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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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i.
Aus Berlin.

Der .König "ut die Schweizer. -- Nachwehe" voni vorigen J->hr.,ebend. -- Die Magdeburger und ihre
Mcinungsg-nvssen. -- seliges Ende des CcnlrnlvcreinS.

Die Cabinetsordre, welche unser König an die .Behörden und Bürger von
Neuenburg erlassen, hat das unglaubliche Gerücht hervorgerufen, Preußen werde,
wenigstens im FaÄ einer Besetzung dieses Cantons durch eidgenössische Truppen, in
der Schweiz intervenircn. Abgesehen davon, daß es denn doch ein etwas weiter Weg
ist von Berlin nach den Vogesen, trägt dieses Gerücht in sich selbst das Gepräge sei¬
ner UnHaltbarkeit. Es mag mit dem formellen Rechtsconflict in der Schweiz beschaffen
sein, wie es wolle -- und so pick liegt wohl auf der Hand, daß aus beiden Seiten
ein gewisses Unrecht liegt --- die Frage ist nicht eine simple Rechtsfrage, es ist eine
politisch-religiöse, und wer sollte es da wohl glaublich finden, daß Friedrich Wii"
Helm IV., der Erbe jener erlauchten Hohenzollern, die ihren Staat als ein Bollwerk
für die evangelische Glaubensfreiheit aufrichteten, daß derselbe König, der noch als Schutz-
Herr des Gustav-.Adolsvercins die Vergangenheit der preußischen Politik sanctionirt hat,
zu Gunsten eines Ordens sein Schwert in dieWagschaale werfen sollte, der seit vielen
Jahrhunderten jenes Princip der Glaubensfreiheit mit einer Zähigkeit bekämpft hat,
die eben so der Bornirtheit als dem Genie eigen ist. In unserm eignen Lande haben
wir -- es ist noch nicht zehn Jahre her -- die Umtriebe des Jesuitismus kennen ge¬
lernt; wir haben gesehen, wie eine Gesellschaft, die kein anderes Vaterland kennt, als
das ultramontane der Kirche, den Boden des Vertrauens unterwühlt, welches die
Bürger mit der Negierung verbindet. Noch immer sind die Wunden, welche nament¬
lich in der Rheinprovinz der Ultramontanismus der vernünftigen Staatsorganisation
geschlagen, nicht verblutet; .noch immer ist die vxclks^ zu-oss-l ein Stichwort, welches
die Polen im Großherzogthum gegen das deutsche Element der Bevölkerung aufreizt.
Es ist daher lediglich der theoretische Rechtspunkt, in welchem das EinVerständniß des
Königs mit dem Rath von Neuenburg zu suchen ist. Von diesem Standpunkt aus ist
es allerdings anzuerkennen, daß die Neuenburger in der Beachtung der Neutralität we¬
nigstens consequent gewesen sind. Aber die Sympathien der preußischen Nation --
und der Enkel des großen Friedrich gehört doch wohl z" dieser -- sind entschieden sür die
Eidgenossenschaft, trotz aller Doctrin. Denn die Eidgenossen verfechten unsere Sache,
die Sache der Ausklärung; sie vertreten das Princip, dnrch welches Preußen groß ge-


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i.
Aus Berlin.

Der .König »ut die Schweizer. — Nachwehe» voni vorigen J->hr.,ebend. — Die Magdeburger und ihre
Mcinungsg-nvssen. — seliges Ende des CcnlrnlvcreinS.

