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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Das Avancement in Oesterreich bestimme" nach den bestehenden Gesetzen
und Regulativen -- Fähigkeiten, Fleiß und Betragen. (Hhfd. v. 28. Den. 18! I.
und 23. Februar l82t.) Lange, treue Dienste geben keine Ansprüche aus Vor¬
rückung. (Hkzd. v. 14. Jänner und Hhfd. v. 5. Februar 181^.) Ein erledigter
Dienstpvsten ist an deu würdigsten Beamten zu verleihen. Die Personen und
Behörden, welche erledigte Posten zu vergeben, oder sür sie Kandidaten vorzu¬
schlagen haben, sind verpflichtet, ohne alle Nebenrücksichten deu fähigsten, deu in
jeder Beziehung kärglichsten, den sittlichsten Beamten zu berücksichtigen. Die Con-
dnitenlisten sollen die einzige Grundlage der Beurtheilung der Kandidaten zu sein.
Ihnen gegenüber hat kein Beamter das Recht, seinen Privatinteressen irgend eine
Wirkung zu geben.

Daß die österreichische Gesetze die zu einem Amte erforderliche" Qualitäten
im Superlativ verlangen und bei Aemtcrbesetzungcn blos ans das Beste des Dien¬
stes zu sehen gebieten, erspart deu AmtSvvrstchern die Unannehmlichkeit, einem
Manne übel nachzureden, wenn sie ihn zurückgesetzt haben wollen. Sie schildern
ihn als einen geschickten Manu, währeud sie ihren Maun als ausgezeich¬
net schildern. Sie erklären eine Qualität sür im Interesse des Dienstes wünschens¬
wert!), welche der Beamte, der an der Reihe ist, vielleicht in einem geringen
Grade hat. Sie verlangen hente einen jungen, rüstigen Manu, und so wird
der gesündeste, der jüngste an Dienstjahren befördert. Ein anderes Amt
will einen erfahrnen, gereiften, nnisichtigeu Menschen; es wird an einen Greis
verliehen. Heute wird das Alter berücksichtigt, morgen die Betrachtung, daß
dieser oder jener Beamte in der Diensteigenschaft, in welcher man ihn will, er¬
sprießlichere Dienste leisten werde, als in der bisherigen u. s. w. Die ohne Schuld
zurückgesetzten Beamten drücken das unmuthig dahin aus: "Einmal bin ich zu
kurz, das andere Mal zu lang, ein drittes Mal zu dick, ein letztes Mal zu dünn."

Der Amtsvorsteher ist unfehlbar, wenn er den Untergebnen beurtheilt. Sein
Ausspruch inappellabel. Ohne Rücksicht, ob er von frühern Aussprüchen abweicht,
gilt er als eine unwiderlcgliche Wahrheit, als eine praosumtio M-i" et d"i jure.

Die österreichischen Schulen sind von unten herauf Staatsschuld". In den
Elementarschulen, ans den Gymnasien und Universitäten wird der Studirende alle
halbe Jahre von sachkundigen Staatsbeamten unter Controle anderer sachkundiger
Staatsbeamten geprüft. Ueber den Erfolg seiner Prüfungen werden ihm officielle
Zeugnisse ausgefertigt. Der junge Mann, welcher nach vollendeten Studien in
Staatsdienste treten will, muß ausweisen, daß er in jedem Momente seines Le¬
bens ein durchaus anständiger Mensch gewesen. Er muß sich einer sechswöchent-
lichen bis sechsmonatlichen Probcdienstleistnng unterziehen, welche ihm in keiner
Beziehung als Dienstleistung gerechnet wird. Er wird, wenn es sich um die
unterste Schreiberstelle handelt, dnrch eine kaiserliche Commission geprüft und nur
nach gut bestandenen Examen aufgenommen.


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Das Avancement in Oesterreich bestimme» nach den bestehenden Gesetzen
und Regulativen — Fähigkeiten, Fleiß und Betragen. (Hhfd. v. 28. Den. 18! I.
und 23. Februar l82t.) Lange, treue Dienste geben keine Ansprüche aus Vor¬
rückung. (Hkzd. v. 14. Jänner und Hhfd. v. 5. Februar 181^.) Ein erledigter
Dienstpvsten ist an deu würdigsten Beamten zu verleihen. Die Personen und
Behörden, welche erledigte Posten zu vergeben, oder sür sie Kandidaten vorzu¬
schlagen haben, sind verpflichtet, ohne alle Nebenrücksichten deu fähigsten, deu in
jeder Beziehung kärglichsten, den sittlichsten Beamten zu berücksichtigen. Die Con-
dnitenlisten sollen die einzige Grundlage der Beurtheilung der Kandidaten zu sein.
Ihnen gegenüber hat kein Beamter das Recht, seinen Privatinteressen irgend eine
Wirkung zu geben.

Daß die österreichische Gesetze die zu einem Amte erforderliche» Qualitäten
im Superlativ verlangen und bei Aemtcrbesetzungcn blos ans das Beste des Dien¬
stes zu sehen gebieten, erspart deu AmtSvvrstchern die Unannehmlichkeit, einem
Manne übel nachzureden, wenn sie ihn zurückgesetzt haben wollen. Sie schildern
ihn als einen geschickten Manu, währeud sie ihren Maun als ausgezeich¬
net schildern. Sie erklären eine Qualität sür im Interesse des Dienstes wünschens¬
wert!), welche der Beamte, der an der Reihe ist, vielleicht in einem geringen
Grade hat. Sie verlangen hente einen jungen, rüstigen Manu, und so wird
der gesündeste, der jüngste an Dienstjahren befördert. Ein anderes Amt
will einen erfahrnen, gereiften, nnisichtigeu Menschen; es wird an einen Greis
verliehen. Heute wird das Alter berücksichtigt, morgen die Betrachtung, daß
dieser oder jener Beamte in der Diensteigenschaft, in welcher man ihn will, er¬
sprießlichere Dienste leisten werde, als in der bisherigen u. s. w. Die ohne Schuld
zurückgesetzten Beamten drücken das unmuthig dahin aus: „Einmal bin ich zu
kurz, das andere Mal zu lang, ein drittes Mal zu dick, ein letztes Mal zu dünn."

Der Amtsvorsteher ist unfehlbar, wenn er den Untergebnen beurtheilt. Sein
Ausspruch inappellabel. Ohne Rücksicht, ob er von frühern Aussprüchen abweicht,
gilt er als eine unwiderlcgliche Wahrheit, als eine praosumtio M-i» et d«i jure.

Die österreichischen Schulen sind von unten herauf Staatsschuld». In den
Elementarschulen, ans den Gymnasien und Universitäten wird der Studirende alle
halbe Jahre von sachkundigen Staatsbeamten unter Controle anderer sachkundiger
Staatsbeamten geprüft. Ueber den Erfolg seiner Prüfungen werden ihm officielle
Zeugnisse ausgefertigt. Der junge Mann, welcher nach vollendeten Studien in
Staatsdienste treten will, muß ausweisen, daß er in jedem Momente seines Le¬
bens ein durchaus anständiger Mensch gewesen. Er muß sich einer sechswöchent-
lichen bis sechsmonatlichen Probcdienstleistnng unterziehen, welche ihm in keiner
Beziehung als Dienstleistung gerechnet wird. Er wird, wenn es sich um die
unterste Schreiberstelle handelt, dnrch eine kaiserliche Commission geprüft und nur
nach gut bestandenen Examen aufgenommen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/283>, abgerufen am 22.07.2024.