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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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isolirten Lebens, der Aberglaube an eine extramundane Lebenskraft und was sich
sonst mystisches daran knüpft, wird gebrochen, aber darum das Leben nicht auf¬
gehoben; denn wenn es auch weiter nichts ist, als eine bestimmte Beziehung der
einen Kraft auf die andere, so ist es darum nicht weniger wirklich, eben so wie
die Realität der Farbe dadurch nicht aufgehoben wird, daß man sie als bloße
Beziehung des Lichtes ans die Materie begreift. -- Der innere Schooß des Pla¬
neten ist uns verschlossen; dagegen umgibt uus Luft und Wasser in unmittelbarer
Gegenwart; es ist der Quell unseres eigensten Lebens, und doch müssen wir er¬
kennen, daß auch in ihm die tiefsten Geheimnisse sich verbergen, daß in der Lust,
die wir einathmen, ein eben so großer Reichthum des Naturzaubers sich verschließe,
als in den unergründlichen Tiefen, in denen der Erdgeist haust. Ja es füllt sich
Luft, Erde und Meer mit der zweiten Unendlichkeit, dem unendlich kleinen, innern
Leben, dessen inneres Wesen uus uoch ein Geheimniß ist, wenn es uns auch in
unserem eigenen Sem durchdringt. Die Betrachtung des Mensche", als des höch¬
sten Products der Schöpfung, schließt den ersten Theil des Werkes.

Und nun werden wir aus der objectiven Darstellung des Naturgesetzes in
sein Werden im menschlichen Geist hineingezogen. Der zweite Theil behandelt die
Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen, und von dem
Zusammenwirken der Kräfte im Weltall. Es ist bekannt, wie in der neumodischen
Mystik unserer romantischen Naturphilosophen die Sage zu einer Art Autorität
geworden ist, daß in der Urzeit ein Nvrmalvolk gelebt habe, das in unmittelba-
rer Anschauung das Wissen von göttlichen und irdischen Dingen in seiner Voll¬
kommenheit besessen habe; ein unmittelbares Wissen, das durch den Sündenfall
der menschlichen Freiheit aufgehoben, und später uur durch einzelne, von Oben
her in den Geist hereinstrahlende Lichtfunken wieder erneuert sei; eine Theorie,
die als eine reflectirte Wiederaufnahme des alten Aberglaubens zu fassen ist,
nach welchem alle geistigen Functionen in ihrer abstracten Reinheit dem menschli¬
chen Geschlecht vou anderswoher überliefert waren. Der Kosmos, ein Tempel
der Aufklärung in ihrem reinsten, edelsten Styl, geht über diese Fabeln mit dem
Lächeln hinweg, das allein der Wissenschaft wüsten Phantasieen gegenüber ge¬
ziemt, und entwickelt ebenso, wie er die Sprache als einen Ausdruck der verschie¬
denen aber keineswegs isolirten -- Organisation der Stimme herleitet, das
Wissen von dem Naturganzen als ein Abbild der fortschreitenden Cultur. Wir
haben hier, zwar nur in einem besonderen Moment, aber in einer dem Geist
angemessensten Thätigkeit, eine Entwickelung der Weltgeschichte. Denn Geschichte
ist die Entwickelung des Bewußtseins der Freiheit; der Gegensatz der Freiheit ist
die Naturnotwendigkeit, das blinde Schicksal; diese wird nicht dadurch aufgehoben,
daß man ihr entflieht, sondern daß man sie als die seinige begreift. Indem es
sich in der Natur zu Hause fand, ist das menschliche Geschlecht frei geworden.
In großen, kühnen Zügen werden uns die Phasen dieser Entwickelung dargestellt.


isolirten Lebens, der Aberglaube an eine extramundane Lebenskraft und was sich
sonst mystisches daran knüpft, wird gebrochen, aber darum das Leben nicht auf¬
gehoben; denn wenn es auch weiter nichts ist, als eine bestimmte Beziehung der
einen Kraft auf die andere, so ist es darum nicht weniger wirklich, eben so wie
die Realität der Farbe dadurch nicht aufgehoben wird, daß man sie als bloße
Beziehung des Lichtes ans die Materie begreift. — Der innere Schooß des Pla¬
neten ist uns verschlossen; dagegen umgibt uus Luft und Wasser in unmittelbarer
Gegenwart; es ist der Quell unseres eigensten Lebens, und doch müssen wir er¬
kennen, daß auch in ihm die tiefsten Geheimnisse sich verbergen, daß in der Lust,
die wir einathmen, ein eben so großer Reichthum des Naturzaubers sich verschließe,
als in den unergründlichen Tiefen, in denen der Erdgeist haust. Ja es füllt sich
Luft, Erde und Meer mit der zweiten Unendlichkeit, dem unendlich kleinen, innern
Leben, dessen inneres Wesen uus uoch ein Geheimniß ist, wenn es uns auch in
unserem eigenen Sem durchdringt. Die Betrachtung des Mensche», als des höch¬
sten Products der Schöpfung, schließt den ersten Theil des Werkes.

