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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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anregend und dabei gründliche Kenntnisse verrathend, nur oft etwas zu weitschwei¬
fig und zu ungehörigen Nebendingen übergehend. Dann noch Wernhcrr aus Rhein-
Hessen, auch als Redner nicht ohne Werth, obgleich er an demselben Fehler wie
der vorige leidet und auch eine nicht geringe Dosis Selbstgefühl ans seinen Wor¬
ten hervorzugehen scheint. Ein sehr guter rheinhessischer Redner ist auch der zweite
Präsident der Kammer, der Obcrgerichtsrath Und ans Mainz, der trotz seines ho¬
hen Alters die rheinhcssischcn Institutionell noch mit dem glühenden Eifer des feu¬
rigen Jünglings vertheidigt. Von den nicht aus Rheinhessen gewählten Anhän¬
gern der Opposition sind mit vielem Lob zu nennen: Franck der Zweite, früher
protestamischcr Pfarrer, jetzt Besitzer bedeutender Eisenhütten in Oberhessen, ein
klarer, philosophisch gebildeter Kopf voll lebendigen Eifers für Wahrheit und Frei¬
heit, dabei des Wortes in genügendem Grade mächtig. Ihm zunächst kommt der
pensionirte Oberzvllinspcctor Otto aus Offenbach, ein wahrer Vertreter des Volkes,
wie wir jeder Kammer deren recht viele wünschen. Bald für, bald gegen die Re¬
gierung auch in wichtigen Principienfragen stimmend, (in Nebendingen thun dies
natürlich fast alle Deputirten) ist anch der Professor Schmidthcnner aus Gießen
zu nennen. Sicht man hauptsächlich ans äußere Eleganz der Rede, ans größt¬
möglichste Vollendung der Form, so müssen wir bekennen, wenig bessere, ja ihm
nur gleichkommende Redner in den deutschen Kammern gehört zu haben. Klar und
faßlich, ohne jemals zu tief niederzusteigen, erschöpfend ohne weitschweifig zu werden,
concis und doch nicht zu lakonisch sind feine Reden. Dabei sind seine Worte, selbst
das kleinste, scheinbar unbedeutendste, so richtig gewählt, so am passenden Platz
gestellt, seine Perioden so abgerundet, seine Uebergänge so geschickt motivirt, daß
man ihn hierin als Muster aufstellen könnte. Unter den Vertretern der Negie-
rungöansicht zeichnet sich besonders AppellativnSrath Weiland durch seine Gelehr¬
samkeit und der Graf Lehrbach durch sehr eleganten und stets ruhig gehaltenen
Vortrag aus. Von den Vertretern des Miuistertischeö ist besonders der Müu'ste-
rialrath Dr. Breitenbach, dem dies Geschäft in den meisten Debatten zufiel, zu
erwähnen. Große Gewandtheit der Sprache, Schärfe des Verstandes, ein klares
Bewußtsein von dem, was er will, und daraus hervorgehende Consequenz, ver¬
eint mit weiser Mäßigung, sind mit Recht an demselben zu rühmen. Der erste.
