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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Schultheß, v>. Ludwig Snell und Staatsrath Meyer von Knonau. Außer den
Genannten zählte die Partei noch manche achtbare Talente. Mit Ausnahme Meyer's
von Kronen waren alle jüngere Männer, nur Snell und Heß mochten mehr als
45 Jahre zählen. Man nannte die Partei auch die der Juristen oder die der
Talente. Und in letzterer Beziehung war sie wirklich die respcctablcste in der
ganzen Schweiz. So wenig früher wie später haben in irgend einem Eanton
so viele gebildete und begabte Männer an der Spitze der Geschäfte gestanden.
Die meisten von ihnen gehörten begünstigten Geschlechtern an, die unter dem alten
Regiment einzig zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten berufen waren. Aber
im Sinne des wahren Liberalismus hatte" sie bei deu Veränderungen, welche sie
vorbereiteten und die 18Z0 in'S Leben traten, nur an das allgemeine Interesse
und nicht an sich selber gedacht. Da sie aber die Leiter der Bewegung waren,
so konnte es ihnen natürlich nicht entgehen, an die Spitze des Gemeinwesens auch
nach veränderter Verfassung gestellt zu werden. Nur ein Jugend- und Strcbens-
genosse, nächst Keller der Talcutvollste, der jetzige Obcrgerichtspräsident B..., hatte
sich früh von den Liberalen, welche die Revolution von 1830 gemacht, abgewendet
und den Konservativen oder Aristokraten, wie sie damals noch genannt wurden,
zugewendet. Die Ursachen dieses Ueberganges wurde" verschieden angegeben, ich
glaube, daß sie gemischte und nicht reine Principien vertraten, denn damals
waren sehr wenige Chancen für die Rückkehr der conservativen Partei zum öffent¬
lichen Regiment? vorhanden. Ein Mann, der blos aus ehrgeizigen Motiven ge¬
handelt hätte, würde aber bei einem solchen Anschlusse seine Rechnung nicht ge¬
funden haben. Allen den Obengenannten muß der feste Wille nachgerühmt wer¬
den, das Interesse des Ganzen zu fördern und Verbesserungen in's Leben treten
zu lassen, welche zur Begründung der Constitution und zur Heranbildung des
Volkes für das wahre Verständniß derselben nöthig waren. Man ging in diesen
Maßregeln vielleicht etwas zu schnell vorwärts und vernachlässigte auf der andern
Seite, sich das Gemüth des Volkes zugethan zu erhalten. In rein demokratischen
Staaten, namentlich wenn dieselben klein sind, muß ein ungehemmter Verkehr
zwischen den Leitern und der Masse des Volks stattfinden, ein fortwährender Aus¬
tausch von Ideen und Ansichten, eine stete Berührung von Neigungen und Ge¬
fühlen. Das vernachlässigte die radicale Partei, welche in Folge der Ereignisse
von 1830 an's Nuder kam. Es fehlte ihr an Gemüth. Und in dieser Beziehung
beging selbst der sonst so gemüthliche Hirzel den großen Fehler, welcher später den
Sturz der Partei unmittelbar herbeiführte, den nämlich, Dr. David Strauß zu
einer Professur in der theologischen Fakultät Zürich zu berufen. Mit diesem Ereignisse
habe ich indessen nichts zu schaffen. Da meine Stellung als Leiter des Haupt¬
organs der radicale" Partei in der Schweiz (des schweizerischen Republikaners)
mich in vielfache und intime Berührung mit 'den Häuptern der Partei brachte,
wird man vielleicht in einigen Worte" eine Charakterisirung derselben erwarten.


Schultheß, v>. Ludwig Snell und Staatsrath Meyer von Knonau. Außer den
Genannten zählte die Partei noch manche achtbare Talente. Mit Ausnahme Meyer's
von Kronen waren alle jüngere Männer, nur Snell und Heß mochten mehr als
45 Jahre zählen. Man nannte die Partei auch die der Juristen oder die der
Talente. Und in letzterer Beziehung war sie wirklich die respcctablcste in der
ganzen Schweiz. So wenig früher wie später haben in irgend einem Eanton
so viele gebildete und begabte Männer an der Spitze der Geschäfte gestanden.
