wir haben über diese Angelegenheit im Laufe dieser Woche nicht weniger als sechs Einsendungen
von den verschiedensten Seiten erhalten — ein Beweis wie sehr das Ereignis, die Gemüther
aufregte) „ist ein geborner Schwabe aus der Gegend von Ulm. Ein Pflegesohn des verstorbenen
Postmeisters, der in dieser traurigen Angelegenheit eine Audienz bei ihm nachsuchte und nicht
vorgelassen wurde, wandte sich an den Eonsistonalrath P... dieser erklärte- der Dechant ver¬
fahre ganz nach seinem Rechte. Der Bittsteller stellte ihm hierauf vor, das, die Gejetze nur
einem altert'cuintcn Häretiker ein ehrenvolles Begräbnis! verweigern können und daß im vorlie¬
genden Falle vielleicht ein Priester aus der Nachbarschaft die Einsegnung vornehmen könnte.
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[0398] Tage b u es. i. Die Norfälle in Graz. Zu Anfang des vorigen Monats starb zu Pcttau, einer kleinen Stadt der südlichen Steiermark, der dortige Postmeister, Herr Franzki, ein hochbejahrter Greis, im Städtchen allgemein beliebt und'geachtet. Er hatte, wie die meisten seiner .Mitbürger, eine gegrün¬ dete Abneigung gegen den Dechant (Stadtpfarrer), und war daher auf seinem Kranken¬ lager unangenehm überrascht, diesen ihm verhaßten Mann, ohne daß er seinen geistlichen Beistand angesprochen, im Ornat in's Zimmer treten zu sehen, um den Kranken zur Beichte zu hören und ihm sodann die letzte Oelung zu ertheilen. Er wies dieses An¬ sinnen mit Bestimmtheit zurück, indem er ihm bedeutete, daß, wenn er fühlen werde, es sei an der Zeit, er denjenigen Priester zu sich bitten lassen wird, zu welchem er das meiste Vertrauen hege. Der erzürnte Dechant entfernte sich, und als der Kranke sich schwächer fühlte, ließ man den Kaplan der Pfarre rufen. Doch der Dechant, hiervon benachrichtigt, entsendete den Kaplan in anderen Berufsverrichtungen und ging selbst zum zweiten Male zum Kranken. Dieser erklärte nun abermals, nicht ihm, sondern nur dem Kaplan beichten zu wollen. Allein bevor endlich Letzterer zu ihm eilen konnte, war der alte Mann verschieden. Der Dechant erklärte hierauf, daß, da der Postmeister weder gebeichtet, noch die letzte Oelung empfangen habe, er weder eingesegnet, noch durch einen Geistlichen zu Grabe begleitet und sein Grab auch nicht im allgemeinen Friedhof bereitet werden könne. — Die Verwandten des Verstorbenen verschoben nun dessen Beerdigung und legten Klage beim Kreisamte ein; dieses entschied, er sei auf den Gottesacker zu begraben, ob je¬ doch Geistliche ihn einsegnen und begleiten, dieses habe die geistliche Behörde zu ent¬ scheiden. — Der Bischof von Steiermark Zängerle ein den man sich wandte, verbot ^> „Fürst-Bischof RomanSebastian Zängerle" — schreibt man uns in einem andern Briefe — (wir haben über diese Angelegenheit im Laufe dieser Woche nicht weniger als sechs Einsendungen von den verschiedensten Seiten erhalten — ein Beweis wie sehr das Ereignis, die Gemüther aufregte) „ist ein geborner Schwabe aus der Gegend von Ulm. Ein Pflegesohn des verstorbenen Postmeisters, der in dieser traurigen Angelegenheit eine Audienz bei ihm nachsuchte und nicht vorgelassen wurde, wandte sich an den Eonsistonalrath P... dieser erklärte- der Dechant ver¬ fahre ganz nach seinem Rechte. Der Bittsteller stellte ihm hierauf vor, das, die Gejetze nur einem altert'cuintcn Häretiker ein ehrenvolles Begräbnis! verweigern können und daß im vorlie¬ genden Falle vielleicht ein Priester aus der Nachbarschaft die Einsegnung vornehmen könnte.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/398>, abgerufen am 12.12.2024.