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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Platze zu sitze" und uicht zurückgelassen zu werden. Dem Gepäck geht es leider
nicht immer so wohl und mancherlei Klagen hört man darüber von Reisenden, die
in Cöln haben darauf warten müssen. Der Fehler liegt aber meistens an Hannover,
das dem Zollverein nicht beitreten will, und sich für berechtigt hält auf der Grenze
das Gepäck der Reisenden zu sondiren, -- eine Mühe, die sehr unangenehme
Verzögerungen hervorbringt. Wäre nicht der Herr special-Direktor der Eisen¬
bahn zu Cöln ein so eben artiger Mann, wie die Herrn Direktoren zu Edinburgh, und
bemühte sich nach Kräften die Sünden Hannovers wieder gut zu machen, so würde
den Damm das Reisen auf dieser Bahn bald verleidet werde". So aber findet
sich in dieser armen Zeit noch immer ein Jemand, der ihre Rechte wahrnehme.

Fanny Kemble geht es aber überhaupt schlimm -- auch mit dem englischen
Publikum. Sie hat Mann und Kinder in Amerika zurückgelassen, weil über ihrem
häuslichen Horizonte zu viele Gewitterwolken hingen, deren öftere Entledigung ihr
unerträglich wurde. Sie hat darauf sich zu zerstreuen eine Reise in Italien gemacht,
und diese Reise beschrieben, wobei ihr manche sehnsüchtige Klage nach einem gehoff-
ten und verlorenen Glücke in die Feder geflossen ist. Niemand fühlt aber Mitlei¬
den mit ihr oder Sympathie für sie. Eine Frau, die ihren Manu verläßt, das
ist ein Unhold. Hätte er sie verlassen, so wäre das eben ganz recht gewesen und
die (englische) Welt hätte tausend Gründe der Rechtfertigung für ihn in ihren Ei¬
genschaften gefunden; aber das Umgekehrte darf nicht sein, kann nicht sein, soll
nicht sein. Es muß ihr peinlich werden, zu fühlen welchen Vorurtheilen sie hier die
Spitze zu bieten hat. Sie ist jetzt wieder ans die Bühne gegangen und wird nächstens
mit Macready zusammen in Shakespeare's "Sommernachtstraum" für Shakespeare's
Haus spielen, das zu erstehen man noch nicht die hinreichende Summe zusammen¬
gebracht hat. Uebrigens fängt man sogar sehr zu bezweifeln an, ob das Hans, was
man ausgesucht, auch wirklich Shakespear's Haus gewesen sei. Dieser Zweifel macht
die ganze Sache doch eigentlich lächerlich! -- Und was kann man überhaupt mit
solchen Mauern wollen, wenn die innere Einrichtung nicht mehr dieselbe ist, und
kein Gegenstand darin, kein Platz, kein Sessel den Mann zurückrufen kann, der
hier lebte, dachte und litt. - So aber ist die Welt und so wird sie immer blei¬
ben; an ihren großen Zeitgenossen findet sie wenig zu bewundern und ist zufrieden,
wenn sie sich peinlich in den beschränktesten Verhältnissen krümmen; -- hat aber
der Moder ihre sterblichen Neste verzehrt, dann möchte man auf dem Fleckchen,
wo sie darbten, Altäre errichten und findet kein Opfer groß genug, das deu Stein
verewigen könnte, wo der Hingeschiedene saß. -- Fanny Kemble hat wenigstens
eine Freundin wiedergefunden, die ihrem Schicksale ihre Theilnahme schenkt, weil
ihr Loos ein ähnliches war, das ist Anna Jemeson. Diese ist jetzt kürzlich aus
Italien zurückgekehrt, wo sie die Alterthümer in den Kirchen studirte, und lebt stille
in Ealnig, einem Stäbchen vor London, bei ihrer Familie die sie erhält. Ihr
gebührte ein Tempel. Lady Byron ist die dritte im Bunde; -- sie hat ihre Kia-


