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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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und fuhr fort: "Hier steht's schwarz auf weiß, unter kaiserlichem Sie¬
gel. Aus gut Glück!" Jetzt setzte er wieder ein Glas an. "Hol'
mich der Teufel, wenn'ö mich heute nicht wirft!"

"Gilt's den Rabenäsern?" fragte Leidenfroh.

"Ja wohl! so viel ich weiß, um drei Uhr Morgens oder etwas
später. Sollen Holzknechte sein, durch welche jüngst die Steiermärker
Jäger entmannt und gehenkt worden sind. War auch ein Schneider
dabei und der Tapferste von Allen; haben ihn nicht dran kriegen
können. Die Andern sind in Abrahams Schooß, der Schneider noch
beim Schnapsglas." Bei diesen Worten stülpte er den Schild der
Kappe in die Höhe und ließ sich's wieder munden.

"Tvroler, das geht dich an!" sagte Leidenfroh, "du hast die
Schüsse fallen hören."

"Allerdings! doch du weißt, daß ich durch Fluß und Fels getrennt
war und vom Unglück keine Ahnung hatte. Es freut mich, wenn die
Stunde der Vergeltung kommen sollte. Ist es wahr?"

"Schwarz auf weiß!" bestätigte Rudolph.

Ich begab mich mit dem Brief zum Commandanten, und es ver¬
hielt sich wirklich so. Alis Holzknechte sollten wir Jagd machen. Ein
gefährlich Spiel, denn gewöhnlich waren diese Leute Wilddiebe oder
Deserteurs, und wenn sie ihren Tabak aus Ungarn brachten, mit
Stutzern oder Aertcn mörderisch bewaffnet.

Ich theilte nun, im Auftrage des Commandanten, den Jägern
die Befehle mit, und neues Leben kam in die Gesellschaft. Keine Seele
dachte an Schlaf, Jeder kleidete sich an und rüstete die Waffen. In
kurzer Zeit stand Alles schmuck und blank da. Die Frau Oberjägerm
erschien und vertheilte Proviant und Labsal für den Weg; denn bei
dergleichen Gelegenheiten kehrten wir oft erst nach vierundzwanzig oder
sechsunddreißig Stunden zurück.

Kein Einziger war zu treffen, der nicht sein Gewehr genau un¬
tersuchte und von Neuem lud. Die Freude funkelte auf Aller Antlitz,
und wie durch elektrischen Schlag schien plötzlich die nüchternste Nüch¬
ternheit eingetreten zu sein. Es war, als sei gar nie getrunken und
gezecht worden. Es währte nicht lange, so erschienen noch andere Jäger
von fremden Posten in unserer Kaserne; die Zahl wurde endlich voll
und unter Anführung des Commandanten und Bezirksleiters Hader
zogen wir still und ernst aus, um unentdeckt und sobald als möglich
unser Ziel zu erreichen.




und fuhr fort: „Hier steht's schwarz auf weiß, unter kaiserlichem Sie¬
gel. Aus gut Glück!" Jetzt setzte er wieder ein Glas an. „Hol'
mich der Teufel, wenn'ö mich heute nicht wirft!"

„Gilt's den Rabenäsern?" fragte Leidenfroh.

„Ja wohl! so viel ich weiß, um drei Uhr Morgens oder etwas
später. Sollen Holzknechte sein, durch welche jüngst die Steiermärker
Jäger entmannt und gehenkt worden sind. War auch ein Schneider
dabei und der Tapferste von Allen; haben ihn nicht dran kriegen
können. Die Andern sind in Abrahams Schooß, der Schneider noch
beim Schnapsglas." Bei diesen Worten stülpte er den Schild der
Kappe in die Höhe und ließ sich's wieder munden.

„Tvroler, das geht dich an!" sagte Leidenfroh, „du hast die
Schüsse fallen hören."

„Allerdings! doch du weißt, daß ich durch Fluß und Fels getrennt
war und vom Unglück keine Ahnung hatte. Es freut mich, wenn die
Stunde der Vergeltung kommen sollte. Ist es wahr?"

„Schwarz auf weiß!" bestätigte Rudolph.

