Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

rem andern Provinzen Oesterreichs und insbesondere in Wien, wo doch dieselben
Gesetze bestehen, keineswegs stattfindet

Daß an diesen Verzögerungen die den Verhandlungen beigezogenen Beisitzer
ans dem Handelsstande schuldlos sind, ist gewiß eben so ausgemacht, als die
vorgeschützte Ueberhäufung mit Arbeit bei den dem Wechselgerichte zugetheilten
Räthen zuverlässig ganz ungegründet ist; denn wenn auch diese Herren eine große
Anzahl von Nummern auszuweisen wissen, so kann man sich leicht überzeugen,
daß die Hälfte hiervon, z. B. eingeforderte und eingelangte Taxbeträge von aus¬
wärtigen Gerichten, eingelangte und betriebene Empsaugscheiue, eigentlich gar'keine
Nummer erhalte" sollten, und daß vou der andern Hälfte kaum ein Viertheil
durch den Referenten selbst, sondern blos durch ein äußerst zahlreiches und über¬
dies meistens uubesoldetes Personale bearbeitet wird. Wäre endlich die Ausflucht
der Ueberhäufung mit Arbeit auch wirklich gegründet, so wäre es hier um so
mehr eine Pflicht des Gerichtes für ein zahlreicheres Personale zu sorgen, als
gerade das Wechsclgericht ein so enormes Einkommen an Taxen genießt, daß damit
ein dreifach stärkeres Personale erhalten werden könnte und immer noch ein nicht
unbedeutendes Einkommen erübrigt würde.

Was das mündliche Verfahren betrifft, welches für gewisse Rechtssachen bewil¬
ligt ist, so liefert anch dieses so wie es gepflogen wird, leider kein entsprechendes
Resultat, da es bei seiner gegenwärtigen Einrichtung sowohl den Parteien und
deren Advocaten, als auch den Gerichten selbst äußerst lästig sein muß, und
daher bei wichtigeren Gegenständen jedes Mal umgangen wird, und dem schriftlichen
Verfahren weichen muß.

Sind nun in Böhmen sämmtliche Satzschriften eines Prozesses (deren jeder
Partei zwei und mit der dem eigenen Ermessen der Parteien überlassenen sogenannten
Schluß- und Gegenschlnßschrift, deren drei zugestanden sind) erstattet und wird dann
zur Jnrotnlirnng eine Tagsahrt (welche gleichfalls wieder erstreckt werden kann!)
angeordnet, so hat man in der Regel drei bis vier Monate und noch länger ans
das Urtheil zu warten, gegen welches dann wieder die Appellation angemeldet,
zur Einbringung der Beschwerden Fristen angesucht werden können und worauf
man dann, nachdem der Gegner seine Einrede erstattet hat, wieder l!-- 10
Monate lang ein weiteres Urtheil zu erwarten hat, wider welches dann wieder,
wenn dadurch das Urtheil erster Instanz abgeändert wurde, die sogenannte Revi¬
sion an die oberste Jnstizstelle in Wien ergriffen werden kann, wo dann eben
so wie bei der Appellation verfahren wird.

Ist nun ein Urtheil endlich rechtskräftig, so wird die Forderung entweder
unbedingt zuerkannt, oder es wird auf einen erst uoch herzustellenden Beweis,



*) In Wien, Trieft, Klagenfurt sind die Wechselgerichte aber auch landesfürstlich, wäh¬
rend sie in Prag, Brünn, Lemberg Communalbehörden sind. Man hat den Communen ihre
wichtigsten und vernünftigsten Freiheiten genommen und nur die lästigste hat man ihnen ge¬
D- Red. lassen ; die Patrimonialgerichtsvaxkeit.

rem andern Provinzen Oesterreichs und insbesondere in Wien, wo doch dieselben
Gesetze bestehen, keineswegs stattfindet

Daß an diesen Verzögerungen die den Verhandlungen beigezogenen Beisitzer
ans dem Handelsstande schuldlos sind, ist gewiß eben so ausgemacht, als die
vorgeschützte Ueberhäufung mit Arbeit bei den dem Wechselgerichte zugetheilten
Räthen zuverlässig ganz ungegründet ist; denn wenn auch diese Herren eine große
Anzahl von Nummern auszuweisen wissen, so kann man sich leicht überzeugen,
daß die Hälfte hiervon, z. B. eingeforderte und eingelangte Taxbeträge von aus¬
wärtigen Gerichten, eingelangte und betriebene Empsaugscheiue, eigentlich gar'keine
Nummer erhalte» sollten, und daß vou der andern Hälfte kaum ein Viertheil
durch den Referenten selbst, sondern blos durch ein äußerst zahlreiches und über¬
dies meistens uubesoldetes Personale bearbeitet wird. Wäre endlich die Ausflucht
der Ueberhäufung mit Arbeit auch wirklich gegründet, so wäre es hier um so
mehr eine Pflicht des Gerichtes für ein zahlreicheres Personale zu sorgen, als
gerade das Wechsclgericht ein so enormes Einkommen an Taxen genießt, daß damit
ein dreifach stärkeres Personale erhalten werden könnte und immer noch ein nicht
unbedeutendes Einkommen erübrigt würde.