Präsident der Kammer ist der Appellatiousrath Hesse, der noch zu neu und uner-
fahren in diesem Amte ist, als daß sich aus irgend eine Weise viel von ihm sagen
ließe. Das Geschäft des Präsidirens ist übrigens in Darmstadt bei der großen
Mäßigung, die dort größtentheils in allen Debatten zu herrschen pflegt, und der
nicht sehr großen Zahl von Mitgliedern viel leichter, als in irgend einer ande¬
ren uns bekannten deutschen Kammer. Es kann dies Herrn Hesse nur angenehm
sein, da ihm die Bekleidung seiner Stelle in Karlsruhe oder München wohl mehr
Verlegenheiten bereitet hätte, als es so schon oft der Fall war. Was sehr störend
in der Darmstädtischen zweiten Kaminer ausfällt, ist, daß viele Redner den Red-


anregend und dabei gründliche Kenntnisse verrathend, nur oft etwas zu weitschwei¬
fig und zu ungehörigen Nebendingen übergehend. Dann noch Wernhcrr aus Rhein-
Hessen, auch als Redner nicht ohne Werth, obgleich er an demselben Fehler wie
der vorige leidet und auch eine nicht geringe Dosis Selbstgefühl ans seinen Wor¬
ten hervorzugehen scheint. Ein sehr guter rheinhessischer Redner ist auch der zweite
Präsident der Kammer, der Obcrgerichtsrath Und ans Mainz, der trotz seines ho¬
hen Alters die rheinhcssischcn Institutionell noch mit dem glühenden Eifer des feu¬
rigen Jünglings vertheidigt. Von den nicht aus Rheinhessen gewählten Anhän¬
gern der Opposition sind mit vielem Lob zu nennen: Franck der Zweite, früher
protestamischcr Pfarrer, jetzt Besitzer bedeutender Eisenhütten in Oberhessen, ein
klarer, philosophisch gebildeter Kopf voll lebendigen Eifers für Wahrheit und Frei¬
heit, dabei des Wortes in genügendem Grade mächtig. Ihm zunächst kommt der
pensionirte Oberzvllinspcctor Otto aus Offenbach, ein wahrer Vertreter des Volkes,
wie wir jeder Kammer deren recht viele wünschen. Bald für, bald gegen die Re¬
gierung auch in wichtigen Principienfragen stimmend, (in Nebendingen thun dies
natürlich fast alle Deputirten) ist anch der Professor Schmidthcnner aus Gießen
zu nennen. Sicht man hauptsächlich ans äußere Eleganz der Rede, ans größt¬
möglichste Vollendung der Form, so müssen wir bekennen, wenig bessere, ja ihm
nur gleichkommende Redner in den deutschen Kammern gehört zu haben. Klar und
faßlich, ohne jemals zu tief niederzusteigen, erschöpfend ohne weitschweifig zu werden,
concis und doch nicht zu lakonisch sind feine Reden. Dabei sind seine Worte, selbst
das kleinste, scheinbar unbedeutendste, so richtig gewählt, so am passenden Platz
gestellt, seine Perioden so abgerundet, seine Uebergänge so geschickt motivirt, daß
man ihn hierin als Muster aufstellen könnte. Unter den Vertretern der Negie-
rungöansicht zeichnet sich besonders AppellativnSrath Weiland durch seine Gelehr¬
samkeit und der Graf Lehrbach durch sehr eleganten und stets ruhig gehaltenen
Vortrag aus. Von den Vertretern des Miuistertischeö ist besonders der Müu'ste-
rialrath Dr. Breitenbach, dem dies Geschäft in den meisten Debatten zufiel, zu
erwähnen. Große Gewandtheit der Sprache, Schärfe des Verstandes, ein klares
Bewußtsein von dem, was er will, und daraus hervorgehende Consequenz, ver¬
eint mit weiser Mäßigung, sind mit Recht an demselben zu rühmen. Der erste.
Präsident der Kammer ist der Appellatiousrath Hesse, der noch zu neu und uner-
fahren in diesem Amte ist, als daß sich aus irgend eine Weise viel von ihm sagen
ließe. Das Geschäft des Präsidirens ist übrigens in Darmstadt bei der großen
Mäßigung, die dort größtentheils in allen Debatten zu herrschen pflegt, und der
nicht sehr großen Zahl von Mitgliedern viel leichter, als in irgend einer ande¬
ren uns bekannten deutschen Kammer. Es kann dies Herrn Hesse nur angenehm
sein, da ihm die Bekleidung seiner Stelle in Karlsruhe oder München wohl mehr
Verlegenheiten bereitet hätte, als es so schon oft der Fall war. Was sehr störend
in der Darmstädtischen zweiten Kaminer ausfällt, ist, daß viele Redner den Red-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/204>, abgerufen am 22.07.2024.