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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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von allen Blättern dieser Farbe darüber bis in den dritten Himmel erhoben, und
den andern Wahlbezirken als Muster vorgestellt. Bis zur nächsten Wahl aber
fangen nun die Beamten nud Alle welche der aristokratischen Seite angehören an,
solchen Wahlbezirk, der bisher einen recht liberalen Abgeordneten gewühlt hat,
auf alle mögliche Weise zu bearbeiten, um ihn zu einer Umänderung zu bewegen.
Sehr häufig geschieht dies mit glücklichem Erfolg, und statt des letzten liberalen
Abgeordneten wird nun von ein und demselben Wahlbezirk und denselben Wäh¬
lern ein anderer abgeschickt, der eine entgegengesetzte Richtung verfolgt.

Ein Beweis dafür ist z.B., daß die liberale Seite der badischen Kammer erst am
Ende des vorigen Landtages einen Versuch gemacht hat, sich der Emanzipation
der Juden kräftig anzunehmen, bis dahin aber immer mit dieser ganzen Sache
nichts zu thun haben wollte. Auch unter der Opposition ist nicht alles Gold, was
glänzt. Ehrgeiz, Partiknlarinteressen und unzeitiges Schmeicheln der Vvlksleiden-
schaften macht sich da nicht minder geltend. So waren auch dieselben Männer,
die unaufhörlich vou Deutschlands Einigkeit reden und einen Freischaarenzng zur
Befreiung von Schleswig-Holstein bilden wollten, zu gleicher Zeit kleinlich ge¬
nug, eine naturgemäße Eisenbahnverbindung mit Württemberg abzulehnen, blos
weil sie glaubten, daß das Partikulariutercsse der Stadt Mannheim darunter
vielleicht etwas leiden könnte. Hiedurch haben sie sich die ganze würtenbergische
liberale Partei zu Gegnern gemacht, während es ihnen doch auf alle Weise daran
gelegen sein sollte, ein inniges Verständniß aller Gleichgesinnten in ganz Deutschland
zu Stande zu bringen Deshalb ist auch die radikale Seite der badtschen zweiten
Kammer augenblicklich als fast gänzlich zersprengt anzusehen, sie entbehrt sowohl des
Nachhalles beim Volke selbst, als auch der inneren Einigkeit und wird, so lange das
jetzige Ministerum, so wie bisher, fortwährt, nie zu großer Bedeutung gelaugen
können, wenn auch die Mannheimer Abendzeitung, das Organ derselben, in ihrer
blinden, oft wirklich lächerlichen Wuth gern alles vernichten möchte. Der Einzige
unter ihnen, der wirklich zum Führer taugt mit sich ausgedehnten Ansehens im
Volke selbst erfreuet, Herr v. Itzstein fängt an, die Gebrechen des Alters zu fühlen,
Mathy, entschieden der schärfste Verstand der ganzen Kammer, hat sich theilweise
von seiner früheren Partei getrennt und Hecker, Bassermann, Welcker, Soiron,
sind wohl gute Redner und dazu geeignet, für einige Zeit eine Kammer an¬
zuregen, leider aber ohne staatsmännische und administrative Begabung, da
ihnen die ersten Fähigkeiten, welche ein Führer einer Partei haben muß, Ruhe,
Consequenz und Vorausberechnung gänzlich fehlen. Aber eben so wenig, ja noch
viel weniger, wie die radikale Partei, hat die aristokratisch-bureaukratisch-ultra¬
montane Seite (diese drei hatten ein gemeinsames Schutz- und Trutzbündniß ge-



*) Die letzthin in Heppenheim stattgefundn!? Versammlung liberaler Deputaten wird hof¬
f A entlich in der Zukunft zur Realisirung dieses Wunsches Vieles beitragen.

von allen Blättern dieser Farbe darüber bis in den dritten Himmel erhoben, und
den andern Wahlbezirken als Muster vorgestellt. Bis zur nächsten Wahl aber
fangen nun die Beamten nud Alle welche der aristokratischen Seite angehören an,
solchen Wahlbezirk, der bisher einen recht liberalen Abgeordneten gewühlt hat,
auf alle mögliche Weise zu bearbeiten, um ihn zu einer Umänderung zu bewegen.
Sehr häufig geschieht dies mit glücklichem Erfolg, und statt des letzten liberalen
Abgeordneten wird nun von ein und demselben Wahlbezirk und denselben Wäh¬
lern ein anderer abgeschickt, der eine entgegengesetzte Richtung verfolgt.

Ein Beweis dafür ist z.B., daß die liberale Seite der badischen Kammer erst am
Ende des vorigen Landtages einen Versuch gemacht hat, sich der Emanzipation
der Juden kräftig anzunehmen, bis dahin aber immer mit dieser ganzen Sache
nichts zu thun haben wollte. Auch unter der Opposition ist nicht alles Gold, was
glänzt. Ehrgeiz, Partiknlarinteressen und unzeitiges Schmeicheln der Vvlksleiden-
schaften macht sich da nicht minder geltend. So waren auch dieselben Männer,
die unaufhörlich vou Deutschlands Einigkeit reden und einen Freischaarenzng zur
Befreiung von Schleswig-Holstein bilden wollten, zu gleicher Zeit kleinlich ge¬
nug, eine naturgemäße Eisenbahnverbindung mit Württemberg abzulehnen, blos
weil sie glaubten, daß das Partikulariutercsse der Stadt Mannheim darunter
vielleicht etwas leiden könnte. Hiedurch haben sie sich die ganze würtenbergische
liberale Partei zu Gegnern gemacht, während es ihnen doch auf alle Weise daran
gelegen sein sollte, ein inniges Verständniß aller Gleichgesinnten in ganz Deutschland
zu Stande zu bringen Deshalb ist auch die radikale Seite der badtschen zweiten
Kammer augenblicklich als fast gänzlich zersprengt anzusehen, sie entbehrt sowohl des
Nachhalles beim Volke selbst, als auch der inneren Einigkeit und wird, so lange das
jetzige Ministerum, so wie bisher, fortwährt, nie zu großer Bedeutung gelaugen
können, wenn auch die Mannheimer Abendzeitung, das Organ derselben, in ihrer
blinden, oft wirklich lächerlichen Wuth gern alles vernichten möchte. Der Einzige
unter ihnen, der wirklich zum Führer taugt mit sich ausgedehnten Ansehens im
Volke selbst erfreuet, Herr v. Itzstein fängt an, die Gebrechen des Alters zu fühlen,
Mathy, entschieden der schärfste Verstand der ganzen Kammer, hat sich theilweise
von seiner früheren Partei getrennt und Hecker, Bassermann, Welcker, Soiron,
sind wohl gute Redner und dazu geeignet, für einige Zeit eine Kammer an¬
zuregen, leider aber ohne staatsmännische und administrative Begabung, da
ihnen die ersten Fähigkeiten, welche ein Führer einer Partei haben muß, Ruhe,
Consequenz und Vorausberechnung gänzlich fehlen. Aber eben so wenig, ja noch
viel weniger, wie die radikale Partei, hat die aristokratisch-bureaukratisch-ultra¬
montane Seite (diese drei hatten ein gemeinsames Schutz- und Trutzbündniß ge-



*) Die letzthin in Heppenheim stattgefundn!? Versammlung liberaler Deputaten wird hof¬
f A entlich in der Zukunft zur Realisirung dieses Wunsches Vieles beitragen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/200>, abgerufen am 22.07.2024.