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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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angetroffen habe. Es kommen wohl einzelne Kleinlichkeiten und Lächerlichkeiten
dabei vor, Manches, worüber wir jetzt mit Recht spotten; aber dem Ganzen liegt
doch ein tüchtiger, ehrenhafter Grund nnter.

Lübeck ging mit der Eroberung von Amerika, die dem Handel eine ganz
andere Bahn gab und die Ostsee bald zu einem unbedeutenden Gewässer machte,
unter. ES strebt jetzt noch mit allen Kräften danach, sich einen ehrenvollen Platz
zu sichern, und wenn eS auch, Dank dieser Anstrengung, sich so eben vor
gänzlichem Untergang rettet -- eine irgeud bedeutende Handelsstadt wird es nie
wieder werden. Sein natürliches Handelsgebiet ist die Ostsee mit ihren jetzt
armen, rauhen Küsten. Wie soll es da viel Reichthum und Bedeutung sich holen ?
Und dies Terrain muß es noch mit den eben so günstig gelegenen "ut theilweise
noch auf verschiedene Weise geschützten Kiel, dem Todtfeind von Lübeck, "ut auf der
andern Seite mit Wismar, Rostock, Stralsund, Stettin und den übrigen preußi¬
schen Ostseehäfen theilen. Den Ostscehandel lahmt aber die gefährliche, langwierige
Sundpassage und der drückende Sundzoll, den Dänemark erhebt, und so lange
Beides uicht gehoben ist, wird die Ostsee immer nnr ein unbedeutendes Biunemvasser
bleiben. Ersteres wird wohl nie gelingen, da die Natur hier entgegensteht, Letz¬
teres (die Schimpflichste, ungerechteste Abgabe von der Welt) auch nur sehr schwer,
denn Dänemarks Halsstarrigkeit gibt allen Vorstellungen deswegen kein Gehör,
da seine durch schlechte Verwaltung ungemein zerrütteten Finanzen ohne diese sehr
beträchtliche Einualnue uicht bestehe" könnten. Dazu wurde Lübeck bisher wirklich
auf die härteste Weise und auf alle mögliche Art von jeder Verbindung mit
dem übrigen Deutschland abgeschnitten. Man verweigerte ihr von Seiten Däne¬
marks lange die gewünschte Chaussceverbindnng mit Hamburg, und nnr nach vie¬
lem Zögern und unter manchen ungünstigen Bedingungen erhielt es endlich die¬
selbe. Dann verweigerte man ihr bis ans die neueste Zeit jede Verbindung dnrch
eine Eisenbahn mit dem übrigen deutschen Eisenbahnnetze. Dänemark wollte den
Bau derselbe" uicht zugeben, aus Furcht, daß der Handel vo" Kiel dadurch
Schaden leiden köime und wohl mehr noch, daß die Einnahme des Snndzvlles
beeinträchtigt würde; Mecklenburg verweigerte ihn nicht ans gleicher Furcht hin--
sichtlich Rostocks und Wismar'S. Im letzteren Staate war die Regierung gro߬
artig und freidenkend genug, den Bau einer Eisenbahn von Lübeck nach Schwerin
zu unterstütze", die beiden Seestädte aber intriguirten in kleinlicher, egoistischer
Weise "lit alle" Kräften dagege", und die Land stände waren schwach genug,
denselben nachzugeben und das Gesuch Lübecks abzuschlagen.

Jetzt endlich hat Lübeck die so lang ersehnte Erlaubniß, eine Bahn zum An¬
schluß an die Hamburg-Berliner Bahn bauen zu dürfen erhalten, und wird mit
allem Eifer dahin streben, dieselbe möglichst bald zu vollenden. Daß eine solche
Bahn eine dringende Nothwendigkeit für Lübeck war, wollte es nicht von jeglicher
Verbindung, jeder Handelsthätigkeit abgeschnitten werden, ist gewiß, sonst hegt man


angetroffen habe. Es kommen wohl einzelne Kleinlichkeiten und Lächerlichkeiten
dabei vor, Manches, worüber wir jetzt mit Recht spotten; aber dem Ganzen liegt
doch ein tüchtiger, ehrenhafter Grund nnter.

