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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Allerdings war er in der Auseinandersetzung seiner persönlichen Er¬
fahrungen etwas zu mittheilsam, aber der Grundgedanke seines Ver¬
trags, daß man mit dem Unterricht in fremden Sprachen nie vor dem
dreizehnten Jahre beginnen und diese fremden Sprachen nicht neben,
sondern nacheinander eintreten lassen müsse, beherzigenswert!), und an
der Ungeduld und unhöflichen Unruhe, mit der man seinen Vortrag
begleitete, schien die philologische Beschränktheit und Eitelkeit, der es
unbehaglich ist, von Jemand, den sie nicht als Fachmann anerkennt,
Belehrungen zu erhalten, und die von einer Zeitbeschränkung des fremd¬
sprachlichen Unterrichts, den sie am liebsten mit der Muttermilch be¬
gönne, nichts wissen will, keinen geringen Antheil zu haben. Der fol¬
gende Vortrag des Hrn. Fortlage, der sehr lang ausgesponnen im
Grunde nur auf das nächstens erscheinende Buch des Redners über
denselben Gegenstand -- die Musik der Alten -- aufmerksam machen
sollte, wurde mit demüthiger Ergebung angehört, obgleich, wie wir fest
überzeugt sind, ein sehr großer Theil der Zuhörer ihm nicht folgen
konnte und mochte. Der Inhalt der nicht kurzen Abschiedsrede des
Vicepräsidenten war: Ein Philolog darf nicht sentimental sein, aber
wenn ich bedenke, daß die Philologenversammlung zu Ende ist, so be¬
schleicht mich eine gewisse Wehmuth, Alte Bekannte und Freunde
müssen scheiden, das Band neuer Freundschaften, das sich hier zu knü¬
pfen begann, wird wieder gelöst -- nein! es wird nicht gelöst, in Ba¬
sel kommen wir wieder zusammen.

Warum grade Basel mit dieser Aussicht beglückt worden ist, trat
aus dem Commissionsberichte des Hrn. Schulrath Rost durchaus nicht
hervor. Die vorgeschlagenen Städte, zu denen Basel nicht gehört,
wurden durchgegangen und angedeutet, was man zu ihren Gunsten
angeführt habe, so für Braunschweig die Nähe der Germanistenver-
sammlnng, die künftiges Jahr in Lübeck stattfinden wird. Ohne wei¬
tere Würdigung dieser Vorschläge fuhr dann der Hr. Schulrath plötz¬
lich fort: Uns schien Basel der Ort zu sein, der gewählt werden müsse.
Da eine förmliche Einladung von Basel uns nicht vorlag, gegen
die Voraussetzung einer solchen sogar protestirt wurde, und die Lage
im Südwestende Deutschlands eben keine günstige ist, so fragt es sich,
wie sich das Comitee ohne Beachtung der gemachten Vorschläge so
entschieden für die schweizerische Stadt bestimme!, konnte. Von Lübeck,
das die Germanisten aufnehmen, wird, hätten sich die Philologen kaum
weiter entfernen können. -- Eine Bemerkung des Herrn Schulrath,


Allerdings war er in der Auseinandersetzung seiner persönlichen Er¬
fahrungen etwas zu mittheilsam, aber der Grundgedanke seines Ver¬
trags, daß man mit dem Unterricht in fremden Sprachen nie vor dem
dreizehnten Jahre beginnen und diese fremden Sprachen nicht neben,
sondern nacheinander eintreten lassen müsse, beherzigenswert!), und an
der Ungeduld und unhöflichen Unruhe, mit der man seinen Vortrag
begleitete, schien die philologische Beschränktheit und Eitelkeit, der es
unbehaglich ist, von Jemand, den sie nicht als Fachmann anerkennt,
Belehrungen zu erhalten, und die von einer Zeitbeschränkung des fremd¬
sprachlichen Unterrichts, den sie am liebsten mit der Muttermilch be¬
gönne, nichts wissen will, keinen geringen Antheil zu haben. Der fol¬
gende Vortrag des Hrn. Fortlage, der sehr lang ausgesponnen im
Grunde nur auf das nächstens erscheinende Buch des Redners über
denselben Gegenstand — die Musik der Alten — aufmerksam machen
sollte, wurde mit demüthiger Ergebung angehört, obgleich, wie wir fest
überzeugt sind, ein sehr großer Theil der Zuhörer ihm nicht folgen
konnte und mochte. Der Inhalt der nicht kurzen Abschiedsrede des
Vicepräsidenten war: Ein Philolog darf nicht sentimental sein, aber
wenn ich bedenke, daß die Philologenversammlung zu Ende ist, so be¬
schleicht mich eine gewisse Wehmuth, Alte Bekannte und Freunde
müssen scheiden, das Band neuer Freundschaften, das sich hier zu knü¬
pfen begann, wird wieder gelöst — nein! es wird nicht gelöst, in Ba¬
sel kommen wir wieder zusammen.