Die meisten von ihnen gehörten begünstigten Geschlechtern an, die unter dem alten
Regiment einzig zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten berufen waren. Aber
im Sinne des wahren Liberalismus hatte» sie bei deu Veränderungen, welche sie
vorbereiteten und die 18Z0 in'S Leben traten, nur an das allgemeine Interesse
und nicht an sich selber gedacht. Da sie aber die Leiter der Bewegung waren,
so konnte es ihnen natürlich nicht entgehen, an die Spitze des Gemeinwesens auch
nach veränderter Verfassung gestellt zu werden. Nur ein Jugend- und Strcbens-
genosse, nächst Keller der Talcutvollste, der jetzige Obcrgerichtspräsident B..., hatte
sich früh von den Liberalen, welche die Revolution von 1830 gemacht, abgewendet
und den Konservativen oder Aristokraten, wie sie damals noch genannt wurden,
zugewendet. Die Ursachen dieses Ueberganges wurde» verschieden angegeben, ich
glaube, daß sie gemischte und nicht reine Principien vertraten, denn damals
waren sehr wenige Chancen für die Rückkehr der conservativen Partei zum öffent¬
lichen Regiment? vorhanden. Ein Mann, der blos aus ehrgeizigen Motiven ge¬
handelt hätte, würde aber bei einem solchen Anschlusse seine Rechnung nicht ge¬
funden haben. Allen den Obengenannten muß der feste Wille nachgerühmt wer¬
den, das Interesse des Ganzen zu fördern und Verbesserungen in's Leben treten
zu lassen, welche zur Begründung der Constitution und zur Heranbildung des
Volkes für das wahre Verständniß derselben nöthig waren. Man ging in diesen
Maßregeln vielleicht etwas zu schnell vorwärts und vernachlässigte auf der andern
Seite, sich das Gemüth des Volkes zugethan zu erhalten. In rein demokratischen
Staaten, namentlich wenn dieselben klein sind, muß ein ungehemmter Verkehr
zwischen den Leitern und der Masse des Volks stattfinden, ein fortwährender Aus¬
tausch von Ideen und Ansichten, eine stete Berührung von Neigungen und Ge¬
fühlen. Das vernachlässigte die radicale Partei, welche in Folge der Ereignisse
von 1830 an's Nuder kam. Es fehlte ihr an Gemüth. Und in dieser Beziehung
beging selbst der sonst so gemüthliche Hirzel den großen Fehler, welcher später den
Sturz der Partei unmittelbar herbeiführte, den nämlich, Dr. David Strauß zu
einer Professur in der theologischen Fakultät Zürich zu berufen. Mit diesem Ereignisse
habe ich indessen nichts zu schaffen. Da meine Stellung als Leiter des Haupt¬
organs der radicale» Partei in der Schweiz (des schweizerischen Republikaners)
mich in vielfache und intime Berührung mit 'den Häuptern der Partei brachte,
wird man vielleicht in einigen Worte» eine Charakterisirung derselben erwarten.


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[0346] Schultheß, v>. Ludwig Snell und Staatsrath Meyer von Knonau. Außer den Genannten zählte die Partei noch manche achtbare Talente. Mit Ausnahme Meyer's von Kronen waren alle jüngere Männer, nur Snell und Heß mochten mehr als 45 Jahre zählen. Man nannte die Partei auch die der Juristen oder die der Talente. Und in letzterer Beziehung war sie wirklich die respcctablcste in der ganzen Schweiz. So wenig früher wie später haben in irgend einem Eanton so viele gebildete und begabte Männer an der Spitze der Geschäfte gestanden. Die meisten von ihnen gehörten begünstigten Geschlechtern an, die unter dem alten Regiment einzig zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten berufen waren. Aber im Sinne des wahren Liberalismus hatte» sie bei deu Veränderungen, welche sie vorbereiteten und die 18Z0 in'S Leben traten, nur an das allgemeine Interesse und nicht an sich selber gedacht. Da sie aber die Leiter der Bewegung waren, so konnte es ihnen natürlich nicht entgehen, an die Spitze des Gemeinwesens auch nach veränderter Verfassung gestellt zu werden. Nur ein Jugend- und Strcbens- genosse, nächst Keller der Talcutvollste, der jetzige Obcrgerichtspräsident B..., hatte sich früh von den Liberalen, welche die Revolution von 1830 gemacht, abgewendet und den Konservativen oder Aristokraten, wie sie damals noch genannt wurden, zugewendet. Die Ursachen dieses Ueberganges wurde» verschieden angegeben, ich glaube, daß sie gemischte und nicht reine Principien vertraten, denn damals waren sehr wenige Chancen für die Rückkehr der conservativen Partei zum öffent¬ lichen Regiment? vorhanden. Ein Mann, der blos aus ehrgeizigen Motiven ge¬ handelt hätte, würde aber bei einem solchen Anschlusse seine Rechnung nicht ge¬ funden haben. Allen den Obengenannten muß der feste Wille nachgerühmt wer¬ den, das Interesse des Ganzen zu fördern und Verbesserungen in's Leben treten zu lassen, welche zur Begründung der Constitution und zur Heranbildung des Volkes für das wahre Verständniß derselben nöthig waren. Man ging in diesen Maßregeln vielleicht etwas zu schnell vorwärts und vernachlässigte auf der andern Seite, sich das Gemüth des Volkes zugethan zu erhalten. In rein demokratischen Staaten, namentlich wenn dieselben klein sind, muß ein ungehemmter Verkehr zwischen den Leitern und der Masse des Volks stattfinden, ein fortwährender Aus¬ tausch von Ideen und Ansichten, eine stete Berührung von Neigungen und Ge¬ fühlen. Das vernachlässigte die radicale Partei, welche in Folge der Ereignisse von 1830 an's Nuder kam. Es fehlte ihr an Gemüth. Und in dieser Beziehung beging selbst der sonst so gemüthliche Hirzel den großen Fehler, welcher später den Sturz der Partei unmittelbar herbeiführte, den nämlich, Dr. David Strauß zu einer Professur in der theologischen Fakultät Zürich zu berufen. Mit diesem Ereignisse habe ich indessen nichts zu schaffen. Da meine Stellung als Leiter des Haupt¬ organs der radicale» Partei in der Schweiz (des schweizerischen Republikaners) mich in vielfache und intime Berührung mit 'den Häuptern der Partei brachte, wird man vielleicht in einigen Worte» eine Charakterisirung derselben erwarten.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/346>, abgerufen am 02.10.2024.