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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Mitten in den Kreis der Tänzer
springt ein Weib ohn' Kleid und Hülle,
Wie die Heidengöttin Venus
schön in ihrer weißen Fülle;
Roth in Feuer schwimmt ihr Auge,
himmelan den Blick gewandt,
Ruft sie laut, ein Buch, wie trunken
schwenkend in verzückter Hand:
Seht dies Buch! Es heißt die Bibel,
aller Menschheit werth und theuer,
Ich mit einem kühnen Wurfe
schleudr' es in dies Freudenfeuer!
Kunden mag die Schrift, die heil'ge,
wenn sie hier verkohlt, verraucht.
Daß der Mensch zum Seligwerden
Gottes Worte nicht mehr braucht!
Alle Menschheit war bis heute
im Gesetz erstarrt, verloren;
In uns wird, als ersten Menschen,
nun die Menschheit neu geboren.
Ob dem Strom, der uns von Eden
scheidet, setzet kühn den Fuß --
Sünde ist nur Wahn der Thoren,
Gottesdienst ist der Genuß.
Daß sie an die Sünde glaubte,
hat der Welt den Tod gegeben;
Ihr, die wandelt ohne Sünde,
werdet fürder ewig leben.
Ja, unsterblich, unverderblich!
Tod und Sünde ist nur Spott,
Wenn ihr waget sie zu läugnen!
freut euch Alle! Wir sind Gott!
In Verzückung fallt die Nackte,
da der Geist aus ihr gesprochen,
Streckt sich nieder, reckt die Glieder,
Stimm' und Auge ist gebrochen.
Aber um sie schließt sich dichter,
bei der Fackeln dust'rem Glanz,
Bei des Cvmbals wilden Tönen,
nun der Adamitentanz.

Mitten in den Kreis der Tänzer
springt ein Weib ohn' Kleid und Hülle,
Wie die Heidengöttin Venus
schön in ihrer weißen Fülle;
Roth in Feuer schwimmt ihr Auge,
himmelan den Blick gewandt,
Ruft sie laut, ein Buch, wie trunken
schwenkend in verzückter Hand:
Seht dies Buch! Es heißt die Bibel,
aller Menschheit werth und theuer,
Ich mit einem kühnen Wurfe
schleudr' es in dies Freudenfeuer!
Kunden mag die Schrift, die heil'ge,
wenn sie hier verkohlt, verraucht.
Daß der Mensch zum Seligwerden
Gottes Worte nicht mehr braucht!
Alle Menschheit war bis heute
im Gesetz erstarrt, verloren;
In uns wird, als ersten Menschen,
nun die Menschheit neu geboren.
Ob dem Strom, der uns von Eden
scheidet, setzet kühn den Fuß —
Sünde ist nur Wahn der Thoren,
Gottesdienst ist der Genuß.
Daß sie an die Sünde glaubte,
hat der Welt den Tod gegeben;
Ihr, die wandelt ohne Sünde,
werdet fürder ewig leben.
Ja, unsterblich, unverderblich!
Tod und Sünde ist nur Spott,
Wenn ihr waget sie zu läugnen!
freut euch Alle! Wir sind Gott!
In Verzückung fallt die Nackte,
da der Geist aus ihr gesprochen,
Streckt sich nieder, reckt die Glieder,
Stimm' und Auge ist gebrochen.
Aber um sie schließt sich dichter,
bei der Fackeln dust'rem Glanz,
Bei des Cvmbals wilden Tönen,
nun der Adamitentanz.

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[0069] Mitten in den Kreis der Tänzer springt ein Weib ohn' Kleid und Hülle, Wie die Heidengöttin Venus schön in ihrer weißen Fülle; Roth in Feuer schwimmt ihr Auge, himmelan den Blick gewandt, Ruft sie laut, ein Buch, wie trunken schwenkend in verzückter Hand: Seht dies Buch! Es heißt die Bibel, aller Menschheit werth und theuer, Ich mit einem kühnen Wurfe schleudr' es in dies Freudenfeuer! Kunden mag die Schrift, die heil'ge, wenn sie hier verkohlt, verraucht. Daß der Mensch zum Seligwerden Gottes Worte nicht mehr braucht! Alle Menschheit war bis heute im Gesetz erstarrt, verloren; In uns wird, als ersten Menschen, nun die Menschheit neu geboren. Ob dem Strom, der uns von Eden scheidet, setzet kühn den Fuß — Sünde ist nur Wahn der Thoren, Gottesdienst ist der Genuß. Daß sie an die Sünde glaubte, hat der Welt den Tod gegeben; Ihr, die wandelt ohne Sünde, werdet fürder ewig leben. Ja, unsterblich, unverderblich! Tod und Sünde ist nur Spott, Wenn ihr waget sie zu läugnen! freut euch Alle! Wir sind Gott! In Verzückung fallt die Nackte, da der Geist aus ihr gesprochen, Streckt sich nieder, reckt die Glieder, Stimm' und Auge ist gebrochen. Aber um sie schließt sich dichter, bei der Fackeln dust'rem Glanz, Bei des Cvmbals wilden Tönen, nun der Adamitentanz.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/69>, abgerufen am 26.08.2024.