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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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handelte, wie oft, nicht besonnen und verständig, sondern nach Routine und zu-
gleich unbillig Partei uchniend. Er wollte, ich solle eine Beschwerde über ihn
an den Münster richten, da ich erklärt, daß ich bis die Sache, so weit sie Dienst¬
verhältnisse betraf, nicht untersucht und geschlichtet sei, mit jenem Beamten, der
sich so vergessen hatte, keine Berührung haben wollte. Darauf hin, als ich mich
beharrlich geweigert, nachzugeben, erklärte der Gesandte, er müsse mich suspendiren.
Und über diese Suspension solle oder müsse ich mich gehörige" Ortes beschweren.
Ich erklärte, es sei seine Sache, über das Vorgefallene zu berichten. Um mich
als aufgeregt darstellen zu können, verlangte er, ich solle ans der Stelle den gan¬
zen Vorgang zu Papier bringen, in seiner Gegenwart. Das that ich mit aller
Ruhe, auch nicht ein Wort gebrauchend, welches irgendwelche Erregung ange¬
deutet hätte.

Ich unterließ natürlich auch nicht, sogleich einen meiner Gönner in Berlin *)
von dem Vorgefallenen in Kenntniß zu sehen, und erhielt von dort her die beruhi-
gensten Versicherungen und das Versprechen, ohne Verzug in'ö Ministerium versetzt
zu werden, als ganz unerwartet nach Verlauf einiger Monate meine Entlassung
eintraf. In der Form war dieselbe mild genug, aber im Wesen ungerecht, wie
anch nach allem Vorhergehenden unerwartet und ""begründet. Denn mau kannte
in Berlin Herrn v. N.'s Wirken sehr wohl und war gewiß geneigt, aus diesem
Grunde, selbst wenn ich gegen hergebrachte Formen verstoßen haben sollte, wie
billig durch die Finger zu sehe". Die Art und Weise, wie der Minister Ancillon
mir meinen neuen Chef in Frankfurt ankündigte, zeigte genügend, daß er ihn
kannte. Er bediente sich nämlich genan der folgenden Worte: "Herr von N. ver¬
langt viel von seinen Beamten, denn er macht große Ansprüche an sich selbst."
Auch bin ich nicht der Einzige gewesen, der in Frankfurt nicht hat mit ihm aus¬
kommen können. Herr K..... verließ alsbald nach N.'s Ankunft in Frankfurt

die Gesandtschaft und ging ein Jahr nach meinem Ausscheiden ohne weiteres
und ohne dem Gesandte" ein Wort zu sagen, direct nach Berlin und stellte sich
dem Minister mit der bestimmten Erklärung vor: hier sei er, er möge über ihn
disponiren wie er wolle, aber nach Frankfurt zu N. wolle und könne er nicht
wieder gehen.

Ich wußte uicht recht, wie ich von Frankfurt fortkommen sollte, denn Herr
v. N. wollte mir nur einen Paß nach Berlin geben. Sicher fühlte ich mich,



*) Unter diesen war ein Man", den ich immer Ursache gehabt habe hochzuachten, und
den ich durch einige politische Arbeiten und Memoranda über den deutschen Zollverein, der
ihm mehr verdankt, als bekannt ist, wie über den Zustand Deutschlands, der Schweiz -c. mir
besonders gewogen gemacht hatte. Daß dieser ehrenwerthe Mann, jetzt an der Spitze eines
einflußreichen Ministeriums seine öffentliche Laufbahn in einem Geiste beschließen sollte, der
mit dem in geradem Widerspruche steht, welcher alle seine früheren Handlungen charakterisirte,
hat mich mit aufrichtigem Schmerze erfüllt.

handelte, wie oft, nicht besonnen und verständig, sondern nach Routine und zu-
gleich unbillig Partei uchniend. Er wollte, ich solle eine Beschwerde über ihn
an den Münster richten, da ich erklärt, daß ich bis die Sache, so weit sie Dienst¬
verhältnisse betraf, nicht untersucht und geschlichtet sei, mit jenem Beamten, der
sich so vergessen hatte, keine Berührung haben wollte. Darauf hin, als ich mich
beharrlich geweigert, nachzugeben, erklärte der Gesandte, er müsse mich suspendiren.
Und über diese Suspension solle oder müsse ich mich gehörige» Ortes beschweren.
Ich erklärte, es sei seine Sache, über das Vorgefallene zu berichten. Um mich
als aufgeregt darstellen zu können, verlangte er, ich solle ans der Stelle den gan¬
zen Vorgang zu Papier bringen, in seiner Gegenwart. Das that ich mit aller
Ruhe, auch nicht ein Wort gebrauchend, welches irgendwelche Erregung ange¬
deutet hätte.

Ich unterließ natürlich auch nicht, sogleich einen meiner Gönner in Berlin *)
von dem Vorgefallenen in Kenntniß zu sehen, und erhielt von dort her die beruhi-
gensten Versicherungen und das Versprechen, ohne Verzug in'ö Ministerium versetzt
zu werden, als ganz unerwartet nach Verlauf einiger Monate meine Entlassung
eintraf. In der Form war dieselbe mild genug, aber im Wesen ungerecht, wie
anch nach allem Vorhergehenden unerwartet und »»begründet. Denn mau kannte
in Berlin Herrn v. N.'s Wirken sehr wohl und war gewiß geneigt, aus diesem
Grunde, selbst wenn ich gegen hergebrachte Formen verstoßen haben sollte, wie
billig durch die Finger zu sehe». Die Art und Weise, wie der Minister Ancillon
mir meinen neuen Chef in Frankfurt ankündigte, zeigte genügend, daß er ihn
kannte. Er bediente sich nämlich genan der folgenden Worte: „Herr von N. ver¬
langt viel von seinen Beamten, denn er macht große Ansprüche an sich selbst."
Auch bin ich nicht der Einzige gewesen, der in Frankfurt nicht hat mit ihm aus¬
kommen können. Herr K..... verließ alsbald nach N.'s Ankunft in Frankfurt

die Gesandtschaft und ging ein Jahr nach meinem Ausscheiden ohne weiteres
und ohne dem Gesandte» ein Wort zu sagen, direct nach Berlin und stellte sich
dem Minister mit der bestimmten Erklärung vor: hier sei er, er möge über ihn
disponiren wie er wolle, aber nach Frankfurt zu N. wolle und könne er nicht
wieder gehen.

Ich wußte uicht recht, wie ich von Frankfurt fortkommen sollte, denn Herr
v. N. wollte mir nur einen Paß nach Berlin geben. Sicher fühlte ich mich,



*) Unter diesen war ein Man», den ich immer Ursache gehabt habe hochzuachten, und
den ich durch einige politische Arbeiten und Memoranda über den deutschen Zollverein, der
ihm mehr verdankt, als bekannt ist, wie über den Zustand Deutschlands, der Schweiz -c. mir
besonders gewogen gemacht hatte. Daß dieser ehrenwerthe Mann, jetzt an der Spitze eines
einflußreichen Ministeriums seine öffentliche Laufbahn in einem Geiste beschließen sollte, der
mit dem in geradem Widerspruche steht, welcher alle seine früheren Handlungen charakterisirte,
hat mich mit aufrichtigem Schmerze erfüllt.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/240>, abgerufen am 22.07.2024.