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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Zukunft der Menschen bloszustellen, die mit ihnen dieselbe Beschäftigung treibe",
mit welchen sie täglich zusammenkommen, die mit ihnen an einem Tische arbeiten.
Die Gewohnheit Nebenwege zu gehen, unter der Erde zu arbeiten macht einen
guten Theil der Beamten zur Tücke aufgelegt. Daß sie ihre Feinde gerade in
den nächsten Umgebungen haben, macht sie verschlossen, ungesellig, menschenfeindlich.

Die Bureaukratie ist in neuer Zeit häufig nud heftig angegriffen worden.
Die österreichische Censur schneidet ihr die Mittel ab die Einrichtungen mannhaft
zu machen, welche an den Thatsache Schuld tragen, die ihr zur Last fallen. Wenn
die Ehre einer Klasse lange ungestraft geschmäht werden kann, wenn in ihr selbst
kein Zusammenhalten ist, wenn ihre Organisation darauf berechnet erscheint sie von
ihrer Pflichterfüllung abzuziehen, ist es keine besondere Erscheinung, daß ein Stand
dasteht, der eine völlige Ncgencrirung wünschen läßt.

Ich komme nun auf einige besondere Richtungen, welche die Condnitenlistcn
(Competenztabellen) der Thätigkeit der österreichischen Bureaukratie geben.

Die Ranglisten dieser Bureaukratie, die Schematismen, Staatsalmanache thun
dar, daß der höhere Beamtenstand des Kaiserthums seinem bei weitem größten
Theil nach dem Adel angehört. Die Minister, die Chefs der StaatSscetivnen,
die Civilgouverueurs, die Präsidenten, die KreiShauptlcute gehören der Aristo¬
kratie an.

Der Adel ist ein geschlossener Stand. Nichts ist natürlicher, als daß der
Einzelne im Interesse der Corporation wirkt, welcher er mit seiner Familie ange¬
hört. Dieser Wirksamkeit öffnet die Conduitenliste ein weites Feld. Als ein
Damoklesschwert hängt sie über dem bürgerlichen Beamten und zwingt ihn in
die Geleise seiner Obern.

Wir sehen die Interessen des Adels alle Verwaltungszweige beherrschen. Die
Urbarialabgabeu der Bauern, der Zehcnt, das Recht zu besitzen werden nach ihnen .
beurtheilt. Die Steuernmlcgung, die Gesetze über die Militairpflicht, die Nangs-
bcstimmnngen tragen dasselbe aristokratische Gepräge. Bei Gutachten in Fideikomiß-
angelcgenheiten, in Ständesachen ist es der Eine Stand um den sich Alles dreht.

Die in untern hierarchischen Stufen dienenden Adeligen- werden möglichst her¬
vorgehoben. Sie erhalten bei den Staatsprüfungen vorzügliche Noten, ihre Ar¬
beiten werden für ausgezeichnet erklärt, sie werden vor Andern eiuer Beförderung
würdig erkannt. So steigen sie, gehoben durch die Präsidenten, welche im ge¬
sellschaftlichen Leben ihnen nahe stehen, gehoben selbst durch die ihnen vorgesetzten
unadligen Beamten, welche zu ihrem Schaden und zum Schaden ihrer Familien
und Mitbcamten sie heben müssen. DaS wohlfeile Glück in der Bureaukratie lockt
eine immer größere Zahl wappenmäßiger Leute an. Ihre Menge drückt die nnad-
ligen Beamten ans immer tiefere Stufen der Hierarchie. Mit jeder Klasse aber,
welche die Adligen mehr inne bekommen, wird ihr Einfluß auf das Land unmit¬
telbarer und fühlbarer.


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Zukunft der Menschen bloszustellen, die mit ihnen dieselbe Beschäftigung treibe»,
mit welchen sie täglich zusammenkommen, die mit ihnen an einem Tische arbeiten.
Die Gewohnheit Nebenwege zu gehen, unter der Erde zu arbeiten macht einen
guten Theil der Beamten zur Tücke aufgelegt. Daß sie ihre Feinde gerade in
den nächsten Umgebungen haben, macht sie verschlossen, ungesellig, menschenfeindlich.

Die Bureaukratie ist in neuer Zeit häufig nud heftig angegriffen worden.
Die österreichische Censur schneidet ihr die Mittel ab die Einrichtungen mannhaft
zu machen, welche an den Thatsache Schuld tragen, die ihr zur Last fallen. Wenn
die Ehre einer Klasse lange ungestraft geschmäht werden kann, wenn in ihr selbst
kein Zusammenhalten ist, wenn ihre Organisation darauf berechnet erscheint sie von
ihrer Pflichterfüllung abzuziehen, ist es keine besondere Erscheinung, daß ein Stand
dasteht, der eine völlige Ncgencrirung wünschen läßt.

Ich komme nun auf einige besondere Richtungen, welche die Condnitenlistcn
(Competenztabellen) der Thätigkeit der österreichischen Bureaukratie geben.

Die Ranglisten dieser Bureaukratie, die Schematismen, Staatsalmanache thun
dar, daß der höhere Beamtenstand des Kaiserthums seinem bei weitem größten
Theil nach dem Adel angehört. Die Minister, die Chefs der StaatSscetivnen,
die Civilgouverueurs, die Präsidenten, die KreiShauptlcute gehören der Aristo¬
kratie an.

