Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

sehet, Gellert, Schiller, NNoliere n. s. w. aus die Bühne bringt, oder die Geschichte
ihrer geistigen Entwickelung zu einem psychologischen Roman umschafft, sondern
auch die scheinbar naive Ritter- und Räubergeschichte wird aus der Schrift ge¬
schöpft, und mit stereotypen Lettern gedruckt.

Die Periode der deutscheu Literatur, die man nach der belletristischen Schule,
die sich hauptsächlich darin bewegte, als die des jungen Deutschland bezeichnen
kann--eine Periode, in deren Geist Werke, wie Immermann's "Münchhausen" und
"Epigonen," W. Alexis "Hans Diesterwcg," die Romane der Hahn und ähnliche eben
so gut geschrieben sind, als die Werke von Gutzkow, Lanbe und Munde --, macht
eine wesentliche Phase in der Entwickelung des deutschen Geistes aus, und sie
soll bei anderer Gelegenheit in diesen Blättern im Zusammenhang mit den übri¬
gen geistigen Bewegungen charakterisirt werden. Heute wollen wir uns an die
unmittelbare Gegenwart halten, und nach dem Zufall, wie es der Meßkatalog
gerade gibt, herausgreifen, was das Herz unsrer Poeten bewegt.

Das erste Buch, was uus entgegenkommt, ist ein Roman von H. König:
Die Elubisteu in Mainz (Leipzig, F. A. Brockhaus; bis jetzt zwei Bände.)
Der Name des Verfassers gehört zu den hervorragenden unserer belletristischen
Literatur, und man geht unwillkürlich mit Erwartungen an seine Dichtung, die durch
deu Gegenstand uur uoch gesteigert werdeu können. Sie behandelt die Zeit, wo
aus der einen Seite, bei unserer Aristokratie, der Einfluß Frankreichs, der schon lange
am Hofe wie in der Literatur maßgebend gewesen war, durch die unmittelbare
Berührung mit den Emigriten noch mehr belebt wurde, während im Volk und bei
deu Schriftstellern die Kühnheit, mit welcher die französische Nation die Träume
ihrer Idealisten unmittelbar in die Wirklichkeit einzuführen versuchte, im entgegen¬
gesetzten Sinn einen verhängnisvollen Umschwung der Gedanken und V?Strebungen
hervorrief. Von all' deu Schriftstellern, die in jenes gewaltige Triebrad des Gei¬
stes mit hineingerissen wurden, ist Georg Forster, der Weltumsegler, der beten--
teudste. Gervinus hat in seiner Literaturgeschichte mit Recht darauf aufmerksam
gemacht, wie das Urtheil dieses eben so geistvollen als charakterfester Mannes über
die französische Revolution in gewissem Sinne ein prophetisches zu nennen ist, weil
er schon damals in kühnen Zügen sich den Gang jener zugleich frechsten und er¬
habensten Dichtung entwarf, die jemals der menschliche Geist mit einer Feder von
Stahl in Blut getaucht, in die marmornen Monumente der Geschichte aufgezeich¬
net hat. Einen kurzeu Auszug dieser "Pariser Umrisse" haben wir vor einiger
Zeit in diesem Blatte mitgetheilt. Durch Gervinus wurde die Aufmerksamkeit der
Deutschen aufs Neue auf diesen eminenten Geist geleitet, den zu seiner Zeit allein
Schlegel wenigstens von ästhetischer Seite richtig gewürdigt hat, so wenig Wahl¬
verwandtschaft mau auch sonst zwischen beiden Männern herausfinden mag. Es
erschien eine Gesammtausgabe seiner Werke, und man wurde nun auf das Privatleben


sehet, Gellert, Schiller, NNoliere n. s. w. aus die Bühne bringt, oder die Geschichte
ihrer geistigen Entwickelung zu einem psychologischen Roman umschafft, sondern
auch die scheinbar naive Ritter- und Räubergeschichte wird aus der Schrift ge¬
schöpft, und mit stereotypen Lettern gedruckt.

Die Periode der deutscheu Literatur, die man nach der belletristischen Schule,
die sich hauptsächlich darin bewegte, als die des jungen Deutschland bezeichnen
kann—eine Periode, in deren Geist Werke, wie Immermann's „Münchhausen" und
„Epigonen," W. Alexis „Hans Diesterwcg," die Romane der Hahn und ähnliche eben
so gut geschrieben sind, als die Werke von Gutzkow, Lanbe und Munde —, macht
eine wesentliche Phase in der Entwickelung des deutschen Geistes aus, und sie
soll bei anderer Gelegenheit in diesen Blättern im Zusammenhang mit den übri¬
gen geistigen Bewegungen charakterisirt werden. Heute wollen wir uns an die
unmittelbare Gegenwart halten, und nach dem Zufall, wie es der Meßkatalog
gerade gibt, herausgreifen, was das Herz unsrer Poeten bewegt.