Lübeck ging mit der Eroberung von Amerika, die dem Handel eine ganz
andere Bahn gab und die Ostsee bald zu einem unbedeutenden Gewässer machte,
unter. ES strebt jetzt noch mit allen Kräften danach, sich einen ehrenvollen Platz
zu sichern, und wenn eS auch, Dank dieser Anstrengung, sich so eben vor
gänzlichem Untergang rettet — eine irgeud bedeutende Handelsstadt wird es nie
wieder werden. Sein natürliches Handelsgebiet ist die Ostsee mit ihren jetzt
armen, rauhen Küsten. Wie soll es da viel Reichthum und Bedeutung sich holen ?
Und dies Terrain muß es noch mit den eben so günstig gelegenen »ut theilweise
noch auf verschiedene Weise geschützten Kiel, dem Todtfeind von Lübeck, »ut auf der
andern Seite mit Wismar, Rostock, Stralsund, Stettin und den übrigen preußi¬
schen Ostseehäfen theilen. Den Ostscehandel lahmt aber die gefährliche, langwierige
Sundpassage und der drückende Sundzoll, den Dänemark erhebt, und so lange
Beides uicht gehoben ist, wird die Ostsee immer nnr ein unbedeutendes Biunemvasser
bleiben. Ersteres wird wohl nie gelingen, da die Natur hier entgegensteht, Letz¬
teres (die Schimpflichste, ungerechteste Abgabe von der Welt) auch nur sehr schwer,
denn Dänemarks Halsstarrigkeit gibt allen Vorstellungen deswegen kein Gehör,
da seine durch schlechte Verwaltung ungemein zerrütteten Finanzen ohne diese sehr
beträchtliche Einualnue uicht bestehe» könnten. Dazu wurde Lübeck bisher wirklich
auf die härteste Weise und auf alle mögliche Art von jeder Verbindung mit
dem übrigen Deutschland abgeschnitten. Man verweigerte ihr von Seiten Däne¬
marks lange die gewünschte Chaussceverbindnng mit Hamburg, und nnr nach vie¬
lem Zögern und unter manchen ungünstigen Bedingungen erhielt es endlich die¬
selbe. Dann verweigerte man ihr bis ans die neueste Zeit jede Verbindung dnrch
eine Eisenbahn mit dem übrigen deutschen Eisenbahnnetze. Dänemark wollte den
Bau derselbe» uicht zugeben, aus Furcht, daß der Handel vo» Kiel dadurch
Schaden leiden köime und wohl mehr noch, daß die Einnahme des Snndzvlles
beeinträchtigt würde; Mecklenburg verweigerte ihn nicht ans gleicher Furcht hin--
sichtlich Rostocks und Wismar'S. Im letzteren Staate war die Regierung gro߬
artig und freidenkend genug, den Bau einer Eisenbahn von Lübeck nach Schwerin
zu unterstütze», die beiden Seestädte aber intriguirten in kleinlicher, egoistischer
Weise »lit alle» Kräften dagege», und die Land stände waren schwach genug,
denselben nachzugeben und das Gesuch Lübecks abzuschlagen.

Jetzt endlich hat Lübeck die so lang ersehnte Erlaubniß, eine Bahn zum An¬
schluß an die Hamburg-Berliner Bahn bauen zu dürfen erhalten, und wird mit
allem Eifer dahin streben, dieselbe möglichst bald zu vollenden. Daß eine solche
Bahn eine dringende Nothwendigkeit für Lübeck war, wollte es nicht von jeglicher
Verbindung, jeder Handelsthätigkeit abgeschnitten werden, ist gewiß, sonst hegt man


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/374>, abgerufen am 12.12.2024.