Warum grade Basel mit dieser Aussicht beglückt worden ist, trat
aus dem Commissionsberichte des Hrn. Schulrath Rost durchaus nicht
hervor. Die vorgeschlagenen Städte, zu denen Basel nicht gehört,
wurden durchgegangen und angedeutet, was man zu ihren Gunsten
angeführt habe, so für Braunschweig die Nähe der Germanistenver-
sammlnng, die künftiges Jahr in Lübeck stattfinden wird. Ohne wei¬
tere Würdigung dieser Vorschläge fuhr dann der Hr. Schulrath plötz¬
lich fort: Uns schien Basel der Ort zu sein, der gewählt werden müsse.
Da eine förmliche Einladung von Basel uns nicht vorlag, gegen
die Voraussetzung einer solchen sogar protestirt wurde, und die Lage
im Südwestende Deutschlands eben keine günstige ist, so fragt es sich,
wie sich das Comitee ohne Beachtung der gemachten Vorschläge so
entschieden für die schweizerische Stadt bestimme!, konnte. Von Lübeck,
das die Germanisten aufnehmen, wird, hätten sich die Philologen kaum
weiter entfernen können. — Eine Bemerkung des Herrn Schulrath,


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[0095] Allerdings war er in der Auseinandersetzung seiner persönlichen Er¬ fahrungen etwas zu mittheilsam, aber der Grundgedanke seines Ver¬ trags, daß man mit dem Unterricht in fremden Sprachen nie vor dem dreizehnten Jahre beginnen und diese fremden Sprachen nicht neben, sondern nacheinander eintreten lassen müsse, beherzigenswert!), und an der Ungeduld und unhöflichen Unruhe, mit der man seinen Vortrag begleitete, schien die philologische Beschränktheit und Eitelkeit, der es unbehaglich ist, von Jemand, den sie nicht als Fachmann anerkennt, Belehrungen zu erhalten, und die von einer Zeitbeschränkung des fremd¬ sprachlichen Unterrichts, den sie am liebsten mit der Muttermilch be¬ gönne, nichts wissen will, keinen geringen Antheil zu haben. Der fol¬ gende Vortrag des Hrn. Fortlage, der sehr lang ausgesponnen im Grunde nur auf das nächstens erscheinende Buch des Redners über denselben Gegenstand — die Musik der Alten — aufmerksam machen sollte, wurde mit demüthiger Ergebung angehört, obgleich, wie wir fest überzeugt sind, ein sehr großer Theil der Zuhörer ihm nicht folgen konnte und mochte. Der Inhalt der nicht kurzen Abschiedsrede des Vicepräsidenten war: Ein Philolog darf nicht sentimental sein, aber wenn ich bedenke, daß die Philologenversammlung zu Ende ist, so be¬ schleicht mich eine gewisse Wehmuth, Alte Bekannte und Freunde müssen scheiden, das Band neuer Freundschaften, das sich hier zu knü¬ pfen begann, wird wieder gelöst — nein! es wird nicht gelöst, in Ba¬ sel kommen wir wieder zusammen. Warum grade Basel mit dieser Aussicht beglückt worden ist, trat aus dem Commissionsberichte des Hrn. Schulrath Rost durchaus nicht hervor. Die vorgeschlagenen Städte, zu denen Basel nicht gehört, wurden durchgegangen und angedeutet, was man zu ihren Gunsten angeführt habe, so für Braunschweig die Nähe der Germanistenver- sammlnng, die künftiges Jahr in Lübeck stattfinden wird. Ohne wei¬ tere Würdigung dieser Vorschläge fuhr dann der Hr. Schulrath plötz¬ lich fort: Uns schien Basel der Ort zu sein, der gewählt werden müsse. Da eine förmliche Einladung von Basel uns nicht vorlag, gegen die Voraussetzung einer solchen sogar protestirt wurde, und die Lage im Südwestende Deutschlands eben keine günstige ist, so fragt es sich, wie sich das Comitee ohne Beachtung der gemachten Vorschläge so entschieden für die schweizerische Stadt bestimme!, konnte. Von Lübeck, das die Germanisten aufnehmen, wird, hätten sich die Philologen kaum weiter entfernen können. — Eine Bemerkung des Herrn Schulrath,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/95>, abgerufen am 26.08.2024.