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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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nur der Musen Kindergärtchen, nicht der ernste Hain Apoll's, Euch
Schwestern aufgeschlossen sei. Der düstere Ernst mancher Kenntniß
liegt nur im trüben Blicke des Forschers; nahen sich die Grazien, dann
erheitert sich die Wissenschaft. Versucht es nur mit jeder, selbst die
Logarithmenlehre lächelte Euch zu. Logarithmen! Was heißt das, wie
verhält es sich damit? O stille, man spricht nicht gern davon.

-- Ich würde die Liebe allmächtig nennen, könnte sie sich selbst be¬
zwingen.

-- Schmerz ist der Sauerteig des Lebens, der es erst schmackhaft
und genießbar macht.

-- Wieder einige Tausend Auswanderer aus der Schweiz schifften
den Rhein entlang nach Brasilien hinüber. Wir senden den Amerika¬
nern Piloten entgegen, die sie recht bequem und sicher in unsere Hä¬
fen einführen, wenn sie einst Lust bekommen, ihre Freiheitsgesinnungen
über Europa zu verbreiten und an seinen Ufern zu landen.

-- Albrecht der Unartige hieß ein gewisser Landgraf von Thü¬
ringen. Das waren doch noch gute Zeiten, wo man selbst Fürsten
bei ihrem rechten Namen nannte, und das war gewiß ein guter Fürst,
von dem man nichts Schlimmeres zu sagen wußte, als daß er nicht
artig sei!

-- Das Französische Sprechen. -- Man hat den Witz eines
Voltaire, eines Jean Paul, eines Swift, eines Cervantes -- jene Lä¬
cherlichkeit des Französisch-Sprechens steht zu hoch, keine satirische
Züchtigung vermag sie zu erreichen. Das Herz ergrimmt in der Brust,
zum Kampfe ballt sich die Faust, wenn uns eine solche Albernheit in
den Weg tritt. Unter allen Gründen, warum die höhern Stände in
Deutschland die Franzosen gehaßt haben, steht die Furcht, ihre Götter-
Sprache möchte hierdurch zu bürgerlich werden, gewiß oben an.

-- Die neapolitanische und die päpstliche Negierung haben oft son¬
derbare Mittel ergriffen, die öffentliche Sicherheit zu erhalten: sie ha¬
ben mit den Näuberhauptleuten Verträge geschlossen. Doch nie hat
man gehört, daß sie, um Reisende vor Straßenräuberei zu schützen,
das Reisen verboten hätten, das hieße ja Zahnschmerzen durch Kopf-


nur der Musen Kindergärtchen, nicht der ernste Hain Apoll's, Euch
Schwestern aufgeschlossen sei. Der düstere Ernst mancher Kenntniß
liegt nur im trüben Blicke des Forschers; nahen sich die Grazien, dann
erheitert sich die Wissenschaft. Versucht es nur mit jeder, selbst die
Logarithmenlehre lächelte Euch zu. Logarithmen! Was heißt das, wie
verhält es sich damit? O stille, man spricht nicht gern davon.

— Ich würde die Liebe allmächtig nennen, könnte sie sich selbst be¬
zwingen.

— Schmerz ist der Sauerteig des Lebens, der es erst schmackhaft
und genießbar macht.

— Wieder einige Tausend Auswanderer aus der Schweiz schifften
den Rhein entlang nach Brasilien hinüber. Wir senden den Amerika¬
nern Piloten entgegen, die sie recht bequem und sicher in unsere Hä¬
fen einführen, wenn sie einst Lust bekommen, ihre Freiheitsgesinnungen
über Europa zu verbreiten und an seinen Ufern zu landen.

— Albrecht der Unartige hieß ein gewisser Landgraf von Thü¬
ringen. Das waren doch noch gute Zeiten, wo man selbst Fürsten
bei ihrem rechten Namen nannte, und das war gewiß ein guter Fürst,
von dem man nichts Schlimmeres zu sagen wußte, als daß er nicht
artig sei!

— Das Französische Sprechen. — Man hat den Witz eines
Voltaire, eines Jean Paul, eines Swift, eines Cervantes — jene Lä¬
cherlichkeit des Französisch-Sprechens steht zu hoch, keine satirische
Züchtigung vermag sie zu erreichen. Das Herz ergrimmt in der Brust,
zum Kampfe ballt sich die Faust, wenn uns eine solche Albernheit in
den Weg tritt. Unter allen Gründen, warum die höhern Stände in
Deutschland die Franzosen gehaßt haben, steht die Furcht, ihre Götter-
Sprache möchte hierdurch zu bürgerlich werden, gewiß oben an.

— Die neapolitanische und die päpstliche Negierung haben oft son¬
derbare Mittel ergriffen, die öffentliche Sicherheit zu erhalten: sie ha¬
ben mit den Näuberhauptleuten Verträge geschlossen. Doch nie hat
man gehört, daß sie, um Reisende vor Straßenräuberei zu schützen,
das Reisen verboten hätten, das hieße ja Zahnschmerzen durch Kopf-


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[0557] nur der Musen Kindergärtchen, nicht der ernste Hain Apoll's, Euch Schwestern aufgeschlossen sei. Der düstere Ernst mancher Kenntniß liegt nur im trüben Blicke des Forschers; nahen sich die Grazien, dann erheitert sich die Wissenschaft. Versucht es nur mit jeder, selbst die Logarithmenlehre lächelte Euch zu. Logarithmen! Was heißt das, wie verhält es sich damit? O stille, man spricht nicht gern davon. — Ich würde die Liebe allmächtig nennen, könnte sie sich selbst be¬ zwingen. — Schmerz ist der Sauerteig des Lebens, der es erst schmackhaft und genießbar macht. — Wieder einige Tausend Auswanderer aus der Schweiz schifften den Rhein entlang nach Brasilien hinüber. Wir senden den Amerika¬ nern Piloten entgegen, die sie recht bequem und sicher in unsere Hä¬ fen einführen, wenn sie einst Lust bekommen, ihre Freiheitsgesinnungen über Europa zu verbreiten und an seinen Ufern zu landen. — Albrecht der Unartige hieß ein gewisser Landgraf von Thü¬ ringen. Das waren doch noch gute Zeiten, wo man selbst Fürsten bei ihrem rechten Namen nannte, und das war gewiß ein guter Fürst, von dem man nichts Schlimmeres zu sagen wußte, als daß er nicht artig sei! — Das Französische Sprechen. — Man hat den Witz eines Voltaire, eines Jean Paul, eines Swift, eines Cervantes — jene Lä¬ cherlichkeit des Französisch-Sprechens steht zu hoch, keine satirische Züchtigung vermag sie zu erreichen. Das Herz ergrimmt in der Brust, zum Kampfe ballt sich die Faust, wenn uns eine solche Albernheit in den Weg tritt. Unter allen Gründen, warum die höhern Stände in Deutschland die Franzosen gehaßt haben, steht die Furcht, ihre Götter- Sprache möchte hierdurch zu bürgerlich werden, gewiß oben an. — Die neapolitanische und die päpstliche Negierung haben oft son¬ derbare Mittel ergriffen, die öffentliche Sicherheit zu erhalten: sie ha¬ ben mit den Näuberhauptleuten Verträge geschlossen. Doch nie hat man gehört, daß sie, um Reisende vor Straßenräuberei zu schützen, das Reisen verboten hätten, das hieße ja Zahnschmerzen durch Kopf-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/557>, abgerufen am 23.07.2024.