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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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er seinen reichen Fähigkeiten hätte gleich volle Wirksamkeit verschaffen können.
Zu erwähnen sind noch Freiherr v. Hofer, Freiherr v. Hornstein-Bußmannshansen,
äußerlich formlos, rauh, ja selbst polternd in seinen Vorträgen, die aber sonst nicht
des inneren Kernes entbehren; Freiherr v. Linden, der unbedingte Vertreter der
Negierung, der dies oft nicht leichte und gewiß unangenehme Geschäft nicht ohne
geistige Schärfe verrichtet. or. Wiese, wie auch sein Vrnder, dem leider ") der
Urlaub in die Kammer verweigert wurde, ein Hauptvertreter der ultramontanen
Partei. Die erste Präsidentenstelle bekleidet der Vertreter der Universität Tübin¬
gen, der Kanzler v. Wächter, mit vieler, vielleicht mit zu vieler Bestimmtheit. Die
sonstigen Gaben, die zu dieser schwierigem Stelle gehören, kaun man ihm gewiß
nicht absprechen, da er Gewandtheit und Bestimmtheit in seinen Reden und der
Art, wie er die Abstimmung vornahm, zeigte. Als Redner ist er in jüngster Zeit,
auf dem Germanisteneongreß -- gegen die Geschwornengerichte aufgetreten.

Ein rascherer Geschäftsgang wäre der würtembergischen Kammer sehr zu wün¬
schen; dieser war so langsam und schleppend, daß die Sachen nicht von der Stelle
rückten, und im Anfange des Landtages wöchentlich nur eine kurze Sitzung ge¬
halten wurde, was bei einem Landtage, dessen Zweck zum Theil darin bestand,
eine Hülfe für deu Nothstand des Landes aufzufinden, doppelt auffällig erschien.
Uebrigens ist die zweite Kammer in Würtemberg die einzige in ganz Deutschland,
wo den Abgeordneten eine eigene Amtstracht vorgeschrieben ist. Die Vertreter der
Ritterschaft erscheinen in blauen Uniformen, den Degen an der Seite, alle Uebri-
gen aber in laugen, faltigen Mänteln von schwarzer Seide.

Baierns zweite Kammer zeigt uus den ganzen Zustand des bairischen Volkes,
da sie, wie vorhin erwähnt, aus den verschiedensten Elementen desselben zusam¬
mengesetzt ist; sie unterscheidet sich dadurch von allen anderen süddeutschen Kam¬
mern. Wir können nicht leugnen, daß wir eine solche Zusammensetzung lieben, daß
sie uns angemessener erscheint, als die übrigen, besonders die von Baden und
Hessen, wo blos die geistige und theoretische Bildung der höheren Stände, nicht
aber die praktische Lebensanschauung des gewöhnlichen Bürgers mit vertreten wird.
Aber deshalb wollen wir keineswegs gesagt haben, daß wir die zweite bairische
Kammer auch in ihrer jetzigen Majorität achten, daß wir sie für würdig halten
die Stelle einzunehmen, zu der das Vertrauen des Volkes sie berufen. Gewiß ist
dies nicht der Fall; ein großer Theil der bairischen Abgeordneten zeigte sich ans dem
letzten Landtage in einem gar traurigen Lichte, war ein so blindes Werkzeug in den
Händen des damals allmächtigen Ministers von Abel, daß man wirklich den Stän¬
desaal oft nicht anders als mit der tiefsten und gerechtesten Indignation verlassen



Wir sagen leider! weil wir nie eine Urlaubsvcrweigerung, mag sie auch welche Partei
sie wolle betreffen, billigen können, nicht aber, weil wir nur im mindesten die Ansichten des
Herrn Wiese theilen.

er seinen reichen Fähigkeiten hätte gleich volle Wirksamkeit verschaffen können.
Zu erwähnen sind noch Freiherr v. Hofer, Freiherr v. Hornstein-Bußmannshansen,
äußerlich formlos, rauh, ja selbst polternd in seinen Vorträgen, die aber sonst nicht
des inneren Kernes entbehren; Freiherr v. Linden, der unbedingte Vertreter der
Negierung, der dies oft nicht leichte und gewiß unangenehme Geschäft nicht ohne
geistige Schärfe verrichtet. or. Wiese, wie auch sein Vrnder, dem leider ") der
Urlaub in die Kammer verweigert wurde, ein Hauptvertreter der ultramontanen
Partei. Die erste Präsidentenstelle bekleidet der Vertreter der Universität Tübin¬
gen, der Kanzler v. Wächter, mit vieler, vielleicht mit zu vieler Bestimmtheit. Die
sonstigen Gaben, die zu dieser schwierigem Stelle gehören, kaun man ihm gewiß
nicht absprechen, da er Gewandtheit und Bestimmtheit in seinen Reden und der
Art, wie er die Abstimmung vornahm, zeigte. Als Redner ist er in jüngster Zeit,
auf dem Germanisteneongreß — gegen die Geschwornengerichte aufgetreten.

Ein rascherer Geschäftsgang wäre der würtembergischen Kammer sehr zu wün¬
schen; dieser war so langsam und schleppend, daß die Sachen nicht von der Stelle
rückten, und im Anfange des Landtages wöchentlich nur eine kurze Sitzung ge¬
halten wurde, was bei einem Landtage, dessen Zweck zum Theil darin bestand,
eine Hülfe für deu Nothstand des Landes aufzufinden, doppelt auffällig erschien.
Uebrigens ist die zweite Kammer in Würtemberg die einzige in ganz Deutschland,
wo den Abgeordneten eine eigene Amtstracht vorgeschrieben ist. Die Vertreter der
Ritterschaft erscheinen in blauen Uniformen, den Degen an der Seite, alle Uebri-
gen aber in laugen, faltigen Mänteln von schwarzer Seide.

Baierns zweite Kammer zeigt uus den ganzen Zustand des bairischen Volkes,
da sie, wie vorhin erwähnt, aus den verschiedensten Elementen desselben zusam¬
mengesetzt ist; sie unterscheidet sich dadurch von allen anderen süddeutschen Kam¬
mern. Wir können nicht leugnen, daß wir eine solche Zusammensetzung lieben, daß
sie uns angemessener erscheint, als die übrigen, besonders die von Baden und
Hessen, wo blos die geistige und theoretische Bildung der höheren Stände, nicht
aber die praktische Lebensanschauung des gewöhnlichen Bürgers mit vertreten wird.
Aber deshalb wollen wir keineswegs gesagt haben, daß wir die zweite bairische
Kammer auch in ihrer jetzigen Majorität achten, daß wir sie für würdig halten
die Stelle einzunehmen, zu der das Vertrauen des Volkes sie berufen. Gewiß ist
dies nicht der Fall; ein großer Theil der bairischen Abgeordneten zeigte sich ans dem
letzten Landtage in einem gar traurigen Lichte, war ein so blindes Werkzeug in den
Händen des damals allmächtigen Ministers von Abel, daß man wirklich den Stän¬
desaal oft nicht anders als mit der tiefsten und gerechtesten Indignation verlassen



Wir sagen leider! weil wir nie eine Urlaubsvcrweigerung, mag sie auch welche Partei
sie wolle betreffen, billigen können, nicht aber, weil wir nur im mindesten die Ansichten des
Herrn Wiese theilen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/207>, abgerufen am 25.08.2024.