Ich begab mich mit dem Brief zum Commandanten, und es ver¬
hielt sich wirklich so. Alis Holzknechte sollten wir Jagd machen. Ein
gefährlich Spiel, denn gewöhnlich waren diese Leute Wilddiebe oder
Deserteurs, und wenn sie ihren Tabak aus Ungarn brachten, mit
Stutzern oder Aertcn mörderisch bewaffnet.

Ich theilte nun, im Auftrage des Commandanten, den Jägern
die Befehle mit, und neues Leben kam in die Gesellschaft. Keine Seele
dachte an Schlaf, Jeder kleidete sich an und rüstete die Waffen. In
kurzer Zeit stand Alles schmuck und blank da. Die Frau Oberjägerm
erschien und vertheilte Proviant und Labsal für den Weg; denn bei
dergleichen Gelegenheiten kehrten wir oft erst nach vierundzwanzig oder
sechsunddreißig Stunden zurück.

Kein Einziger war zu treffen, der nicht sein Gewehr genau un¬
tersuchte und von Neuem lud. Die Freude funkelte auf Aller Antlitz,
und wie durch elektrischen Schlag schien plötzlich die nüchternste Nüch¬
ternheit eingetreten zu sein. Es war, als sei gar nie getrunken und
gezecht worden. Es währte nicht lange, so erschienen noch andere Jäger
von fremden Posten in unserer Kaserne; die Zahl wurde endlich voll
und unter Anführung des Commandanten und Bezirksleiters Hader
zogen wir still und ernst aus, um unentdeckt und sobald als möglich
unser Ziel zu erreichen.




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[0062] und fuhr fort: „Hier steht's schwarz auf weiß, unter kaiserlichem Sie¬ gel. Aus gut Glück!" Jetzt setzte er wieder ein Glas an. „Hol' mich der Teufel, wenn'ö mich heute nicht wirft!" „Gilt's den Rabenäsern?" fragte Leidenfroh. „Ja wohl! so viel ich weiß, um drei Uhr Morgens oder etwas später. Sollen Holzknechte sein, durch welche jüngst die Steiermärker Jäger entmannt und gehenkt worden sind. War auch ein Schneider dabei und der Tapferste von Allen; haben ihn nicht dran kriegen können. Die Andern sind in Abrahams Schooß, der Schneider noch beim Schnapsglas." Bei diesen Worten stülpte er den Schild der Kappe in die Höhe und ließ sich's wieder munden. „Tvroler, das geht dich an!" sagte Leidenfroh, „du hast die Schüsse fallen hören." „Allerdings! doch du weißt, daß ich durch Fluß und Fels getrennt war und vom Unglück keine Ahnung hatte. Es freut mich, wenn die Stunde der Vergeltung kommen sollte. Ist es wahr?" „Schwarz auf weiß!" bestätigte Rudolph. Ich begab mich mit dem Brief zum Commandanten, und es ver¬ hielt sich wirklich so. Alis Holzknechte sollten wir Jagd machen. Ein gefährlich Spiel, denn gewöhnlich waren diese Leute Wilddiebe oder Deserteurs, und wenn sie ihren Tabak aus Ungarn brachten, mit Stutzern oder Aertcn mörderisch bewaffnet. Ich theilte nun, im Auftrage des Commandanten, den Jägern die Befehle mit, und neues Leben kam in die Gesellschaft. Keine Seele dachte an Schlaf, Jeder kleidete sich an und rüstete die Waffen. In kurzer Zeit stand Alles schmuck und blank da. Die Frau Oberjägerm erschien und vertheilte Proviant und Labsal für den Weg; denn bei dergleichen Gelegenheiten kehrten wir oft erst nach vierundzwanzig oder sechsunddreißig Stunden zurück. Kein Einziger war zu treffen, der nicht sein Gewehr genau un¬ tersuchte und von Neuem lud. Die Freude funkelte auf Aller Antlitz, und wie durch elektrischen Schlag schien plötzlich die nüchternste Nüch¬ ternheit eingetreten zu sein. Es war, als sei gar nie getrunken und gezecht worden. Es währte nicht lange, so erschienen noch andere Jäger von fremden Posten in unserer Kaserne; die Zahl wurde endlich voll und unter Anführung des Commandanten und Bezirksleiters Hader zogen wir still und ernst aus, um unentdeckt und sobald als möglich unser Ziel zu erreichen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/62>, abgerufen am 26.08.2024.