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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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werden nichts Unvorteilhaftes über meinen Lebenswandel und meine Person hö¬
ren." -- "Das ist möglich, ich habe auch gegen Ihre Person nichts." -- "War¬
um verweigern Sie mir denn aber die Hand ihrer Tochter? Was steht meinem
und Lorchens Glücke entgegen?" --

Herr Weise ging, die Hände auf dem Rücken mit großen Schritten im Zim¬
mer auf und ab. Dann blieb er vor Herrn Robert stehn, und sagte: "Der Stan¬
desunterschied!" -- "Der Standesunterschied? Wie so? Sie wissen, Herr Weise,
ich bin von keinem schlechten Herkommen. Mein Vater war ein Landprediger,
dem eS bei einer zahlreichen Familie und kärglichem Einkommen nur an Mitteln
fehlte, mir eine andere Laufbahn zu eröffnen. Der Ihrige dagegen war nur ein
Canzellist, wie wir es Beide auch sind." "Wie wir es Beide auch sind?!" wie¬
derholte Herr Weise erstaunt; "ich bitte, daß Sie diejenige Achtung, welche
Sie mir als einem im öffentlichen Dienste grau gewordenen Geheimen Canzellei-
Secretair schuldig sind, nicht außer Augen setzen. Sie sind nichts als ein Pri¬
vatschreiber, welcher von der Willkür einer Privatperson abhängig ist, und der
füglich diejenige Bescheidenheit besitzen sollte, welche seine Stellung bedingt. Kurz
und gut, meine Tochter ist für Sie nicht, Sie können auf dieselbige keinerlei
Ansprüche gründen, um so mehr als die Erfahrung hinlänglich zeigt, daß die
Standesverschiedenheit stets ein störendes Element in der Ehe ist. -- Entfernen
Sie sich, mein Lieber! und belästigen Sie mich nicht ferner mit derartigen ganz
unschicklichen Anträgen, widrigenfalls ich mein verletztes Hausrecht, wie die Gesetze
dies gestatten, mittels Anwendung von Gewalt zu schätzen wissen werde."

Der junge, unglückliche Liebhaber stürzte anßer sich zur Thür hinaus. Drau¬
ßen siel ihm Eleonore, die den ganzen Austritt behorcht hatte, weinend um den
Hals, die Liebenden umschlangen sich zärtlich, und erst der Ruf des Vaters in
der Stube machte diesem Ergüsse ein Ende.

Auch Eleonorens Bitten halfen nichts -- Herr Weise blieb ungerührt und
schalt seine Tochter ein verworfenes Kind. Aber Hochmuth kommt vor dem Fall!

Der verhängnißvolle erste Mai, an welchem Friedrich seine Laufbahn als
Staatsdiener beginnen sollte, rückte heran. Herr Weise stand an diesem Tage
früh auf, um seinen Sohn zu wecken, und ihm noch eine gehörige Information
über das bei der Einführung von ihm zu beobachtende Benehmen zu ertheilen.
Noch am vorigen Abend hatte der arme Junge seinen Vater unter Thränen ange¬
fleht, ihn nicht Schreiber werden zu lassen. Aber Herr Weise war auch in diesem
Punkte unerbittlich. Himmel! als er heute früh an das Bett seines Sohnes trat,
war es leer. "Allmächtiger Gott!" rief er, von einer bösen Ahnung, ergriffen,
"Friedrich ist ausgerissen!" --

Ja! er war fort und blieb fort. "Suche nicht nach mir, Vater!" lautete ein
zurückgelassenes Zettelchen, "Du findest mich doch nicht, und wenn Du mich auch
findest, so laufe ich Dir dennoch wieder fort. Ich bleibe Dir immer gut, blos


werden nichts Unvorteilhaftes über meinen Lebenswandel und meine Person hö¬
ren." — „Das ist möglich, ich habe auch gegen Ihre Person nichts." — „War¬
um verweigern Sie mir denn aber die Hand ihrer Tochter? Was steht meinem
und Lorchens Glücke entgegen?" —

Herr Weise ging, die Hände auf dem Rücken mit großen Schritten im Zim¬
mer auf und ab. Dann blieb er vor Herrn Robert stehn, und sagte: „Der Stan¬
desunterschied!" — „Der Standesunterschied? Wie so? Sie wissen, Herr Weise,
ich bin von keinem schlechten Herkommen. Mein Vater war ein Landprediger,
dem eS bei einer zahlreichen Familie und kärglichem Einkommen nur an Mitteln
fehlte, mir eine andere Laufbahn zu eröffnen. Der Ihrige dagegen war nur ein
Canzellist, wie wir es Beide auch sind." „Wie wir es Beide auch sind?!" wie¬
derholte Herr Weise erstaunt; „ich bitte, daß Sie diejenige Achtung, welche
Sie mir als einem im öffentlichen Dienste grau gewordenen Geheimen Canzellei-
Secretair schuldig sind, nicht außer Augen setzen. Sie sind nichts als ein Pri¬
vatschreiber, welcher von der Willkür einer Privatperson abhängig ist, und der
füglich diejenige Bescheidenheit besitzen sollte, welche seine Stellung bedingt. Kurz
und gut, meine Tochter ist für Sie nicht, Sie können auf dieselbige keinerlei
Ansprüche gründen, um so mehr als die Erfahrung hinlänglich zeigt, daß die
Standesverschiedenheit stets ein störendes Element in der Ehe ist. — Entfernen
Sie sich, mein Lieber! und belästigen Sie mich nicht ferner mit derartigen ganz
unschicklichen Anträgen, widrigenfalls ich mein verletztes Hausrecht, wie die Gesetze
dies gestatten, mittels Anwendung von Gewalt zu schätzen wissen werde."

