Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
Was scheucht den Schlummer auch vom weichsten Lager
Und wacht nur auf, daß es von Neuem quäle?
S'ist nicht um Freundes Treubruch bittres Gramm,
Nicht bei Verlorner Lieb' die Todtcnwache,
Der heiße Ehrgeiz nicht, das wilde Scheinen,
Das Würmer ist'S, um ungeno-um'ne Rache!
Hat Einer, wer's auch sei, im Licht der Sonne,
Geschändet deine Ehre ohne scheuen,
Und mußt du denken, daß er einer Wonne
Noch leben kann, und eines Tags sich freuen --
Dann möchtest du mit deinen eignen Handen
Die scharfe Wehr, der er sich konnt' entwinden
Im wilden Gram auf's eigne Herze wenden,
Sprach' nicht das Herz: Wirst ihn vielleicht noch finden!
Und heimathlos, ein sturmverschlagnes Wesen
Durchschweifst du mit den Winden alle Lande
Und hängst und zagst, daß alle Menschen lesen
Auf deiner Stirn die ungerochnc Schande.
Amsel'ger A S ka, solch ein tiefes Elend
Wühlt unablässig dir im wilden Herzen,
Den Brand der Schmach in deiner Brust verhehlend,
Ziehst du umher, ein starrer Mann der Schmerzen.
Ein Pfaffe hat die Schwester dir geschändet,
Den reinen Engel -- dir zum Heil gegeben,
Sie, ihre Schande nicht zu überleben --
Hat -- gräßlich -- durch freiwill'gen Tod geendet. --
Noch lebt der Unschuld teuflischer Verführer,
Die Klerisei beschützt ihren Trabanten,
Er steht beim Erzbischof als Flammenschürer
Der Scheiterhaufen, die in Eonstanz brannten.
Er lebt! o Z s?a Sporne den Polaken
Und laß ihn Blitze aus den Kieseln stäuben,
Sonst wird der Wahnsinn noch im Flug dich packen,
Der Sturm kann deinen Schmerz nicht übertäuben.
Was hebt sich dort im Schatten dunkler Weiden
Fern aus des Seees übcrbuschtem Rande?
Es kommt heran mit wehendem Gewände,
Es ringt die Hände wie in tiefen Leiden!
Es naht, es naht, es geht auf dem Gewässer
Ob dem das Mondlicht wölbte eine Brücke,
Es hebt sich -- immer höher -- immer blasser
Und Roß und Reiter prallen wild zurücke.

Was scheucht den Schlummer auch vom weichsten Lager
Und wacht nur auf, daß es von Neuem quäle?
S'ist nicht um Freundes Treubruch bittres Gramm,
Nicht bei Verlorner Lieb' die Todtcnwache,
Der heiße Ehrgeiz nicht, das wilde Scheinen,
Das Würmer ist'S, um ungeno-um'ne Rache!
Hat Einer, wer's auch sei, im Licht der Sonne,
Geschändet deine Ehre ohne scheuen,
Und mußt du denken, daß er einer Wonne
Noch leben kann, und eines Tags sich freuen —
Dann möchtest du mit deinen eignen Handen
Die scharfe Wehr, der er sich konnt' entwinden
Im wilden Gram auf's eigne Herze wenden,
Sprach' nicht das Herz: Wirst ihn vielleicht noch finden!
Und heimathlos, ein sturmverschlagnes Wesen
Durchschweifst du mit den Winden alle Lande
Und hängst und zagst, daß alle Menschen lesen
Auf deiner Stirn die ungerochnc Schande.
Amsel'ger A S ka, solch ein tiefes Elend
Wühlt unablässig dir im wilden Herzen,
Den Brand der Schmach in deiner Brust verhehlend,
Ziehst du umher, ein starrer Mann der Schmerzen.
Ein Pfaffe hat die Schwester dir geschändet,
Den reinen Engel — dir zum Heil gegeben,
Sie, ihre Schande nicht zu überleben —
Hat — gräßlich — durch freiwill'gen Tod geendet. —
Noch lebt der Unschuld teuflischer Verführer,
Die Klerisei beschützt ihren Trabanten,
Er steht beim Erzbischof als Flammenschürer
Der Scheiterhaufen, die in Eonstanz brannten.
Er lebt! o Z s?a Sporne den Polaken
Und laß ihn Blitze aus den Kieseln stäuben,
Sonst wird der Wahnsinn noch im Flug dich packen,
Der Sturm kann deinen Schmerz nicht übertäuben.
Was hebt sich dort im Schatten dunkler Weiden
Fern aus des Seees übcrbuschtem Rande?
Es kommt heran mit wehendem Gewände,
Es ringt die Hände wie in tiefen Leiden!