Was das mündliche Verfahren betrifft, welches für gewisse Rechtssachen bewil¬
ligt ist, so liefert anch dieses so wie es gepflogen wird, leider kein entsprechendes
Resultat, da es bei seiner gegenwärtigen Einrichtung sowohl den Parteien und
deren Advocaten, als auch den Gerichten selbst äußerst lästig sein muß, und
daher bei wichtigeren Gegenständen jedes Mal umgangen wird, und dem schriftlichen
Verfahren weichen muß.

Sind nun in Böhmen sämmtliche Satzschriften eines Prozesses (deren jeder
Partei zwei und mit der dem eigenen Ermessen der Parteien überlassenen sogenannten
Schluß- und Gegenschlnßschrift, deren drei zugestanden sind) erstattet und wird dann
zur Jnrotnlirnng eine Tagsahrt (welche gleichfalls wieder erstreckt werden kann!)
angeordnet, so hat man in der Regel drei bis vier Monate und noch länger ans
das Urtheil zu warten, gegen welches dann wieder die Appellation angemeldet,
zur Einbringung der Beschwerden Fristen angesucht werden können und worauf
man dann, nachdem der Gegner seine Einrede erstattet hat, wieder l!— 10
Monate lang ein weiteres Urtheil zu erwarten hat, wider welches dann wieder,
wenn dadurch das Urtheil erster Instanz abgeändert wurde, die sogenannte Revi¬
sion an die oberste Jnstizstelle in Wien ergriffen werden kann, wo dann eben
so wie bei der Appellation verfahren wird.

Ist nun ein Urtheil endlich rechtskräftig, so wird die Forderung entweder
unbedingt zuerkannt, oder es wird auf einen erst uoch herzustellenden Beweis,