Und nun werden wir aus der objectiven Darstellung des Naturgesetzes in
sein Werden im menschlichen Geist hineingezogen. Der zweite Theil behandelt die
Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen, und von dem
Zusammenwirken der Kräfte im Weltall. Es ist bekannt, wie in der neumodischen
Mystik unserer romantischen Naturphilosophen die Sage zu einer Art Autorität
geworden ist, daß in der Urzeit ein Nvrmalvolk gelebt habe, das in unmittelba-
rer Anschauung das Wissen von göttlichen und irdischen Dingen in seiner Voll¬
kommenheit besessen habe; ein unmittelbares Wissen, das durch den Sündenfall
der menschlichen Freiheit aufgehoben, und später uur durch einzelne, von Oben
her in den Geist hereinstrahlende Lichtfunken wieder erneuert sei; eine Theorie,
die als eine reflectirte Wiederaufnahme des alten Aberglaubens zu fassen ist,
nach welchem alle geistigen Functionen in ihrer abstracten Reinheit dem menschli¬
chen Geschlecht vou anderswoher überliefert waren. Der Kosmos, ein Tempel
der Aufklärung in ihrem reinsten, edelsten Styl, geht über diese Fabeln mit dem
Lächeln hinweg, das allein der Wissenschaft wüsten Phantasieen gegenüber ge¬
ziemt, und entwickelt ebenso, wie er die Sprache als einen Ausdruck der verschie¬
denen aber keineswegs isolirten — Organisation der Stimme herleitet, das
Wissen von dem Naturganzen als ein Abbild der fortschreitenden Cultur. Wir
haben hier, zwar nur in einem besonderen Moment, aber in einer dem Geist
angemessensten Thätigkeit, eine Entwickelung der Weltgeschichte. Denn Geschichte
ist die Entwickelung des Bewußtseins der Freiheit; der Gegensatz der Freiheit ist
die Naturnotwendigkeit, das blinde Schicksal; diese wird nicht dadurch aufgehoben,
daß man ihr entflieht, sondern daß man sie als die seinige begreift. Indem es
sich in der Natur zu Hause fand, ist das menschliche Geschlecht frei geworden.
In großen, kühnen Zügen werden uns die Phasen dieser Entwickelung dargestellt.


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[0328] isolirten Lebens, der Aberglaube an eine extramundane Lebenskraft und was sich sonst mystisches daran knüpft, wird gebrochen, aber darum das Leben nicht auf¬ gehoben; denn wenn es auch weiter nichts ist, als eine bestimmte Beziehung der einen Kraft auf die andere, so ist es darum nicht weniger wirklich, eben so wie die Realität der Farbe dadurch nicht aufgehoben wird, daß man sie als bloße Beziehung des Lichtes ans die Materie begreift. — Der innere Schooß des Pla¬ neten ist uns verschlossen; dagegen umgibt uus Luft und Wasser in unmittelbarer Gegenwart; es ist der Quell unseres eigensten Lebens, und doch müssen wir er¬ kennen, daß auch in ihm die tiefsten Geheimnisse sich verbergen, daß in der Lust, die wir einathmen, ein eben so großer Reichthum des Naturzaubers sich verschließe, als in den unergründlichen Tiefen, in denen der Erdgeist haust. Ja es füllt sich Luft, Erde und Meer mit der zweiten Unendlichkeit, dem unendlich kleinen, innern Leben, dessen inneres Wesen uus uoch ein Geheimniß ist, wenn es uns auch in unserem eigenen Sem durchdringt. Die Betrachtung des Mensche», als des höch¬ sten Products der Schöpfung, schließt den ersten Theil des Werkes. Und nun werden wir aus der objectiven Darstellung des Naturgesetzes in sein Werden im menschlichen Geist hineingezogen. Der zweite Theil behandelt die Geschichte des Gedankens von der Einheit in den Erscheinungen, und von dem Zusammenwirken der Kräfte im Weltall. Es ist bekannt, wie in der neumodischen Mystik unserer romantischen Naturphilosophen die Sage zu einer Art Autorität geworden ist, daß in der Urzeit ein Nvrmalvolk gelebt habe, das in unmittelba- rer Anschauung das Wissen von göttlichen und irdischen Dingen in seiner Voll¬ kommenheit besessen habe; ein unmittelbares Wissen, das durch den Sündenfall der menschlichen Freiheit aufgehoben, und später uur durch einzelne, von Oben her in den Geist hereinstrahlende Lichtfunken wieder erneuert sei; eine Theorie, die als eine reflectirte Wiederaufnahme des alten Aberglaubens zu fassen ist, nach welchem alle geistigen Functionen in ihrer abstracten Reinheit dem menschli¬ chen Geschlecht vou anderswoher überliefert waren. Der Kosmos, ein Tempel der Aufklärung in ihrem reinsten, edelsten Styl, geht über diese Fabeln mit dem Lächeln hinweg, das allein der Wissenschaft wüsten Phantasieen gegenüber ge¬ ziemt, und entwickelt ebenso, wie er die Sprache als einen Ausdruck der verschie¬ denen aber keineswegs isolirten — Organisation der Stimme herleitet, das Wissen von dem Naturganzen als ein Abbild der fortschreitenden Cultur. Wir haben hier, zwar nur in einem besonderen Moment, aber in einer dem Geist angemessensten Thätigkeit, eine Entwickelung der Weltgeschichte. Denn Geschichte ist die Entwickelung des Bewußtseins der Freiheit; der Gegensatz der Freiheit ist die Naturnotwendigkeit, das blinde Schicksal; diese wird nicht dadurch aufgehoben, daß man ihr entflieht, sondern daß man sie als die seinige begreift. Indem es sich in der Natur zu Hause fand, ist das menschliche Geschlecht frei geworden. In großen, kühnen Zügen werden uns die Phasen dieser Entwickelung dargestellt.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/328>, abgerufen am 22.07.2024.