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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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gehen in alle die Verhandlungen Anspruch machen wollen noch können. Abgesehen
von anderen Verhältnissen gebietet uns dies hier schon der Raum. Vergleicht man
die Wahlsysteme in diesen vier genannten Kammern, so ist das der basischen ent¬
schieden das liberalste und am meisten dem französischen Muster nachgcbildetste.
Das Recht der Vorwahl steht dort jedem badischen Staatsbürger zu, der Steuer¬
betrag der zur passiven Wählbarkeit erforderlich ist, kann nur gering genannt wer¬
den, und der Stand oder der Wohnort des Gewählten selbst ist gar nicht einer
Beschränkung unterworfen, so daß er nicht in seinem Wahlbezirk zu wohnen, oder
überhaupt uur irgend mit Grundstücken begütert zu sein braucht, um gewählt wer¬
den zu können. Dann findet in der zweiten badischen Kaminer auch keine besondere
Standesvertrctnng statt, so daß weder Adel, noch Geistlichkeit, noch Universitäten,
noch Städte als solche, besonders vertreten werden. Das ganze Land ist in ziem¬
lich gleich bevölkerte Wahlbezirke getheilt. Der badischen kommt die Hessen-darm¬
städtische Wahlordnung am nächsten, obgleich sie bei weitem nicht in so freisinni¬
gen Geiste verfaßt ist. Die dortige Wahlordnung selbst, welche drei etwas um¬
ständliche Manipulationen vorschreibt, scheint beim ersten flüchtigen Anblick besser
zu sein, wie es in Wirklichkeit ist. Jeder Abgeordnete muß in Darmstadt ent¬
weder 100 Fi. directe Steuern jährlich bezahlen oder 1000 Fi. Gehalt haben,
während er in Baden nur ein steuerbares Vermögen von 10,000 Fi. oder 1S00 Fi.
Besoldung zu haben braucht. Man sieht, es ist in Baden mehr Rücksicht darauf
genommen, unabhängige Bürger, in Hessen aber Beamte in die Kammer zu be¬
kommen. Ferner ist der Adel auch in Darmstadt besonders durch sechs ihm ange-
hörige und von ihm allein gewählte Abgeordnete, die aber sonst weiter keine be¬
sondern Rechte und Pflichten haben, vertreten. Eine weitere Vertretung einzelner
Stände findet nicht statt; das Großherzogthum ist, die beiden größeren Städte
Mainz und Darmstadt, die ihre besonderen Abgeordneten wählen, abgerechnet, in
34 verschiedene Wahldistrikte getheilt. Daß Jemand in dem Wahldistrikte, von
dem er gewählt wird, auch angesessen sei, wird nicht gefordert. Schon bedeutend
mehr eine Vertretung der besonderen Stände findet in Würtemberg statt. Hier
wählt die angesessene Ritterschaft nach den vier Kreisen des Königreiches dreizehn
Abgeordnete (der Neckarkreis drei) ihres Standes, die sich schon in der Kammer
durch ihre besonderen Plätze und Uniformen auszeichen, die evangelische Geistlich¬
keit sechs Prälaten, die katholische Geistlichkeit drei, unter denen stets der katholische
Bischof des Landes ist, und die Universität Tübingen einen Abgeordneten; die
übrigen Wahlen geschehen nach den verschiedenen Städten und Oberamtsbezirken.
Das Wahlsystem hiebei ist ziemlich freisinnig und die Gewählten brauchen auch
sonst weiter nicht in ihrem Wahlbezirk ansässig zu sein, oder ein vorgeschriebenes
Vermögen zu besitzen. Noch ständischer, wenn wir uns dieses Ausdruckes hier
bedienen können, ist die Wahlordnung Baierns. Hier sind die acht verschiedenen
Provinzen des Königreiches streng von einander geschieden und jede wählt nach


gehen in alle die Verhandlungen Anspruch machen wollen noch können. Abgesehen
von anderen Verhältnissen gebietet uns dies hier schon der Raum. Vergleicht man
die Wahlsysteme in diesen vier genannten Kammern, so ist das der basischen ent¬
schieden das liberalste und am meisten dem französischen Muster nachgcbildetste.
Das Recht der Vorwahl steht dort jedem badischen Staatsbürger zu, der Steuer¬
betrag der zur passiven Wählbarkeit erforderlich ist, kann nur gering genannt wer¬
den, und der Stand oder der Wohnort des Gewählten selbst ist gar nicht einer
Beschränkung unterworfen, so daß er nicht in seinem Wahlbezirk zu wohnen, oder
überhaupt uur irgend mit Grundstücken begütert zu sein braucht, um gewählt wer¬
den zu können. Dann findet in der zweiten badischen Kaminer auch keine besondere
Standesvertrctnng statt, so daß weder Adel, noch Geistlichkeit, noch Universitäten,
noch Städte als solche, besonders vertreten werden. Das ganze Land ist in ziem¬
lich gleich bevölkerte Wahlbezirke getheilt. Der badischen kommt die Hessen-darm¬
städtische Wahlordnung am nächsten, obgleich sie bei weitem nicht in so freisinni¬
gen Geiste verfaßt ist. Die dortige Wahlordnung selbst, welche drei etwas um¬
ständliche Manipulationen vorschreibt, scheint beim ersten flüchtigen Anblick besser
zu sein, wie es in Wirklichkeit ist. Jeder Abgeordnete muß in Darmstadt ent¬
weder 100 Fi. directe Steuern jährlich bezahlen oder 1000 Fi. Gehalt haben,
während er in Baden nur ein steuerbares Vermögen von 10,000 Fi. oder 1S00 Fi.
Besoldung zu haben braucht. Man sieht, es ist in Baden mehr Rücksicht darauf
genommen, unabhängige Bürger, in Hessen aber Beamte in die Kammer zu be¬
kommen. Ferner ist der Adel auch in Darmstadt besonders durch sechs ihm ange-
hörige und von ihm allein gewählte Abgeordnete, die aber sonst weiter keine be¬
sondern Rechte und Pflichten haben, vertreten. Eine weitere Vertretung einzelner
Stände findet nicht statt; das Großherzogthum ist, die beiden größeren Städte
Mainz und Darmstadt, die ihre besonderen Abgeordneten wählen, abgerechnet, in
34 verschiedene Wahldistrikte getheilt. Daß Jemand in dem Wahldistrikte, von
dem er gewählt wird, auch angesessen sei, wird nicht gefordert. Schon bedeutend
mehr eine Vertretung der besonderen Stände findet in Würtemberg statt. Hier
wählt die angesessene Ritterschaft nach den vier Kreisen des Königreiches dreizehn
Abgeordnete (der Neckarkreis drei) ihres Standes, die sich schon in der Kammer
durch ihre besonderen Plätze und Uniformen auszeichen, die evangelische Geistlich¬
keit sechs Prälaten, die katholische Geistlichkeit drei, unter denen stets der katholische
Bischof des Landes ist, und die Universität Tübingen einen Abgeordneten; die
übrigen Wahlen geschehen nach den verschiedenen Städten und Oberamtsbezirken.
Das Wahlsystem hiebei ist ziemlich freisinnig und die Gewählten brauchen auch
sonst weiter nicht in ihrem Wahlbezirk ansässig zu sein, oder ein vorgeschriebenes
Vermögen zu besitzen. Noch ständischer, wenn wir uns dieses Ausdruckes hier
bedienen können, ist die Wahlordnung Baierns. Hier sind die acht verschiedenen
Provinzen des Königreiches streng von einander geschieden und jede wählt nach


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/195>, abgerufen am 22.07.2024.