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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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dies hatte sehr schön Herr von Rumiguy zu Wege gebracht, der zum französischen
Gesandten in Bern ganz wie gemacht war. Mir blieb unter solchen Umständen
nichts übrig, als die Schnelle und die Berner, wie sie es verdienten, in ihrer
Erbärmlichkeit hinzustellen. Im eigenen Canton dürfte kein Blatt so frei reden.
Mit welcher Begierde der "Republikaner" damals in Bern gelesen wurde, ist aus
dem Umstände zu entnehmen, daß an den Pvsttagen, an welchen er in Bern ein¬
traf, Haufen von Menschen das Postgebändc umlagerten, um sogleich ein Exem¬
plar des unerschrockenen Wahrheits- und Freiheitsfreundes zu erhalten. Dafür
wurde das Blatt auf dem Lesezimmer in Burgdorf verboten. Die Kühnheit des
Republikaners ging aber für ein Parteiblatt gegen die eigene Partei zu weit.
Selbst der österreichische Beobachter und die Allgemeine Zeitung ehrten ihn seiner
Consequenz wegen, und weil er ihren Interessen und ihren Ansichten zusagte.
Als man sah, daß es unmöglich war, meine Verfahrungsweise zu ändern, griffen
meine radicalen Freunde zu dem einzig noch übrigen Mittel, mich unschädlich zu
mache", d. h. zur Verleumdung. Derselbe Mann, der später so bitter erfahren
hat, was Parteihaß vermocht, Robert Steiger von Luzern, insinnirte sehr
deutlich in den ihm zur Disposition stehenden Zeitungen: ich sei ein deutscher
Spion, den man in's Anstand gesandt, um Unfrieden zu stiften und Krieg zu
erregen, und den man später wohl mit einem Bändchen für die so wohl gespickte
Rolle belohnen werde. Solche Insinuation konnte ich zwar verachten, aber daß
sie von Leitern meiner eigenen Partei gegen mich gewagt werden durfte, zeigte
mir klar genug, daß man darauf rechnete, in Zürich nicht zu großer Mißbilligung
wegen eines solchen Schrittes zu begegnen. Und in der That, hätte mich die ra-
dicale Partei in Zürich nicht dnrch öffentliche Maßregeln im Sinne der von mir
vertheidigten Politik unterstützt, oder mir ein Zeichen öffentlichen Vertrauens
dnrch Verleihung des Bürgerrechts gegeben >-- eine Ehre, die damals spott-
wvhlfeil war -- so würde man sich von Seiten Beruf und Lnzerns anders
gegen mich benommen haben. Denn wie sehr man mich auch hassen oder fürchten
mochte, mit den Zürichern sich geradezu zu überwerfen, hatte man doch nicht ge¬
wagt. So aber ließen mich meine politischen Freunde in Zürich nur gewähren;
daß man mir nicht opponirte oder Vorschriften machte, wie ich den Republikaner
im Interesse der Partei redigiren sollte, schien ihnen von Seiten des Vertrauens
vollkommen genug. Darum hielt ich für das Gerathenste, abzutreten. Das hatte
man nicht erwartet, und man that alles mögliche in Versprechungen und freund¬
lichen Worten, um mich von meinem Vorsätze abzubringen. Aber ich war ent¬
schiede". Denn für einige Zeit Spannung zwischen mir und den Häuptern der
radicalen Partei. Damals, im Winter 1834 und 1835, war es, daß mir die
andere, oben unter dem Namen der Brutal-Radicalen erwähnte Fraction der libe¬
ralen Partei den Antrag machte, ein neues Blatt für mich zu gründe", da sie
glaubte, daß ich mit meinen früheren Freunden gänzlich zerfallen wäre. Diese


dies hatte sehr schön Herr von Rumiguy zu Wege gebracht, der zum französischen
Gesandten in Bern ganz wie gemacht war. Mir blieb unter solchen Umständen
nichts übrig, als die Schnelle und die Berner, wie sie es verdienten, in ihrer
Erbärmlichkeit hinzustellen. Im eigenen Canton dürfte kein Blatt so frei reden.
Mit welcher Begierde der „Republikaner" damals in Bern gelesen wurde, ist aus
dem Umstände zu entnehmen, daß an den Pvsttagen, an welchen er in Bern ein¬
traf, Haufen von Menschen das Postgebändc umlagerten, um sogleich ein Exem¬
plar des unerschrockenen Wahrheits- und Freiheitsfreundes zu erhalten. Dafür
wurde das Blatt auf dem Lesezimmer in Burgdorf verboten. Die Kühnheit des
Republikaners ging aber für ein Parteiblatt gegen die eigene Partei zu weit.
Selbst der österreichische Beobachter und die Allgemeine Zeitung ehrten ihn seiner
Consequenz wegen, und weil er ihren Interessen und ihren Ansichten zusagte.
Als man sah, daß es unmöglich war, meine Verfahrungsweise zu ändern, griffen
meine radicalen Freunde zu dem einzig noch übrigen Mittel, mich unschädlich zu
mache», d. h. zur Verleumdung. Derselbe Mann, der später so bitter erfahren
hat, was Parteihaß vermocht, Robert Steiger von Luzern, insinnirte sehr
deutlich in den ihm zur Disposition stehenden Zeitungen: ich sei ein deutscher
Spion, den man in's Anstand gesandt, um Unfrieden zu stiften und Krieg zu
erregen, und den man später wohl mit einem Bändchen für die so wohl gespickte
Rolle belohnen werde. Solche Insinuation konnte ich zwar verachten, aber daß
sie von Leitern meiner eigenen Partei gegen mich gewagt werden durfte, zeigte
mir klar genug, daß man darauf rechnete, in Zürich nicht zu großer Mißbilligung
wegen eines solchen Schrittes zu begegnen. Und in der That, hätte mich die ra-
dicale Partei in Zürich nicht dnrch öffentliche Maßregeln im Sinne der von mir
vertheidigten Politik unterstützt, oder mir ein Zeichen öffentlichen Vertrauens
dnrch Verleihung des Bürgerrechts gegeben >— eine Ehre, die damals spott-
wvhlfeil war — so würde man sich von Seiten Beruf und Lnzerns anders
gegen mich benommen haben. Denn wie sehr man mich auch hassen oder fürchten
mochte, mit den Zürichern sich geradezu zu überwerfen, hatte man doch nicht ge¬
wagt. So aber ließen mich meine politischen Freunde in Zürich nur gewähren;
daß man mir nicht opponirte oder Vorschriften machte, wie ich den Republikaner
im Interesse der Partei redigiren sollte, schien ihnen von Seiten des Vertrauens
vollkommen genug. Darum hielt ich für das Gerathenste, abzutreten. Das hatte
man nicht erwartet, und man that alles mögliche in Versprechungen und freund¬
lichen Worten, um mich von meinem Vorsätze abzubringen. Aber ich war ent¬
schiede». Denn für einige Zeit Spannung zwischen mir und den Häuptern der
radicalen Partei. Damals, im Winter 1834 und 1835, war es, daß mir die
andere, oben unter dem Namen der Brutal-Radicalen erwähnte Fraction der libe¬
ralen Partei den Antrag machte, ein neues Blatt für mich zu gründe», da sie
glaubte, daß ich mit meinen früheren Freunden gänzlich zerfallen wäre. Diese


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/350>, abgerufen am 22.07.2024.