Das erste Buch, was uus entgegenkommt, ist ein Roman von H. König:
Die Elubisteu in Mainz (Leipzig, F. A. Brockhaus; bis jetzt zwei Bände.)
Der Name des Verfassers gehört zu den hervorragenden unserer belletristischen
Literatur, und man geht unwillkürlich mit Erwartungen an seine Dichtung, die durch
deu Gegenstand uur uoch gesteigert werdeu können. Sie behandelt die Zeit, wo
aus der einen Seite, bei unserer Aristokratie, der Einfluß Frankreichs, der schon lange
am Hofe wie in der Literatur maßgebend gewesen war, durch die unmittelbare
Berührung mit den Emigriten noch mehr belebt wurde, während im Volk und bei
deu Schriftstellern die Kühnheit, mit welcher die französische Nation die Träume
ihrer Idealisten unmittelbar in die Wirklichkeit einzuführen versuchte, im entgegen¬
gesetzten Sinn einen verhängnisvollen Umschwung der Gedanken und V?Strebungen
hervorrief. Von all' deu Schriftstellern, die in jenes gewaltige Triebrad des Gei¬
stes mit hineingerissen wurden, ist Georg Forster, der Weltumsegler, der beten--
teudste. Gervinus hat in seiner Literaturgeschichte mit Recht darauf aufmerksam
gemacht, wie das Urtheil dieses eben so geistvollen als charakterfester Mannes über
die französische Revolution in gewissem Sinne ein prophetisches zu nennen ist, weil
er schon damals in kühnen Zügen sich den Gang jener zugleich frechsten und er¬
habensten Dichtung entwarf, die jemals der menschliche Geist mit einer Feder von
Stahl in Blut getaucht, in die marmornen Monumente der Geschichte aufgezeich¬
net hat. Einen kurzeu Auszug dieser „Pariser Umrisse" haben wir vor einiger
Zeit in diesem Blatte mitgetheilt. Durch Gervinus wurde die Aufmerksamkeit der
Deutschen aufs Neue auf diesen eminenten Geist geleitet, den zu seiner Zeit allein
Schlegel wenigstens von ästhetischer Seite richtig gewürdigt hat, so wenig Wahl¬
verwandtschaft mau auch sonst zwischen beiden Männern herausfinden mag. Es
erschien eine Gesammtausgabe seiner Werke, und man wurde nun auf das Privatleben


