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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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arzt dazu Hecheilassen, selbst wenn es ihm seine Excellenz als Hofkriegsrathsprästdent
befehlen würde.) Er verleiht ihnen den "Charakter," aber der gehört nach ihm
nicht zur "Auszeichnung" des Offiziers.

Wir haben überhaupt, in der ganzen civilisirten Welt kein Analogon für
die schlechte Stellung und Bezahlung der Feldärzte. Stirbt der Oberarzt, so wird
ihm alle Achtung erwiesen, er wird nach dem Reglement als Oberlieutenant be¬
graben; sein Vorgesetzter, der Regimentsarzt, nur als Unterlieutenant, und der
noch höher stehende Stabsarzt gar als jüngster Oberlieutenant!! Ja den Titel
"Herr", der ihm als Doctor gebührt, mußte sich der Oberarzt durch die lächerliche
Anmaßung eines Auditors erzwingen, der ihm gegen seinen Willen durch sein
Betragen zum Rechte verhalf. Die Barbarei in der Stellung des Oberarztes
sahen alle Offiziere ein; der greise Held, kommandireuder General der italieni¬
schen Armee, Graf Radetzky, und der verstorbene F. M. L. Langenau nähme" sich
ihrer in einer beredte" Eingabe an deu Hofkriegsrath a". Stimmen ans allen
Provinzen wurden lant, und es gibt wohl keinen einzigen Oberst, vielleicht keinen
einzigen Offizier -- zur Ehre der Armee sei's gesagt -- der sich nicht offen aus¬
spräche gegen eine so auffallende Verhöhnung jeder Bildung und Entweihung der
Wissenschaft.

Nach dem neuen Plane erhielte der Oberarzt Ofsizierscharakter ohne Offiziers-
auszeichnuug; der Regimentsarzt trägt Offiziersanszeichnung ohne Offizierscharak¬
ter. Es ist Witz darin. --

Der Offizier, so wie der gemeine Mann erkennt nur in der Auszeichnung
den Offizier; sonst könnte Jeder ans dem Civilstande im schwarzen Frack und
runden Hut gleichfalls auf Offizieröehreubezengnngen bei der Mannschaft Anspruch
macheu. Der Oberarzt bleibt daher in Zukunft eben so abgesondert und entfremdet
dem Militär, als jetzt; so lange aber vertröstet, und am Ende selbst bei erfolgter
Reorganisirnng gar nichts gewinnend, denn ohne Auszeichnung dient er auch
gegenwärtig, läßt er alle" Muth sinken, würde er gänzlich theilnahmslos, abgespannt,
gleichgültig im Dienste, kaum daß er uoch die nothwendigsten Formen bewahrte.
Er weiß, unter 30--40 Dienstjahren wird er nicht Regimentsarzt, entlassen darf
er nnter keiner Bedingung werden, bei dem höchste" Eifer für Wissellschaft und
Aufopferung seiner Gesundheit wird er um keine Stunde früher befördert; harrt
nun seiner keine Anerkennung, keine Allszeichnung, was soll ihn anspornen?

In den kümmerlichsten Verhältnissen ohnehin lebend, wird ihm seine Existenz
noch verleidet durch die steten Zurücksetzungen und das schadenfrohe Lächeln und
Bedauern besonders jüngerer Offiziere über seine Stellung und Uniformirnng; ja
schämt man sich fast höheren Ortes so sehr des Militärarztes, daß ein General
bei der Bnndesinspection im Jahre 1841 einen Arzt deshelb, weil er neben seinem
Truppenkörper, während selber defilirte, einherging, zum Profoßen schickte. -- Er
weiß ferner, daß Doctoren beim Hofkriegsrathe nie mehr als ION Fi. jährlich als


arzt dazu Hecheilassen, selbst wenn es ihm seine Excellenz als Hofkriegsrathsprästdent
befehlen würde.) Er verleiht ihnen den „Charakter," aber der gehört nach ihm
nicht zur „Auszeichnung" des Offiziers.

Wir haben überhaupt, in der ganzen civilisirten Welt kein Analogon für
die schlechte Stellung und Bezahlung der Feldärzte. Stirbt der Oberarzt, so wird
ihm alle Achtung erwiesen, er wird nach dem Reglement als Oberlieutenant be¬
graben; sein Vorgesetzter, der Regimentsarzt, nur als Unterlieutenant, und der
noch höher stehende Stabsarzt gar als jüngster Oberlieutenant!! Ja den Titel
„Herr", der ihm als Doctor gebührt, mußte sich der Oberarzt durch die lächerliche
Anmaßung eines Auditors erzwingen, der ihm gegen seinen Willen durch sein
Betragen zum Rechte verhalf. Die Barbarei in der Stellung des Oberarztes
sahen alle Offiziere ein; der greise Held, kommandireuder General der italieni¬
schen Armee, Graf Radetzky, und der verstorbene F. M. L. Langenau nähme» sich
ihrer in einer beredte» Eingabe an deu Hofkriegsrath a». Stimmen ans allen
Provinzen wurden lant, und es gibt wohl keinen einzigen Oberst, vielleicht keinen
einzigen Offizier — zur Ehre der Armee sei's gesagt — der sich nicht offen aus¬
spräche gegen eine so auffallende Verhöhnung jeder Bildung und Entweihung der
Wissenschaft.

Nach dem neuen Plane erhielte der Oberarzt Ofsizierscharakter ohne Offiziers-
auszeichnuug; der Regimentsarzt trägt Offiziersanszeichnung ohne Offizierscharak¬
ter. Es ist Witz darin. —

Der Offizier, so wie der gemeine Mann erkennt nur in der Auszeichnung
den Offizier; sonst könnte Jeder ans dem Civilstande im schwarzen Frack und
runden Hut gleichfalls auf Offizieröehreubezengnngen bei der Mannschaft Anspruch
macheu. Der Oberarzt bleibt daher in Zukunft eben so abgesondert und entfremdet
dem Militär, als jetzt; so lange aber vertröstet, und am Ende selbst bei erfolgter
Reorganisirnng gar nichts gewinnend, denn ohne Auszeichnung dient er auch
gegenwärtig, läßt er alle» Muth sinken, würde er gänzlich theilnahmslos, abgespannt,
gleichgültig im Dienste, kaum daß er uoch die nothwendigsten Formen bewahrte.
Er weiß, unter 30—40 Dienstjahren wird er nicht Regimentsarzt, entlassen darf
er nnter keiner Bedingung werden, bei dem höchste» Eifer für Wissellschaft und
Aufopferung seiner Gesundheit wird er um keine Stunde früher befördert; harrt
nun seiner keine Anerkennung, keine Allszeichnung, was soll ihn anspornen?

In den kümmerlichsten Verhältnissen ohnehin lebend, wird ihm seine Existenz
noch verleidet durch die steten Zurücksetzungen und das schadenfrohe Lächeln und
Bedauern besonders jüngerer Offiziere über seine Stellung und Uniformirnng; ja
schämt man sich fast höheren Ortes so sehr des Militärarztes, daß ein General
bei der Bnndesinspection im Jahre 1841 einen Arzt deshelb, weil er neben seinem
Truppenkörper, während selber defilirte, einherging, zum Profoßen schickte. — Er
weiß ferner, daß Doctoren beim Hofkriegsrathe nie mehr als ION Fi. jährlich als


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/120>, abgerufen am 12.12.2024.