Der junge, unglückliche Liebhaber stürzte anßer sich zur Thür hinaus. Drau¬
ßen siel ihm Eleonore, die den ganzen Austritt behorcht hatte, weinend um den
Hals, die Liebenden umschlangen sich zärtlich, und erst der Ruf des Vaters in
der Stube machte diesem Ergüsse ein Ende.

Auch Eleonorens Bitten halfen nichts — Herr Weise blieb ungerührt und
schalt seine Tochter ein verworfenes Kind. Aber Hochmuth kommt vor dem Fall!

Der verhängnißvolle erste Mai, an welchem Friedrich seine Laufbahn als
Staatsdiener beginnen sollte, rückte heran. Herr Weise stand an diesem Tage
früh auf, um seinen Sohn zu wecken, und ihm noch eine gehörige Information
über das bei der Einführung von ihm zu beobachtende Benehmen zu ertheilen.
Noch am vorigen Abend hatte der arme Junge seinen Vater unter Thränen ange¬
fleht, ihn nicht Schreiber werden zu lassen. Aber Herr Weise war auch in diesem
Punkte unerbittlich. Himmel! als er heute früh an das Bett seines Sohnes trat,
war es leer. „Allmächtiger Gott!" rief er, von einer bösen Ahnung, ergriffen,
„Friedrich ist ausgerissen!" —

Ja! er war fort und blieb fort. „Suche nicht nach mir, Vater!" lautete ein
zurückgelassenes Zettelchen, „Du findest mich doch nicht, und wenn Du mich auch
findest, so laufe ich Dir dennoch wieder fort. Ich bleibe Dir immer gut, blos


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[0170] werden nichts Unvorteilhaftes über meinen Lebenswandel und meine Person hö¬ ren." — „Das ist möglich, ich habe auch gegen Ihre Person nichts." — „War¬ um verweigern Sie mir denn aber die Hand ihrer Tochter? Was steht meinem und Lorchens Glücke entgegen?" — Herr Weise ging, die Hände auf dem Rücken mit großen Schritten im Zim¬ mer auf und ab. Dann blieb er vor Herrn Robert stehn, und sagte: „Der Stan¬ desunterschied!" — „Der Standesunterschied? Wie so? Sie wissen, Herr Weise, ich bin von keinem schlechten Herkommen. Mein Vater war ein Landprediger, dem eS bei einer zahlreichen Familie und kärglichem Einkommen nur an Mitteln fehlte, mir eine andere Laufbahn zu eröffnen. Der Ihrige dagegen war nur ein Canzellist, wie wir es Beide auch sind." „Wie wir es Beide auch sind?!" wie¬ derholte Herr Weise erstaunt; „ich bitte, daß Sie diejenige Achtung, welche Sie mir als einem im öffentlichen Dienste grau gewordenen Geheimen Canzellei- Secretair schuldig sind, nicht außer Augen setzen. Sie sind nichts als ein Pri¬ vatschreiber, welcher von der Willkür einer Privatperson abhängig ist, und der füglich diejenige Bescheidenheit besitzen sollte, welche seine Stellung bedingt. Kurz und gut, meine Tochter ist für Sie nicht, Sie können auf dieselbige keinerlei Ansprüche gründen, um so mehr als die Erfahrung hinlänglich zeigt, daß die Standesverschiedenheit stets ein störendes Element in der Ehe ist. — Entfernen Sie sich, mein Lieber! und belästigen Sie mich nicht ferner mit derartigen ganz unschicklichen Anträgen, widrigenfalls ich mein verletztes Hausrecht, wie die Gesetze dies gestatten, mittels Anwendung von Gewalt zu schätzen wissen werde." Der junge, unglückliche Liebhaber stürzte anßer sich zur Thür hinaus. Drau¬ ßen siel ihm Eleonore, die den ganzen Austritt behorcht hatte, weinend um den Hals, die Liebenden umschlangen sich zärtlich, und erst der Ruf des Vaters in der Stube machte diesem Ergüsse ein Ende. Auch Eleonorens Bitten halfen nichts — Herr Weise blieb ungerührt und schalt seine Tochter ein verworfenes Kind. Aber Hochmuth kommt vor dem Fall! Der verhängnißvolle erste Mai, an welchem Friedrich seine Laufbahn als Staatsdiener beginnen sollte, rückte heran. Herr Weise stand an diesem Tage früh auf, um seinen Sohn zu wecken, und ihm noch eine gehörige Information über das bei der Einführung von ihm zu beobachtende Benehmen zu ertheilen. Noch am vorigen Abend hatte der arme Junge seinen Vater unter Thränen ange¬ fleht, ihn nicht Schreiber werden zu lassen. Aber Herr Weise war auch in diesem Punkte unerbittlich. Himmel! als er heute früh an das Bett seines Sohnes trat, war es leer. „Allmächtiger Gott!" rief er, von einer bösen Ahnung, ergriffen, „Friedrich ist ausgerissen!" — Ja! er war fort und blieb fort. „Suche nicht nach mir, Vater!" lautete ein zurückgelassenes Zettelchen, „Du findest mich doch nicht, und wenn Du mich auch findest, so laufe ich Dir dennoch wieder fort. Ich bleibe Dir immer gut, blos

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/170>, abgerufen am 12.12.2024.