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0214" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/184978"/>
          <p xml:id="ID_703" prev="#ID_702"> sehet, Gellert, Schiller, NNoliere n. s. w. aus die Bühne bringt, oder die Geschichte<lb/>
ihrer geistigen Entwickelung zu einem psychologischen Roman umschafft, sondern<lb/>
auch die scheinbar naive Ritter- und Räubergeschichte wird aus der Schrift ge¬<lb/>
schöpft, und mit stereotypen Lettern gedruckt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_704"> Die Periode der deutscheu Literatur, die man nach der belletristischen Schule,<lb/>
die sich hauptsächlich darin bewegte, als die des jungen Deutschland bezeichnen<lb/>
kann&#x2014;eine Periode, in deren Geist Werke, wie Immermann's &#x201E;Münchhausen" und<lb/>
&#x201E;Epigonen," W. Alexis &#x201E;Hans Diesterwcg," die Romane der Hahn und ähnliche eben<lb/>
so gut geschrieben sind, als die Werke von Gutzkow, Lanbe und Munde &#x2014;, macht<lb/>
eine wesentliche Phase in der Entwickelung des deutschen Geistes aus, und sie<lb/>
soll bei anderer Gelegenheit in diesen Blättern im Zusammenhang mit den übri¬<lb/>
gen geistigen Bewegungen charakterisirt werden. Heute wollen wir uns an die<lb/>
unmittelbare Gegenwart halten, und nach dem Zufall, wie es der Meßkatalog<lb/>
gerade gibt, herausgreifen, was das Herz unsrer Poeten bewegt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_705" next="#ID_706"> Das erste Buch, was uus entgegenkommt, ist ein Roman von H. König:<lb/>
Die Elubisteu in Mainz (Leipzig, F. A. Brockhaus; bis jetzt zwei Bände.)<lb/>
Der Name des Verfassers gehört zu den hervorragenden unserer belletristischen<lb/>
Literatur, und man geht unwillkürlich mit Erwartungen an seine Dichtung, die durch<lb/>
deu Gegenstand uur uoch gesteigert werdeu können. Sie behandelt die Zeit, wo<lb/>
aus der einen Seite, bei unserer Aristokratie, der Einfluß Frankreichs, der schon lange<lb/>
am Hofe wie in der Literatur maßgebend gewesen war, durch die unmittelbare<lb/>
Berührung mit den Emigriten noch mehr belebt wurde, während im Volk und bei<lb/>
deu Schriftstellern die Kühnheit, mit welcher die französische Nation die Träume<lb/>
ihrer Idealisten unmittelbar in die Wirklichkeit einzuführen versuchte, im entgegen¬<lb/>
gesetzten Sinn einen verhängnisvollen Umschwung der Gedanken und V?Strebungen<lb/>
hervorrief. Von all' deu Schriftstellern, die in jenes gewaltige Triebrad des Gei¬<lb/>
stes mit hineingerissen wurden, ist Georg Forster, der Weltumsegler, der beten--<lb/>
teudste. Gervinus hat in seiner Literaturgeschichte mit Recht darauf aufmerksam<lb/>
gemacht, wie das Urtheil dieses eben so geistvollen als charakterfester Mannes über<lb/>
die französische Revolution in gewissem Sinne ein prophetisches zu nennen ist, weil<lb/>
er schon damals in kühnen Zügen sich den Gang jener zugleich frechsten und er¬<lb/>
habensten Dichtung entwarf, die jemals der menschliche Geist mit einer Feder von<lb/>
Stahl in Blut getaucht, in die marmornen Monumente der Geschichte aufgezeich¬<lb/>
net hat. Einen kurzeu Auszug dieser &#x201E;Pariser Umrisse" haben wir vor einiger<lb/>
Zeit in diesem Blatte mitgetheilt. Durch Gervinus wurde die Aufmerksamkeit der<lb/>
Deutschen aufs Neue auf diesen eminenten Geist geleitet, den zu seiner Zeit allein<lb/>
Schlegel wenigstens von ästhetischer Seite richtig gewürdigt hat, so wenig Wahl¬<lb/>
verwandtschaft mau auch sonst zwischen beiden Männern herausfinden mag. Es<lb/>
erschien eine Gesammtausgabe seiner Werke, und man wurde nun auf das Privatleben</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0214] sehet, Gellert, Schiller, NNoliere n. s. w. aus die Bühne bringt, oder die Geschichte ihrer geistigen Entwickelung zu einem psychologischen Roman umschafft, sondern auch die scheinbar naive Ritter- und Räubergeschichte wird aus der Schrift ge¬ schöpft, und mit stereotypen Lettern gedruckt. Die Periode der deutscheu Literatur, die man nach der belletristischen Schule, die sich hauptsächlich darin bewegte, als die des jungen Deutschland bezeichnen kann—eine Periode, in deren Geist Werke, wie Immermann's „Münchhausen" und „Epigonen," W. Alexis „Hans Diesterwcg," die Romane der Hahn und ähnliche eben so gut geschrieben sind, als die Werke von Gutzkow, Lanbe und Munde —, macht eine wesentliche Phase in der Entwickelung des deutschen Geistes aus, und sie soll bei anderer Gelegenheit in diesen Blättern im Zusammenhang mit den übri¬ gen geistigen Bewegungen charakterisirt werden. Heute wollen wir uns an die unmittelbare Gegenwart halten, und nach dem Zufall, wie es der Meßkatalog gerade gibt, herausgreifen, was das Herz unsrer Poeten bewegt. Das erste Buch, was uus entgegenkommt, ist ein Roman von H. König: Die Elubisteu in Mainz (Leipzig, F. A. Brockhaus; bis jetzt zwei Bände.) Der Name des Verfassers gehört zu den hervorragenden unserer belletristischen Literatur, und man geht unwillkürlich mit Erwartungen an seine Dichtung, die durch deu Gegenstand uur uoch gesteigert werdeu können. Sie behandelt die Zeit, wo aus der einen Seite, bei unserer Aristokratie, der Einfluß Frankreichs, der schon lange am Hofe wie in der Literatur maßgebend gewesen war, durch die unmittelbare Berührung mit den Emigriten noch mehr belebt wurde, während im Volk und bei deu Schriftstellern die Kühnheit, mit welcher die französische Nation die Träume ihrer Idealisten unmittelbar in die Wirklichkeit einzuführen versuchte, im entgegen¬ gesetzten Sinn einen verhängnisvollen Umschwung der Gedanken und V?Strebungen hervorrief. Von all' deu Schriftstellern, die in jenes gewaltige Triebrad des Gei¬ stes mit hineingerissen wurden, ist Georg Forster, der Weltumsegler, der beten-- teudste. Gervinus hat in seiner Literaturgeschichte mit Recht darauf aufmerksam gemacht, wie das Urtheil dieses eben so geistvollen als charakterfester Mannes über die französische Revolution in gewissem Sinne ein prophetisches zu nennen ist, weil er schon damals in kühnen Zügen sich den Gang jener zugleich frechsten und er¬ habensten Dichtung entwarf, die jemals der menschliche Geist mit einer Feder von Stahl in Blut getaucht, in die marmornen Monumente der Geschichte aufgezeich¬ net hat. Einen kurzeu Auszug dieser „Pariser Umrisse" haben wir vor einiger Zeit in diesem Blatte mitgetheilt. Durch Gervinus wurde die Aufmerksamkeit der Deutschen aufs Neue auf diesen eminenten Geist geleitet, den zu seiner Zeit allein Schlegel wenigstens von ästhetischer Seite richtig gewürdigt hat, so wenig Wahl¬ verwandtschaft mau auch sonst zwischen beiden Männern herausfinden mag. Es erschien eine Gesammtausgabe seiner Werke, und man wurde nun auf das Privatleben

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/214
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/214>, abgerufen am 22.07.2024.