Der Adel ist ein geschlossener Stand. Nichts ist natürlicher, als daß der
Einzelne im Interesse der Corporation wirkt, welcher er mit seiner Familie ange¬
hört. Dieser Wirksamkeit öffnet die Conduitenliste ein weites Feld. Als ein
Damoklesschwert hängt sie über dem bürgerlichen Beamten und zwingt ihn in
die Geleise seiner Obern.

Wir sehen die Interessen des Adels alle Verwaltungszweige beherrschen. Die
Urbarialabgabeu der Bauern, der Zehcnt, das Recht zu besitzen werden nach ihnen .
beurtheilt. Die Steuernmlcgung, die Gesetze über die Militairpflicht, die Nangs-
bcstimmnngen tragen dasselbe aristokratische Gepräge. Bei Gutachten in Fideikomiß-
angelcgenheiten, in Ständesachen ist es der Eine Stand um den sich Alles dreht.

Die in untern hierarchischen Stufen dienenden Adeligen- werden möglichst her¬
vorgehoben. Sie erhalten bei den Staatsprüfungen vorzügliche Noten, ihre Ar¬
beiten werden für ausgezeichnet erklärt, sie werden vor Andern eiuer Beförderung
würdig erkannt. So steigen sie, gehoben durch die Präsidenten, welche im ge¬
sellschaftlichen Leben ihnen nahe stehen, gehoben selbst durch die ihnen vorgesetzten
unadligen Beamten, welche zu ihrem Schaden und zum Schaden ihrer Familien
und Mitbcamten sie heben müssen. DaS wohlfeile Glück in der Bureaukratie lockt
eine immer größere Zahl wappenmäßiger Leute an. Ihre Menge drückt die nnad-
ligen Beamten ans immer tiefere Stufen der Hierarchie. Mit jeder Klasse aber,
welche die Adligen mehr inne bekommen, wird ihr Einfluß auf das Land unmit¬
telbarer und fühlbarer.


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[0289] Zukunft der Menschen bloszustellen, die mit ihnen dieselbe Beschäftigung treibe», mit welchen sie täglich zusammenkommen, die mit ihnen an einem Tische arbeiten. Die Gewohnheit Nebenwege zu gehen, unter der Erde zu arbeiten macht einen guten Theil der Beamten zur Tücke aufgelegt. Daß sie ihre Feinde gerade in den nächsten Umgebungen haben, macht sie verschlossen, ungesellig, menschenfeindlich. Die Bureaukratie ist in neuer Zeit häufig nud heftig angegriffen worden. Die österreichische Censur schneidet ihr die Mittel ab die Einrichtungen mannhaft zu machen, welche an den Thatsache Schuld tragen, die ihr zur Last fallen. Wenn die Ehre einer Klasse lange ungestraft geschmäht werden kann, wenn in ihr selbst kein Zusammenhalten ist, wenn ihre Organisation darauf berechnet erscheint sie von ihrer Pflichterfüllung abzuziehen, ist es keine besondere Erscheinung, daß ein Stand dasteht, der eine völlige Ncgencrirung wünschen läßt. Ich komme nun auf einige besondere Richtungen, welche die Condnitenlistcn (Competenztabellen) der Thätigkeit der österreichischen Bureaukratie geben. Die Ranglisten dieser Bureaukratie, die Schematismen, Staatsalmanache thun dar, daß der höhere Beamtenstand des Kaiserthums seinem bei weitem größten Theil nach dem Adel angehört. Die Minister, die Chefs der StaatSscetivnen, die Civilgouverueurs, die Präsidenten, die KreiShauptlcute gehören der Aristo¬ kratie an. Der Adel ist ein geschlossener Stand. Nichts ist natürlicher, als daß der Einzelne im Interesse der Corporation wirkt, welcher er mit seiner Familie ange¬ hört. Dieser Wirksamkeit öffnet die Conduitenliste ein weites Feld. Als ein Damoklesschwert hängt sie über dem bürgerlichen Beamten und zwingt ihn in die Geleise seiner Obern. Wir sehen die Interessen des Adels alle Verwaltungszweige beherrschen. Die Urbarialabgabeu der Bauern, der Zehcnt, das Recht zu besitzen werden nach ihnen . beurtheilt. Die Steuernmlcgung, die Gesetze über die Militairpflicht, die Nangs- bcstimmnngen tragen dasselbe aristokratische Gepräge. Bei Gutachten in Fideikomiß- angelcgenheiten, in Ständesachen ist es der Eine Stand um den sich Alles dreht. Die in untern hierarchischen Stufen dienenden Adeligen- werden möglichst her¬ vorgehoben. Sie erhalten bei den Staatsprüfungen vorzügliche Noten, ihre Ar¬ beiten werden für ausgezeichnet erklärt, sie werden vor Andern eiuer Beförderung würdig erkannt. So steigen sie, gehoben durch die Präsidenten, welche im ge¬ sellschaftlichen Leben ihnen nahe stehen, gehoben selbst durch die ihnen vorgesetzten unadligen Beamten, welche zu ihrem Schaden und zum Schaden ihrer Familien und Mitbcamten sie heben müssen. DaS wohlfeile Glück in der Bureaukratie lockt eine immer größere Zahl wappenmäßiger Leute an. Ihre Menge drückt die nnad- ligen Beamten ans immer tiefere Stufen der Hierarchie. Mit jeder Klasse aber, welche die Adligen mehr inne bekommen, wird ihr Einfluß auf das Land unmit¬ telbarer und fühlbarer. SK-nzbvlen. IV. 37

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/289>, abgerufen am 22.07.2024.