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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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^aschendücher für "848.

Von den Taschenbüchern für 1848, die ihren Nebenbuhlern vorausgeeilt sind, lie¬
gen uns bereits einige vor; zwei davon bringen das Portrait F. v. Raumer's als
Titelkupfer, wahrscheinlich um an den denkwürdigen Vorfall mit der Akademie zu erin¬
nern, der sich im Laufe dieses Jahres ereignet hat. Die Gelehrsamkeit wollte politisch
werden, "und die Macht rief ihr ein fulminantes "no hüten!" zu. Dieses Portrait
kommt mir daher vor als sollte es ein Warnungsschild sein gegen die Eingriffe der Li¬
teratur in den Dunstkreis des Olymp, wo vie Geschicke der Völker sich entscheiden. Und
wunderlich genug scheint es, daß diese Warnung in dem Inhalt der heurigen Belletristik
beachtet ist; die Novellen und die historischen Monographien bleiben diesmal bei ihrem Leisten.

Zuerst ein Werk von Raumer selbst: Historisches Taschenbuch. Neunter
Jahrgang. Leipzig, F. A. Brockhaus. Den größten Umfang in demselben
nimmt eine Abhandlung von Raumer ein, über die römische Staatsverfassung. Ich
muß gestehen, daß ich bei Raumer's historischen Aufsätzen, die sich auf ein allgemeineres
Thema beziehen, stets zweifelhaft bin, was er sich eigentlich für ein Publikum dabei
gedacht hat. Hier z. B. werden uns mit ziemlicher Ausführlichkeit Dinge erzählt,
die zwar als Reminiscenz an den Gymnasialnnterricht einiges Interesse haben, die aber
sonst in keiner Weise etwas Neues geben. Es ist nun wohl sichtbar, daß der Aussatz
einen polemischen Zweck hat, gegen die kritischen Untersuchungen der Philologen und
Juristen über die römischen Rechtsalterthümer seit Niebuhr's Vorgang, von denen er
mit einem glücklichen Witz sagt: ihre Darstellungen sehen aus, wie die Geschichten
eines Gesellschaftsspiels, in denen immer eine bestimmte Reihe von Worten vorkommen
müßten, die aber im Uebrigen keine Achnlichkeit unter einander hätten. Es ist in der
That nothwendig, gegen den positiven, so zu sagen dogmatischen Theil jener Untersu¬
chungen fortwährend zu polemisiren, unausgesetzt daran zu erinnern, daß bei all' dem
kritischen Werth der Niebuhr'schen Geschichte die Entwickelung der Staatsverfassung,
wie er sie darstellt, nichts ist als eine geistreiche Hypothese, die eben so wenig objecti¬
ven Werth hat als die vorsündfluthliche Geschichte, wie sie von den Physikern ausge¬
dichtet wird. Aber das ist keine richtige Art der Polemik gegen Werke der ungeheuer¬
sten Gelehrsamkeit und des glänzendsten Scharfsinns, daß man ihnen eine Schülerarbeit
entgegenstellt, wie sie in ein Compendium für den ersten Unterricht in der Geschichte
gehören. --


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^aschendücher für »848.

Von den Taschenbüchern für 1848, die ihren Nebenbuhlern vorausgeeilt sind, lie¬
gen uns bereits einige vor; zwei davon bringen das Portrait F. v. Raumer's als
Titelkupfer, wahrscheinlich um an den denkwürdigen Vorfall mit der Akademie zu erin¬
nern, der sich im Laufe dieses Jahres ereignet hat. Die Gelehrsamkeit wollte politisch
werden, "und die Macht rief ihr ein fulminantes „no hüten!" zu. Dieses Portrait
kommt mir daher vor als sollte es ein Warnungsschild sein gegen die Eingriffe der Li¬
teratur in den Dunstkreis des Olymp, wo vie Geschicke der Völker sich entscheiden. Und
wunderlich genug scheint es, daß diese Warnung in dem Inhalt der heurigen Belletristik
beachtet ist; die Novellen und die historischen Monographien bleiben diesmal bei ihrem Leisten.

Zuerst ein Werk von Raumer selbst: Historisches Taschenbuch. Neunter
Jahrgang. Leipzig, F. A. Brockhaus. Den größten Umfang in demselben
nimmt eine Abhandlung von Raumer ein, über die römische Staatsverfassung. Ich
muß gestehen, daß ich bei Raumer's historischen Aufsätzen, die sich auf ein allgemeineres
Thema beziehen, stets zweifelhaft bin, was er sich eigentlich für ein Publikum dabei
gedacht hat. Hier z. B. werden uns mit ziemlicher Ausführlichkeit Dinge erzählt,
die zwar als Reminiscenz an den Gymnasialnnterricht einiges Interesse haben, die aber
sonst in keiner Weise etwas Neues geben. Es ist nun wohl sichtbar, daß der Aussatz
einen polemischen Zweck hat, gegen die kritischen Untersuchungen der Philologen und
Juristen über die römischen Rechtsalterthümer seit Niebuhr's Vorgang, von denen er
mit einem glücklichen Witz sagt: ihre Darstellungen sehen aus, wie die Geschichten
eines Gesellschaftsspiels, in denen immer eine bestimmte Reihe von Worten vorkommen
müßten, die aber im Uebrigen keine Achnlichkeit unter einander hätten. Es ist in der
That nothwendig, gegen den positiven, so zu sagen dogmatischen Theil jener Untersu¬
chungen fortwährend zu polemisiren, unausgesetzt daran zu erinnern, daß bei all' dem
kritischen Werth der Niebuhr'schen Geschichte die Entwickelung der Staatsverfassung,
wie er sie darstellt, nichts ist als eine geistreiche Hypothese, die eben so wenig objecti¬
ven Werth hat als die vorsündfluthliche Geschichte, wie sie von den Physikern ausge¬
dichtet wird. Aber das ist keine richtige Art der Polemik gegen Werke der ungeheuer¬
sten Gelehrsamkeit und des glänzendsten Scharfsinns, daß man ihnen eine Schülerarbeit
entgegenstellt, wie sie in ein Compendium für den ersten Unterricht in der Geschichte
gehören. —


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/178>, abgerufen am 22.07.2024.