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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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anch bei bösem Willen nicht zu gefährden vermag. Damit ist gesagt, daß er sich
sorgfältig hütet, die Beamten zu einander in Fiduziarverhältnisse zu bringen.

Zur Vermeidung dieser Verhältnisse werden den Besitzer mehrfache Betrach¬
tungen bewegen. Einmal kennt eine jede Beschäftigung jener am besten, der
sie ausübt. Als" ist der Mandant am Bvrthcilhaftestcn daran, wenn sein Man¬
datar die nicht speziell vorgezeichneten Bewegungen nach seiner besten Ueber¬
zeugung einrichten kann. Auf audere Art unterliegen die Geschäftsführun¬
gen der Mettscheu natürlichen Controlen. Sie bestehen in der Scheu sich bloß-
zustellen, in dem Trieb seine Pflicht zu erfüllen, wenn das Gegentheil nichts
einträgt, in dem Widerstreben gegen jedes Unrecht eines Andern. Je mehr die
Macht des Obern sich von Willkür unterscheidet, um so wirksamer sind diese Con¬
trolen. Der Rentmeister länft Gefahr, wenn er dem Amtmann zu Gefallen die
Kasse bestiehlt. Der Centner Butter, welcher in die Küche des Amtmanns wan¬
dert, zwingt die Wirtschaftsberater zu allerlei bctrnglichen Zifferausätzen. Wer
glaubt ein Unrecht nicht belohnen zu können, fordert nimmermehr zu demselben auf.

Wie ein Gerüst einstürzt, wenn die stützenden Querbalken unten weggezogen
werden, so hört die Controle mit der arbiträren Gewalt des Obern auf. Im ge¬
gebenen Fall lauten die Ausweise, wie der Amtmann sie haben will. Die Einkünfte
des Gutes stehen ihm zur Disposition. Der Herr hängt vom guten oder bösen
Willen seines Dieners ab.

Aus der Zurücksetzung eines Beamten wachst einem andern Beamten ein Vor¬
theil zu. Damit werden Empfehlungen, Bestechungen, üble Nachrede", das Ha¬
schen nach Verdiensten um die Personen der Obern lebendig. Es gibt eine Menge
Leute, welchen daran liegt zur Kenntniß des Amtsvorstehers zu bringen, was ge¬
eignet ist, jemand eine üble Conduitenliste zuzuziehen. Der Beamte wird mi߬
trauisch, scheinheilig und unsicher. Er fürchtet diese und jene Zeitung zu lesen,
dieses und jenes Buch anzuschaffen, mit diesem und jenem Menschen zu sprechen.
Er lobt die Männer der Regierung und ihre Maßregeln gegen seine eigene Ue¬
berzeugung. Er hat am Ende keine unbefangene Stunde, weil er nicht weiß, ob
er eine unbewachte Stunde hat.

Wer nur irgend mit dem Amtsvorsteher in Berührung steht, ist den Be¬
amten wichtig. Er ist ihnen um so wichtiger, je genauer diese Berührung ist.
Den Frauen, den Bedienten, den Maitressen, den Barbieren wird von den Beam¬
ten hofirt.

Zu diesen allen Conduitenlisten verschwisterten Nachtheilen setzen die österreichi¬
schen Eonduitenlisten mehrere erhebliche Nachtheile hinzu. Die Wirkungen der öster¬
reichischen Condnitenlisten lassen sich in solche unterscheiden, welche den Beamten
als Privaten treffen; in solche, welche anf seine amtliche Stellung Einfluß neh¬
men, endlich in solche, welche der Thätigkeit der Bureaukratie eine Richtung ge¬
ben, die in den Gesetzen nicht vorgesehen ist.


anch bei bösem Willen nicht zu gefährden vermag. Damit ist gesagt, daß er sich
sorgfältig hütet, die Beamten zu einander in Fiduziarverhältnisse zu bringen.

Zur Vermeidung dieser Verhältnisse werden den Besitzer mehrfache Betrach¬
tungen bewegen. Einmal kennt eine jede Beschäftigung jener am besten, der
sie ausübt. Als» ist der Mandant am Bvrthcilhaftestcn daran, wenn sein Man¬
datar die nicht speziell vorgezeichneten Bewegungen nach seiner besten Ueber¬
zeugung einrichten kann. Auf audere Art unterliegen die Geschäftsführun¬
gen der Mettscheu natürlichen Controlen. Sie bestehen in der Scheu sich bloß-
zustellen, in dem Trieb seine Pflicht zu erfüllen, wenn das Gegentheil nichts
einträgt, in dem Widerstreben gegen jedes Unrecht eines Andern. Je mehr die
Macht des Obern sich von Willkür unterscheidet, um so wirksamer sind diese Con¬
trolen. Der Rentmeister länft Gefahr, wenn er dem Amtmann zu Gefallen die
Kasse bestiehlt. Der Centner Butter, welcher in die Küche des Amtmanns wan¬
dert, zwingt die Wirtschaftsberater zu allerlei bctrnglichen Zifferausätzen. Wer
glaubt ein Unrecht nicht belohnen zu können, fordert nimmermehr zu demselben auf.

Wie ein Gerüst einstürzt, wenn die stützenden Querbalken unten weggezogen
werden, so hört die Controle mit der arbiträren Gewalt des Obern auf. Im ge¬
gebenen Fall lauten die Ausweise, wie der Amtmann sie haben will. Die Einkünfte
des Gutes stehen ihm zur Disposition. Der Herr hängt vom guten oder bösen
Willen seines Dieners ab.

Aus der Zurücksetzung eines Beamten wachst einem andern Beamten ein Vor¬
theil zu. Damit werden Empfehlungen, Bestechungen, üble Nachrede», das Ha¬
schen nach Verdiensten um die Personen der Obern lebendig. Es gibt eine Menge
Leute, welchen daran liegt zur Kenntniß des Amtsvorstehers zu bringen, was ge¬
eignet ist, jemand eine üble Conduitenliste zuzuziehen. Der Beamte wird mi߬
trauisch, scheinheilig und unsicher. Er fürchtet diese und jene Zeitung zu lesen,
dieses und jenes Buch anzuschaffen, mit diesem und jenem Menschen zu sprechen.
Er lobt die Männer der Regierung und ihre Maßregeln gegen seine eigene Ue¬
berzeugung. Er hat am Ende keine unbefangene Stunde, weil er nicht weiß, ob
er eine unbewachte Stunde hat.

Wer nur irgend mit dem Amtsvorsteher in Berührung steht, ist den Be¬
amten wichtig. Er ist ihnen um so wichtiger, je genauer diese Berührung ist.
Den Frauen, den Bedienten, den Maitressen, den Barbieren wird von den Beam¬
ten hofirt.

Zu diesen allen Conduitenlisten verschwisterten Nachtheilen setzen die österreichi¬
schen Eonduitenlisten mehrere erhebliche Nachtheile hinzu. Die Wirkungen der öster¬
reichischen Condnitenlisten lassen sich in solche unterscheiden, welche den Beamten
als Privaten treffen; in solche, welche anf seine amtliche Stellung Einfluß neh¬
men, endlich in solche, welche der Thätigkeit der Bureaukratie eine Richtung ge¬
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/282>, abgerufen am 22.07.2024.