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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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nirendsten geblieben ist. Wenn man Trieft, Bremen, Stettin in dieser Hinsicht
betrachtet, welch' ungeheurer Aufschwung, welche Verdoppelung ihres Umsatzes
in den letzten 30 Jahren, und wie fallt Hamburg dagegen ab. Und
doch war es früher vor allen diesen Städten so sehr begünstigt, denn es
besaß längst, was diese mit Mühe und Anstrengung aller Art sich erst schaffen
mußten, alte, wohlangesehene Firmen, einen ungeheuern Credit, weit verzweigte,
dnrch alle Welttheile gehende Handelsverbindungen. Aber es hat diese lange nicht
so benutzt, wie es hätte geschehen können, es pochte zu stolz auf seine Macht,
war zu übermüthig auf seinen Reichthum, um sich ferner noch rechte Mühe zu
geben und mit der fortschreitenden Zeit auch selbst fortzuschreiten. Alle vorhin
genannten Städte haben sich allmälig neuer Handelsgebicte, oder uur neuer,
besonders wichtiger Handelszweige bemächtigt, Hamburg allein hat dies nicht in
dem Maße gethan. -- Im Gegentheil sogar hat es sich von Bremen aus dem
so überaus wichtigen nordamerikanischen Handel gewaltig heraufdrangen lassen,
eben so auch ans dem Tabakshandel im Allgemeinen, und auch in Deutschland
sieht es sein Handelsgebiet durch die Rührigkeit letzterer Stadt immer mehr ver¬
kleinert. Das Leben in Hamburg ist theilweise zu vergnügungssüchtig, zu kostspielig,
als daß die Handelsthätigkeit nicht darunter leiden sollte. Die jungen Hamburger
Kaufleute gehen ungern von hier ans längere Zeit fort, und versäumen dadurch die
Gelegenheit, neue entfernte Handelsverbindungen anzuknüpfen oder gar Comman-
diten in entfernten Ländern zu gründen. Man hat auch so Geld genug, um ver¬
gnügt leben zu können, warum sich aufs Neue plagen und gar viele Annehmlich¬
keiten opfern. Besonders die Söhne vieler reichen Häuser huldigen diesem Grund¬
satz und ziehen sich auf alle Weise aus dem Geschäft zurück, statt dasselbe gerade
durch ihre Kapitale zu vergrößern. Diese Lebensphilosophie hat sonst wohl Man¬
ches für sich, aber der Stadt, als Handelsplatz betrachtet, schadet sie unbedingt.

Dann ist es auch ein Unglück für Hamburg, daß es in letzter Zeit keinen
irgend bedeutenden, genialen Mann in seinem Senat gehabt, der es recht zu'neuen
Anstrengungen ermuntern, ihm die rechte Bahn hätte vorzeichnen können. Wäre
dies der Fall gewesen, gewiß manche Mißgriffe, wie sie jetzt geschehen sind, wä¬
ren vermieden worden, und namentlich hätte man sich nicht dazu hergegeben, sein
Interesse so sehr von dem des übrigen Dentschlandes zu trennen, wie man es jetzt
leider gethan. Wenn auch vielleicht uoch uicht in nächster Zeit, aber endlich doch
wird Hamburg Letzteres bitter zu bereuen haben. Jetzt noch steht es auf dem
Gipfel seiner Höhe, möge es ihn nur wahren, daß kein Rückschritt allmälig eintritt.
Es wäre zu beklagen, sollte Hamburg uicht das bleiben, oder vielmehr nicht
werden sollte, wozu es berufen ist, die erste Handelsstadt des vereinten Deutsch¬
lands. Hierzu aber muß es andere Wege einschlagen.


nirendsten geblieben ist. Wenn man Trieft, Bremen, Stettin in dieser Hinsicht
betrachtet, welch' ungeheurer Aufschwung, welche Verdoppelung ihres Umsatzes
in den letzten 30 Jahren, und wie fallt Hamburg dagegen ab. Und
doch war es früher vor allen diesen Städten so sehr begünstigt, denn es
besaß längst, was diese mit Mühe und Anstrengung aller Art sich erst schaffen
mußten, alte, wohlangesehene Firmen, einen ungeheuern Credit, weit verzweigte,
dnrch alle Welttheile gehende Handelsverbindungen. Aber es hat diese lange nicht
so benutzt, wie es hätte geschehen können, es pochte zu stolz auf seine Macht,
war zu übermüthig auf seinen Reichthum, um sich ferner noch rechte Mühe zu
geben und mit der fortschreitenden Zeit auch selbst fortzuschreiten. Alle vorhin
genannten Städte haben sich allmälig neuer Handelsgebicte, oder uur neuer,
besonders wichtiger Handelszweige bemächtigt, Hamburg allein hat dies nicht in
dem Maße gethan. — Im Gegentheil sogar hat es sich von Bremen aus dem
so überaus wichtigen nordamerikanischen Handel gewaltig heraufdrangen lassen,
eben so auch ans dem Tabakshandel im Allgemeinen, und auch in Deutschland
sieht es sein Handelsgebiet durch die Rührigkeit letzterer Stadt immer mehr ver¬
kleinert. Das Leben in Hamburg ist theilweise zu vergnügungssüchtig, zu kostspielig,
als daß die Handelsthätigkeit nicht darunter leiden sollte. Die jungen Hamburger
Kaufleute gehen ungern von hier ans längere Zeit fort, und versäumen dadurch die
Gelegenheit, neue entfernte Handelsverbindungen anzuknüpfen oder gar Comman-
diten in entfernten Ländern zu gründen. Man hat auch so Geld genug, um ver¬
gnügt leben zu können, warum sich aufs Neue plagen und gar viele Annehmlich¬
keiten opfern. Besonders die Söhne vieler reichen Häuser huldigen diesem Grund¬
satz und ziehen sich auf alle Weise aus dem Geschäft zurück, statt dasselbe gerade
durch ihre Kapitale zu vergrößern. Diese Lebensphilosophie hat sonst wohl Man¬
ches für sich, aber der Stadt, als Handelsplatz betrachtet, schadet sie unbedingt.

Dann ist es auch ein Unglück für Hamburg, daß es in letzter Zeit keinen
irgend bedeutenden, genialen Mann in seinem Senat gehabt, der es recht zu'neuen
Anstrengungen ermuntern, ihm die rechte Bahn hätte vorzeichnen können. Wäre
dies der Fall gewesen, gewiß manche Mißgriffe, wie sie jetzt geschehen sind, wä¬
ren vermieden worden, und namentlich hätte man sich nicht dazu hergegeben, sein
Interesse so sehr von dem des übrigen Dentschlandes zu trennen, wie man es jetzt
leider gethan. Wenn auch vielleicht uoch uicht in nächster Zeit, aber endlich doch
wird Hamburg Letzteres bitter zu bereuen haben. Jetzt noch steht es auf dem
Gipfel seiner Höhe, möge es ihn nur wahren, daß kein Rückschritt allmälig eintritt.
Es wäre zu beklagen, sollte Hamburg uicht das bleiben, oder vielmehr nicht
werden sollte, wozu es berufen ist, die erste Handelsstadt des vereinten Deutsch¬
lands. Hierzu aber muß es andere Wege einschlagen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/380>, abgerufen am 22.07.2024.