*) In Wien, Trieft, Klagenfurt sind die Wechselgerichte aber auch landesfürstlich, wäh¬
rend sie in Prag, Brünn, Lemberg Communalbehörden sind. Man hat den Communen ihre
wichtigsten und vernünftigsten Freiheiten genommen und nur die lästigste hat man ihnen ge¬
D- Red. lassen ; die Patrimonialgerichtsvaxkeit.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0388" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185152"/>
            <p xml:id="ID_1264" prev="#ID_1263"> rem andern Provinzen Oesterreichs und insbesondere in Wien, wo doch dieselben<lb/>
Gesetze bestehen, keineswegs stattfindet</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1265"> Daß an diesen Verzögerungen die den Verhandlungen beigezogenen Beisitzer<lb/>
ans dem Handelsstande schuldlos sind, ist gewiß eben so ausgemacht, als die<lb/>
vorgeschützte Ueberhäufung mit Arbeit bei den dem Wechselgerichte zugetheilten<lb/>
Räthen zuverlässig ganz ungegründet ist; denn wenn auch diese Herren eine große<lb/>
Anzahl von Nummern auszuweisen wissen, so kann man sich leicht überzeugen,<lb/>
daß die Hälfte hiervon, z. B. eingeforderte und eingelangte Taxbeträge von aus¬<lb/>
wärtigen Gerichten, eingelangte und betriebene Empsaugscheiue, eigentlich gar'keine<lb/>
Nummer erhalte» sollten, und daß vou der andern Hälfte kaum ein Viertheil<lb/>
durch den Referenten selbst, sondern blos durch ein äußerst zahlreiches und über¬<lb/>
dies meistens uubesoldetes Personale bearbeitet wird. Wäre endlich die Ausflucht<lb/>
der Ueberhäufung mit Arbeit auch wirklich gegründet, so wäre es hier um so<lb/>
mehr eine Pflicht des Gerichtes für ein zahlreicheres Personale zu sorgen, als<lb/>
gerade das Wechsclgericht ein so enormes Einkommen an Taxen genießt, daß damit<lb/>
ein dreifach stärkeres Personale erhalten werden könnte und immer noch ein nicht<lb/>
unbedeutendes Einkommen erübrigt würde.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1266"> Was das mündliche Verfahren betrifft, welches für gewisse Rechtssachen bewil¬<lb/>
ligt ist, so liefert anch dieses so wie es gepflogen wird, leider kein entsprechendes<lb/>
Resultat, da es bei seiner gegenwärtigen Einrichtung sowohl den Parteien und<lb/>
deren Advocaten, als auch den Gerichten selbst äußerst lästig sein muß, und<lb/>
daher bei wichtigeren Gegenständen jedes Mal umgangen wird, und dem schriftlichen<lb/>
Verfahren weichen muß.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1267"> Sind nun in Böhmen sämmtliche Satzschriften eines Prozesses (deren jeder<lb/>
Partei zwei und mit der dem eigenen Ermessen der Parteien überlassenen sogenannten<lb/>
Schluß- und Gegenschlnßschrift, deren drei zugestanden sind) erstattet und wird dann<lb/>
zur Jnrotnlirnng eine Tagsahrt (welche gleichfalls wieder erstreckt werden kann!)<lb/>
angeordnet, so hat man in der Regel drei bis vier Monate und noch länger ans<lb/>
das Urtheil zu warten, gegen welches dann wieder die Appellation angemeldet,<lb/>
zur Einbringung der Beschwerden Fristen angesucht werden können und worauf<lb/>
man dann, nachdem der Gegner seine Einrede erstattet hat, wieder l!&#x2014; 10<lb/>
Monate lang ein weiteres Urtheil zu erwarten hat, wider welches dann wieder,<lb/>
wenn dadurch das Urtheil erster Instanz abgeändert wurde, die sogenannte Revi¬<lb/>
sion an die oberste Jnstizstelle in Wien ergriffen werden kann, wo dann eben<lb/>
so wie bei der Appellation verfahren wird.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1268" next="#ID_1269"> Ist nun ein Urtheil endlich rechtskräftig, so wird die Forderung entweder<lb/>
unbedingt zuerkannt, oder es wird auf einen erst uoch herzustellenden Beweis,</p><lb/>
            <note xml:id="FID_53" place="foot" next="#FID_54"> *) In Wien, Trieft, Klagenfurt sind die Wechselgerichte aber auch landesfürstlich, wäh¬<lb/>
rend sie in Prag, Brünn, Lemberg Communalbehörden sind. Man hat den Communen ihre<lb/>
wichtigsten und vernünftigsten Freiheiten genommen und nur die lästigste hat man ihnen ge¬<lb/><note type="byline"> D- Red.</note> lassen ; die Patrimonialgerichtsvaxkeit. </note><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0388] rem andern Provinzen Oesterreichs und insbesondere in Wien, wo doch dieselben Gesetze bestehen, keineswegs stattfindet Daß an diesen Verzögerungen die den Verhandlungen beigezogenen Beisitzer ans dem Handelsstande schuldlos sind, ist gewiß eben so ausgemacht, als die vorgeschützte Ueberhäufung mit Arbeit bei den dem Wechselgerichte zugetheilten Räthen zuverlässig ganz ungegründet ist; denn wenn auch diese Herren eine große Anzahl von Nummern auszuweisen wissen, so kann man sich leicht überzeugen, daß die Hälfte hiervon, z. B. eingeforderte und eingelangte Taxbeträge von aus¬ wärtigen Gerichten, eingelangte und betriebene Empsaugscheiue, eigentlich gar'keine Nummer erhalte» sollten, und daß vou der andern Hälfte kaum ein Viertheil durch den Referenten selbst, sondern blos durch ein äußerst zahlreiches und über¬ dies meistens uubesoldetes Personale bearbeitet wird. Wäre endlich die Ausflucht der Ueberhäufung mit Arbeit auch wirklich gegründet, so wäre es hier um so mehr eine Pflicht des Gerichtes für ein zahlreicheres Personale zu sorgen, als gerade das Wechsclgericht ein so enormes Einkommen an Taxen genießt, daß damit ein dreifach stärkeres Personale erhalten werden könnte und immer noch ein nicht unbedeutendes Einkommen erübrigt würde. Was das mündliche Verfahren betrifft, welches für gewisse Rechtssachen bewil¬ ligt ist, so liefert anch dieses so wie es gepflogen wird, leider kein entsprechendes Resultat, da es bei seiner gegenwärtigen Einrichtung sowohl den Parteien und deren Advocaten, als auch den Gerichten selbst äußerst lästig sein muß, und daher bei wichtigeren Gegenständen jedes Mal umgangen wird, und dem schriftlichen Verfahren weichen muß. Sind nun in Böhmen sämmtliche Satzschriften eines Prozesses (deren jeder Partei zwei und mit der dem eigenen Ermessen der Parteien überlassenen sogenannten Schluß- und Gegenschlnßschrift, deren drei zugestanden sind) erstattet und wird dann zur Jnrotnlirnng eine Tagsahrt (welche gleichfalls wieder erstreckt werden kann!) angeordnet, so hat man in der Regel drei bis vier Monate und noch länger ans das Urtheil zu warten, gegen welches dann wieder die Appellation angemeldet, zur Einbringung der Beschwerden Fristen angesucht werden können und worauf man dann, nachdem der Gegner seine Einrede erstattet hat, wieder l!— 10 Monate lang ein weiteres Urtheil zu erwarten hat, wider welches dann wieder, wenn dadurch das Urtheil erster Instanz abgeändert wurde, die sogenannte Revi¬ sion an die oberste Jnstizstelle in Wien ergriffen werden kann, wo dann eben so wie bei der Appellation verfahren wird. Ist nun ein Urtheil endlich rechtskräftig, so wird die Forderung entweder unbedingt zuerkannt, oder es wird auf einen erst uoch herzustellenden Beweis, *) In Wien, Trieft, Klagenfurt sind die Wechselgerichte aber auch landesfürstlich, wäh¬ rend sie in Prag, Brünn, Lemberg Communalbehörden sind. Man hat den Communen ihre wichtigsten und vernünftigsten Freiheiten genommen und nur die lästigste hat man ihnen ge¬ D- Red. lassen ; die Patrimonialgerichtsvaxkeit.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/388
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/388>, abgerufen am 22.07.2024.