Platze zu sitze» und uicht zurückgelassen zu werden. Dem Gepäck geht es leider
nicht immer so wohl und mancherlei Klagen hört man darüber von Reisenden, die
in Cöln haben darauf warten müssen. Der Fehler liegt aber meistens an Hannover,
das dem Zollverein nicht beitreten will, und sich für berechtigt hält auf der Grenze
das Gepäck der Reisenden zu sondiren, — eine Mühe, die sehr unangenehme
Verzögerungen hervorbringt. Wäre nicht der Herr special-Direktor der Eisen¬
bahn zu Cöln ein so eben artiger Mann, wie die Herrn Direktoren zu Edinburgh, und
bemühte sich nach Kräften die Sünden Hannovers wieder gut zu machen, so würde
den Damm das Reisen auf dieser Bahn bald verleidet werde». So aber findet
sich in dieser armen Zeit noch immer ein Jemand, der ihre Rechte wahrnehme.

Fanny Kemble geht es aber überhaupt schlimm — auch mit dem englischen
Publikum. Sie hat Mann und Kinder in Amerika zurückgelassen, weil über ihrem
häuslichen Horizonte zu viele Gewitterwolken hingen, deren öftere Entledigung ihr
unerträglich wurde. Sie hat darauf sich zu zerstreuen eine Reise in Italien gemacht,
und diese Reise beschrieben, wobei ihr manche sehnsüchtige Klage nach einem gehoff-
ten und verlorenen Glücke in die Feder geflossen ist. Niemand fühlt aber Mitlei¬
den mit ihr oder Sympathie für sie. Eine Frau, die ihren Manu verläßt, das
ist ein Unhold. Hätte er sie verlassen, so wäre das eben ganz recht gewesen und
die (englische) Welt hätte tausend Gründe der Rechtfertigung für ihn in ihren Ei¬
genschaften gefunden; aber das Umgekehrte darf nicht sein, kann nicht sein, soll
nicht sein. Es muß ihr peinlich werden, zu fühlen welchen Vorurtheilen sie hier die
Spitze zu bieten hat. Sie ist jetzt wieder ans die Bühne gegangen und wird nächstens
mit Macready zusammen in Shakespeare's „Sommernachtstraum" für Shakespeare's
Haus spielen, das zu erstehen man noch nicht die hinreichende Summe zusammen¬
gebracht hat. Uebrigens fängt man sogar sehr zu bezweifeln an, ob das Hans, was
man ausgesucht, auch wirklich Shakespear's Haus gewesen sei. Dieser Zweifel macht
die ganze Sache doch eigentlich lächerlich! — Und was kann man überhaupt mit
solchen Mauern wollen, wenn die innere Einrichtung nicht mehr dieselbe ist, und
kein Gegenstand darin, kein Platz, kein Sessel den Mann zurückrufen kann, der
hier lebte, dachte und litt. - So aber ist die Welt und so wird sie immer blei¬
ben; an ihren großen Zeitgenossen findet sie wenig zu bewundern und ist zufrieden,
wenn sie sich peinlich in den beschränktesten Verhältnissen krümmen; — hat aber
der Moder ihre sterblichen Neste verzehrt, dann möchte man auf dem Fleckchen,
wo sie darbten, Altäre errichten und findet kein Opfer groß genug, das deu Stein
verewigen könnte, wo der Hingeschiedene saß. — Fanny Kemble hat wenigstens
eine Freundin wiedergefunden, die ihrem Schicksale ihre Theilnahme schenkt, weil
ihr Loos ein ähnliches war, das ist Anna Jemeson. Diese ist jetzt kürzlich aus
Italien zurückgekehrt, wo sie die Alterthümer in den Kirchen studirte, und lebt stille
in Ealnig, einem Stäbchen vor London, bei ihrer Familie die sie erhält. Ihr
gebührte ein Tempel. Lady Byron ist die dritte im Bunde; — sie hat ihre Kia-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/396>, abgerufen am 12.12.2024.