Es naht, es naht, es geht auf dem Gewässer
Ob dem das Mondlicht wölbte eine Brücke,
Es hebt sich — immer höher — immer blasser
Und Roß und Reiter prallen wild zurücke.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0007" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183589"/>
            <lg xml:id="POEMID_3" type="poem">
              <l> Was scheucht den Schlummer auch vom weichsten Lager<lb/>
Und wacht nur auf, daß es von Neuem quäle?<lb/>
S'ist nicht um Freundes Treubruch bittres Gramm,<lb/>
Nicht bei Verlorner Lieb' die Todtcnwache,<lb/>
Der heiße Ehrgeiz nicht, das wilde Scheinen,<lb/>
Das Würmer ist'S, um ungeno-um'ne Rache!</l>
              <l> Hat Einer, wer's auch sei, im Licht der Sonne,<lb/>
Geschändet deine Ehre ohne scheuen,<lb/>
Und mußt du denken, daß er einer Wonne<lb/>
Noch leben kann, und eines Tags sich freuen &#x2014;<lb/>
Dann möchtest du mit deinen eignen Handen<lb/>
Die scharfe Wehr, der er sich konnt' entwinden<lb/>
Im wilden Gram auf's eigne Herze wenden,<lb/>
Sprach' nicht das Herz: Wirst ihn vielleicht noch finden!<lb/>
Und heimathlos, ein sturmverschlagnes Wesen<lb/>
Durchschweifst du mit den Winden alle Lande<lb/>
Und hängst und zagst, daß alle Menschen lesen<lb/>
Auf deiner Stirn die ungerochnc Schande.</l>
              <l> Amsel'ger A S ka, solch ein tiefes Elend<lb/>
Wühlt unablässig dir im wilden Herzen,<lb/>
Den Brand der Schmach in deiner Brust verhehlend,<lb/>
Ziehst du umher, ein starrer Mann der Schmerzen.<lb/>
Ein Pfaffe hat die Schwester dir geschändet,<lb/>
Den reinen Engel &#x2014; dir zum Heil gegeben,<lb/>
Sie, ihre Schande nicht zu überleben &#x2014;<lb/>
Hat &#x2014; gräßlich &#x2014; durch freiwill'gen Tod geendet. &#x2014;<lb/>
Noch lebt der Unschuld teuflischer Verführer,<lb/>
Die Klerisei beschützt ihren Trabanten,<lb/>
Er steht beim Erzbischof als Flammenschürer<lb/>
Der Scheiterhaufen, die in Eonstanz brannten.</l>
              <l> Er lebt! o Z s?a Sporne den Polaken<lb/>
Und laß ihn Blitze aus den Kieseln stäuben,<lb/>
Sonst wird der Wahnsinn noch im Flug dich packen,<lb/>
Der Sturm kann deinen Schmerz nicht übertäuben.</l>
              <l> Was hebt sich dort im Schatten dunkler Weiden<lb/>
Fern aus des Seees übcrbuschtem Rande?<lb/>
Es kommt heran mit wehendem Gewände,<lb/>
Es ringt die Hände wie in tiefen Leiden!<lb/>
Es naht, es naht, es geht auf dem Gewässer<lb/>
Ob dem das Mondlicht wölbte eine Brücke,<lb/>
Es hebt sich &#x2014; immer höher &#x2014; immer blasser<lb/>
Und Roß und Reiter prallen wild zurücke.</l>
            </lg><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"/><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0007] Was scheucht den Schlummer auch vom weichsten Lager Und wacht nur auf, daß es von Neuem quäle? S'ist nicht um Freundes Treubruch bittres Gramm, Nicht bei Verlorner Lieb' die Todtcnwache, Der heiße Ehrgeiz nicht, das wilde Scheinen, Das Würmer ist'S, um ungeno-um'ne Rache! Hat Einer, wer's auch sei, im Licht der Sonne, Geschändet deine Ehre ohne scheuen, Und mußt du denken, daß er einer Wonne Noch leben kann, und eines Tags sich freuen — Dann möchtest du mit deinen eignen Handen Die scharfe Wehr, der er sich konnt' entwinden Im wilden Gram auf's eigne Herze wenden, Sprach' nicht das Herz: Wirst ihn vielleicht noch finden! Und heimathlos, ein sturmverschlagnes Wesen Durchschweifst du mit den Winden alle Lande Und hängst und zagst, daß alle Menschen lesen Auf deiner Stirn die ungerochnc Schande. Amsel'ger A S ka, solch ein tiefes Elend Wühlt unablässig dir im wilden Herzen, Den Brand der Schmach in deiner Brust verhehlend, Ziehst du umher, ein starrer Mann der Schmerzen. Ein Pfaffe hat die Schwester dir geschändet, Den reinen Engel — dir zum Heil gegeben, Sie, ihre Schande nicht zu überleben — Hat — gräßlich — durch freiwill'gen Tod geendet. — Noch lebt der Unschuld teuflischer Verführer, Die Klerisei beschützt ihren Trabanten, Er steht beim Erzbischof als Flammenschürer Der Scheiterhaufen, die in Eonstanz brannten. Er lebt! o Z s?a Sporne den Polaken Und laß ihn Blitze aus den Kieseln stäuben, Sonst wird der Wahnsinn noch im Flug dich packen, Der Sturm kann deinen Schmerz nicht übertäuben. Was hebt sich dort im Schatten dunkler Weiden Fern aus des Seees übcrbuschtem Rande? Es kommt heran mit wehendem Gewände, Es ringt die Hände wie in tiefen Leiden! Es naht, es naht, es geht auf dem Gewässer Ob dem das Mondlicht wölbte eine Brücke, Es hebt sich — immer höher — immer blasser Und Roß und Reiter prallen wild zurücke.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/7
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/7>, abgerufen am 26.08.2024.