Die Cabinetsordre, welche unser König an die .Behörden und Bürger von
Neuenburg erlassen, hat das unglaubliche Gerücht hervorgerufen, Preußen werde,
wenigstens im FaÄ einer Besetzung dieses Cantons durch eidgenössische Truppen, in
der Schweiz intervenircn. Abgesehen davon, daß es denn doch ein etwas weiter Weg
ist von Berlin nach den Vogesen, trägt dieses Gerücht in sich selbst das Gepräge sei¬
ner UnHaltbarkeit. Es mag mit dem formellen Rechtsconflict in der Schweiz beschaffen
sein, wie es wolle — und so pick liegt wohl auf der Hand, daß aus beiden Seiten
ein gewisses Unrecht liegt —- die Frage ist nicht eine simple Rechtsfrage, es ist eine
politisch-religiöse, und wer sollte es da wohl glaublich finden, daß Friedrich Wii«
Helm IV., der Erbe jener erlauchten Hohenzollern, die ihren Staat als ein Bollwerk
für die evangelische Glaubensfreiheit aufrichteten, daß derselbe König, der noch als Schutz-
Herr des Gustav-.Adolsvercins die Vergangenheit der preußischen Politik sanctionirt hat,
zu Gunsten eines Ordens sein Schwert in dieWagschaale werfen sollte, der seit vielen
Jahrhunderten jenes Princip der Glaubensfreiheit mit einer Zähigkeit bekämpft hat,
die eben so der Bornirtheit als dem Genie eigen ist. In unserm eignen Lande haben
wir — es ist noch nicht zehn Jahre her — die Umtriebe des Jesuitismus kennen ge¬
lernt; wir haben gesehen, wie eine Gesellschaft, die kein anderes Vaterland kennt, als
das ultramontane der Kirche, den Boden des Vertrauens unterwühlt, welches die
Bürger mit der Negierung verbindet. Noch immer sind die Wunden, welche nament¬
lich in der Rheinprovinz der Ultramontanismus der vernünftigen Staatsorganisation
geschlagen, nicht verblutet; .noch immer ist die vxclks^ zu-oss-l ein Stichwort, welches
die Polen im Großherzogthum gegen das deutsche Element der Bevölkerung aufreizt.
Es ist daher lediglich der theoretische Rechtspunkt, in welchem das EinVerständniß des
Königs mit dem Rath von Neuenburg zu suchen ist. Von diesem Standpunkt aus ist
es allerdings anzuerkennen, daß die Neuenburger in der Beachtung der Neutralität we¬
nigstens consequent gewesen sind. Aber die Sympathien der preußischen Nation —
und der Enkel des großen Friedrich gehört doch wohl z» dieser — sind entschieden sür die
Eidgenossenschaft, trotz aller Doctrin. Denn die Eidgenossen verfechten unsere Sache,
die Sache der Ausklärung; sie vertreten das Princip, dnrch welches Preußen groß ge-


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[0352] T a g e ki u clj. i. Aus Berlin. Der .König »ut die Schweizer. — Nachwehe» voni vorigen J->hr.,ebend. — Die Magdeburger und ihre Mcinungsg-nvssen. — seliges Ende des CcnlrnlvcreinS. Die Cabinetsordre, welche unser König an die .Behörden und Bürger von Neuenburg erlassen, hat das unglaubliche Gerücht hervorgerufen, Preußen werde, wenigstens im FaÄ einer Besetzung dieses Cantons durch eidgenössische Truppen, in der Schweiz intervenircn. Abgesehen davon, daß es denn doch ein etwas weiter Weg ist von Berlin nach den Vogesen, trägt dieses Gerücht in sich selbst das Gepräge sei¬ ner UnHaltbarkeit. Es mag mit dem formellen Rechtsconflict in der Schweiz beschaffen sein, wie es wolle — und so pick liegt wohl auf der Hand, daß aus beiden Seiten ein gewisses Unrecht liegt —- die Frage ist nicht eine simple Rechtsfrage, es ist eine politisch-religiöse, und wer sollte es da wohl glaublich finden, daß Friedrich Wii« Helm IV., der Erbe jener erlauchten Hohenzollern, die ihren Staat als ein Bollwerk für die evangelische Glaubensfreiheit aufrichteten, daß derselbe König, der noch als Schutz- Herr des Gustav-.Adolsvercins die Vergangenheit der preußischen Politik sanctionirt hat, zu Gunsten eines Ordens sein Schwert in dieWagschaale werfen sollte, der seit vielen Jahrhunderten jenes Princip der Glaubensfreiheit mit einer Zähigkeit bekämpft hat, die eben so der Bornirtheit als dem Genie eigen ist. In unserm eignen Lande haben wir — es ist noch nicht zehn Jahre her — die Umtriebe des Jesuitismus kennen ge¬ lernt; wir haben gesehen, wie eine Gesellschaft, die kein anderes Vaterland kennt, als das ultramontane der Kirche, den Boden des Vertrauens unterwühlt, welches die Bürger mit der Negierung verbindet. Noch immer sind die Wunden, welche nament¬ lich in der Rheinprovinz der Ultramontanismus der vernünftigen Staatsorganisation geschlagen, nicht verblutet; .noch immer ist die vxclks^ zu-oss-l ein Stichwort, welches die Polen im Großherzogthum gegen das deutsche Element der Bevölkerung aufreizt. Es ist daher lediglich der theoretische Rechtspunkt, in welchem das EinVerständniß des Königs mit dem Rath von Neuenburg zu suchen ist. Von diesem Standpunkt aus ist es allerdings anzuerkennen, daß die Neuenburger in der Beachtung der Neutralität we¬ nigstens consequent gewesen sind. Aber die Sympathien der preußischen Nation — und der Enkel des großen Friedrich gehört doch wohl z» dieser — sind entschieden sür die Eidgenossenschaft, trotz aller Doctrin. Denn die Eidgenossen verfechten unsere Sache, die Sache der Ausklärung; sie vertreten das Princip, dnrch welches Preußen groß ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/352>, abgerufen am 12.12.2024.